Wehr – Alexander Genter (Großvater des vor einigen Jahren verstorbenen Postboten Alfons Genter) stammte aus einem alten Enkendörfer Geschlecht. Sein Vater Fridolin („Friedle“) teilte sich 1841 mit Xaver Kalt ein zweistöckiges Haus „an der Hasel“ aus dem Jahr 1741. Es besaß Scheune und Stallung und war „von Stein und Holz erbaut“. Die Ökonomie war „mit Stroh“, das Wohnhaus „von Ziegeln gedeckt“. Fridolin war Taglöhner, Feldhüter und mit Elisabeth Trefzger verheiratet.

Kinderarbeit für Buben

Ihr Sohn Alexander kam 1841 zur Welt und wird – wie andere Enkendörfer Jungen auch – nach dem Schulunterricht in der nahe gelegenen Herosé als Streicherbub gearbeitet haben. Dabei stand er neben dem Kattundrucker und musste dafür sorgen, dass das Farbkissen, von dem der Drucker die Farbe auf das Model und dann per Handdruck auf den Stoff übertrug, immer gut benetzt war. Es handelte sich um eine in den Kattundruckereien typische Kinderarbeit für Knaben zwischen 10 und 14 Jahren.

Derart früh auf den Textilberuf vorbereitet, erlernte Alexander Genter Mitte der 1850er Jahre in der Herosé den Beruf des Model- oder Formstechers. Die Ausbildung dauerte circa vier Jahre. In diesem Beruf war er nach der Lehre tätig. 1868 heiratete er Magdalena Zumkeller. Bei der Geburt von Emma 1868 notierte Pfarrer Ernst Ginshofer nur „Fabrikarbeiter“ im Kirchenbuch. Doch bei den Geburten von Rosa (1872), Luise (1875) und Anna (1876) wird Alexander als „Formstecher“ bezeichnet. Als die Zwillinge Gustav und Franz-Josef 1880 zur Welt kamen, hieß es wieder nur „Fabrikarbeiter“.

Das war kein Zufall. Verfügte die Herosé im Jahr 1857, als Alexander seine Lehre machte, noch über 52 Drucktische, so waren es 1868 nur noch 41. Auch nach dem großen Brand von 1876 blieb es in der neu eingerichteten Fabrik bei 41 Drucktischen. So das Fahrnisverzeichnis der Gemeinde Wehr. Die Handdruckerei wurde reduziert, während das Ausrüstungsgeschäft zunahm. Außerdem war eine mechanische Block-Druckmaschine, eine sogenannte Perrotine, angeschafft worden. Als Folge wurden immer weniger Modelstecher benötigt.

Alexander Genter zog die Konsequenz und wechselte um 1880 als Spuler zur Buntweberei Baumgartner & Cie. Nachdem die mechanische Buntweberei Brennet (MBB) im Jahr 1888 den Wehrer Betrieb übernommen hatte, stieg Genter vom Fabrikarbeiter zum Spulermeister auf. Ein Belegschaftsverzeichnis von 1889 nennt ihn mit einem Verdienst von 2.50 Mark am Tag, somit circa 750 Mark jährlich (bei 300 Arbeitstagen). Das lag deutlich unter dem Verdienst der Webmeister oder der Schlosser und Schreiner. Die Spulerei war Frauenarbeit, was sich auch im Lohn des Meisters niederschlug.

Immerhin konnte sich Genter eine Fahrnisversicherung (= Hausratsversicherung) leisten. Im Jahr 1880 betrug der Versicherungswert von Genters Hausstand 1.070 Mark, davon 166 Mark für Möbel und Küchengeräte, 668 Mark für Kleidung und Bettzeug, 12 Mark für Spiegel, 14 Mark für Porzellan, 5 Mark für Bücher sowie 11 Mark für zwei Wanduhren und 17 Mark für eine Taschenuhr. Der Rest ging u.a. auf das Konto von „kleinem Wirtschafts- und Ackergerät“, von Brennholz, Kartoffeln und „vier Stück Federvieh“. Genter war damals im kleinen Maßstab noch landwirtschaftlich tätig.

Ein gewisser Wohlstand

Nachdem er zum Meister befördert und 1889 in das soeben erst erbaute „Bayerhaus“ in der Sternenstraße 7 umgezogen war, verbesserte sich seine wirtschaftliche Situation beträchtlich. Ackergerät hat er nun nicht mehr nötig. Der Versicherungswert seines Hausstandes verdoppelte sich bis 1900 auf 2.116 Mark. Ein gewisser Luxus zog in das Leben des Spulermeisters ein. Nicht nur der Wert der Möbel, des Geschirrs, der Kleider und des Bettzeugs legte zu. Genter gönnte sich nun Teppiche und Vorhänge, eine Zither, mehrere Taschenuhren, Bücher immerhin für 30 Mark – und eine Nähmaschine für seine Ehefrau im Wert von 50 Mark. Das kulturelle Niveau des Arbeiterhaushalts war beträchtlich gestiegen. Dies fand seinen schönsten Ausdruck in der Anschaffung der Zither. Der Spulermeister hatte jetzt Zeit für ein musisches Hobby.

Alexander Genter verstarb am 12. Juli 1912 im Alter von 70 Jahren in seiner Wohnung in der Sternenstraße Nr. 7 vormittags um 11 Uhr. Sein Sohn Gustav, Weber in der MBB, machte die Meldung „aus eigener Wissenschaft“, wie es damals hieß. Die musische Ader vererbte der Spulermeister an seinen Enkel Alfons. Der spielte allerdings nicht Zither, sondern schuf mit Pinsel und Stift in seiner Freizeit so manches Bild des „alten“ Wehr.