Heidrun Glaser

Als der "Raketenpfarrer" ist Hans-Jürgen Allgaier, der seit 1969 in Eggingen die Pfarrstelle innehat, weit über den Landkreis Waldshut hinaus bekannt. Nun ist der raumfahrtbegeisterte Geistliche zu dem Schluss gekommen, all seine Raketenmodelle, seine liebgewonnenen wissenschaftlichen Bücher, seine Briefe und Notizen, schlichtweg alles was er über die Jahre seit seiner Jugend gesammelt hat, nach seinem Tod an das Hermann Oberth Raumfahrt-Museum in Feucht bei Nürnberg zu übergeben.

Der in Schönberg im Jahr 1935 direkt unter der Burg Lahr geborene Sohn einer Bauernfamilie kam nach der Grundschule von der fünften bis zur achten Klasse ins Internat des Kapuzinergymnasiums in Lahr und anschließend wechselte der strebsame Jugendliche ins Internat der Herz-Jesu-Priester nach Stegen bei Freiburg. Bei diesem Priesterorden machte Allgaier schließlich im Emsland auch das Abitur um direkt danach in Freiburg und Würzburg Theologie zu studieren. Während seiner Schulzeit entwickelte Allgaier bereits das Ziel, einmal Pfarrer zu werden, obgleich er auch großes Interesse an der Raumfahrt zeigte.

Die unendliche Weite des Universums bringt Allgaier auch noch heute mit der allumfassenden göttlichen Schöpfung in Verbindung, zahlreiche Predigttexte verfasste der Geistliche über die Weltraumforschung, die auch in Beziehung mit dem Glauben stehen kann.

Während seiner Schulzeit bei den Herz-Jesu-Priestern erregte sein Wissenshunger bezüglich der Weltraumforschung großes Aufsehen und ein priesterlicher Lehrer, der sein Interesse daran sehr förderte, brachte ihm die Zeitschrift "Kristall" mit einem Artikel über Wernher von Braun und dessen Zeichnungen sowie Pläne zur Eroberung des Mondes. Der junge Schüler war davon so beeindruckt, dass er einen Brief an den Weltraumforscher schrieb und bekam prompt im Mai 1953 einen Antwortbrief aus Amerika.

Von da an pflegte Allgaier eine rege Brieffreundschaft mit Wernher von Braun, all diese Briefe existieren immer noch, ebenso wie alle auf dem Markt zu findenden Raketenmodelle, die der "junge Spinner aus dem Schwarzwald" wie er von vielen Schulkollegen damals genannt wurde, nachbaute, auch noch heute in seinem Arbeitszimmer zu betrachten sind. Chemie war übrigens das Lieblingsfach des jungen Gymnasiasten und mit größtem Vergnügen baute er Raketen und Feuerwerkskörper mit den Utensilien seines Experimentierkoffers. So erinnert sich der Senior heute noch an ein löchriges Hemd, welches durch einen missglückten Versuch mit Schwarzpulver in Mitleidenschaft gezogen wurde und die Mutter glaubte, die Motten hätten es zerfressen. "Ich habe schön geschwiegen", erzählt Allgaier schmunzelnd, seine Augen glänzen.

Die letzte selbstgebaute Rakete zündete der damals junge Priester auf dem Dach des Erzbistums bei einem Priesterseminar in Sichtweite des Erzbischofs Hermann Scheufele. Der freudige Anlass war die erfolgreiche Positionierung des ersten Satelliten "Explorer I" aus Amerika, der von Wernher von Braun ins All geschossen wurde. Noch heute organisiert der fast 83-jährige Pfarrer aus Leidenschaft und Überzeugung Jugendzeltlager und baut dort mit den Kindern Raketenmodelle, die dann mit Begeisterung gezündet werden. "Einmal hatte eine Rakete haarscharf die Heckscheibe meines Autos verfehlt, der Abschusswinkel war falsch eingestellt", berichtet der Seelsorger.

Sein großes Vorbild Wernher von Braun traf Allgaier 1969 in Offenburg, als dieser vom Burda-Verlag zu einem Vortrag eingeladen wurde. Zu dieser Zeit wirkte Allgaier als Kaplan in Malsch und hatte nach dem öffentlichen Vortrag bei einem Abendessen die Gelegenheit, sich intensiv mündlich mit dem Weltraumforscher auseinanderzusetzen. "Ich bin überzeugt, dass Braun seine Forschungsziele nicht an der Waffenproduktion ausrichtete, sondern ausschließlich die Eroberung des Weltalls anstrebte", erklärt der Geistliche und fügt an: "Der Weltraum und die Schöpfung gehören zusammen und so ist auch der Psalm 19 zu verstehen, der auf Brauns Grabstein zu lesen ist." Dieser Psalm lautet: Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, ihr Schall pflanzt seinen Namen fort. Ihn rühmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere, vernimm, o Mensch sein göttlich Wort. Allgaier glaubt fest daran, dass es der Menschheit gelingt, auch den Mars in 228 Millionen Kilometer Entfernung zu erforschen und selbst wäre er auch mal gerne ins All und zum Mond geflogen.

Cape Canaveral, den ehemaligen Arbeitsplatz von Braun, hat Pfarrer Allgaier auf Einladung der politischen und kirchlichen Gemeinde Eggingen besucht, auch das Forschungsgelände der ESA bei Heilbronn entging nicht seiner Aufmerksamkeit und mit Stolz erinnert sich Allgaier an einen Besuch von Rudolf Nebel, dem Pionier der Raketenantriebstechnik und Erfinder des Rückstoßmotors im Jahr 1970 in Eggingen. Der Mond sowie die weiter entfernten Gestirne übten schon immer eine ganz besondere Faszination auf den Geistlichen aus. Die Sammelstücke in seinem Zimmer weißen deutlich darauf hin.

"Auf dem Mond besitze ich übrigens ein Grundstück so groß wie Helgoland", berichtet Allgaier noch. Er hat es von dem amerikanischen Geschäftsmann Denis Hope direkt nach der Mondlandung für 48 DM gekauft; "Dieser verkauft inzwischen bereits Grundstücke auf dem Mars", sagt der Pfarrer amüsiert. In geduldiger Kleinarbeit bastelte Allgaier anlässlich der erfolgreichen Mondlandung der Nasa eine Monduhr, auf der alle Landepunkte der Apollonrakete zu sehen sind. Als Zeiger sind die beiden Raketen Jupiter C und Saturn 5 zu sehen. Spezielle Sammelmünzen von Shell markieren die fünf-Minuten Zeitabstände und Originalschauplätze auf dem Mond zieren das Zifferplatt. Auch dieses besondere Stück soll als Nachlass an das Weltraummuseum übergeben werden. "Die haben sich dort riesig über meinen Kontakt gefreut und möchten wirklich alles was ich hier gesammelt habe nach meinem Tod übernehmen", bestätigt Allgaier und ergänzt zufrieden: "Ich glaube, dort sind die Sachen in guten Händen."

Zur Person

Pfarrer Hans-Jürgen Allgaier ist 1935 in Lahr geboren, wurde 1963 in Freiburg zum Priester geweiht und leitet seit 1969 die eigenständige Pfarrei in Eggingen.