Die Neugestaltung des Adler-Areals wird das Ortsbild verändern, entsprechend schwer tun sich manche Allensbacher mit dem größten Bauvorhaben im Ortskern seit Jahrzehnten. Ihnen geht es vor allem um den Charakter der historisch gewachsenen Ortsmitte. Etliche Bürger sehen ihn vor allem durch die einheitliche Gestaltung der geplanten Mehrfamilienhäuser und das Ausmaß der Bebauung gefährdet.

Kritiker sammeln Unterschriften im Dorf

Die Kritik ist seit der öffentlichen Präsentation der Pläne durch die Sparkasse Reichenau Ende Juli nicht leiser geworden, sondern lauter. Die Bürger-Gruppe Adler-Areal, die sich im Frühsommer gebildet hatte und im Kern aus 16 Personen besteht, hat seit Ende September eine Internetseite und sammelt Unterschriften für ihre Forderungen sowohl dort als auch auf Listen in einigen Geschäften.

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Innerhalb kurzer Zeit haben bereits rund 200 Unterstützer unterzeichnet. Inge König von der Bürger-Gruppe betont, es seien eben nicht nur Anwohner wie sie selbst, die in Sorge seien. „Inzwischen ist es ein richtiges Gemeindeanliegen geworden.“

Zentral sind für die Bürger-Gruppe zwei Aspekte. Zum einen monieren sie, dass die Gestaltungssatzung für den Ortskern aus dem Jahr 1981 in etlichen Punkten nicht eingehalten werde. Zum anderen fordern sie die Einsetzung eines Gestaltungsbeirats mit externen Fachleuten, der die Verwaltung und den Gemeinderat beraten könnte. Ein solches Gremium gibt es schon seit Jahren in anderen Kommunen des Landkreises – zum Beispiel in Reichenau.

Quelle: Sparkasse Reichenau / Bild: google earth / SÜDKURIER-Grafik: Stach
Quelle: Sparkasse Reichenau / Bild: google earth / SÜDKURIER-Grafik: Stach | Bild: Maxi, Stach

Der Gemeinderat berät am 18. Oktober

Thema ist das Adler-Areal auch in der nächsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderats am Dienstag, 18. Oktober, ab 19 Uhr im Rathaus. Die Verwaltung und die Planerin Stephanie Witulski von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) wollen dann den Entwurf des Bebauungsplans vorstellen.

Bürgermeister Stefan Friedrich verspricht Antworten auf alle drängenden Fragen in der Gemeinderatssitzung.
Bürgermeister Stefan Friedrich verspricht Antworten auf alle drängenden Fragen in der Gemeinderatssitzung. | Bild: Oliver Hanser | SK-Archiv

Bürgermeister Stefan Friedrich erklärt vorab auf Nachfrage: „Dort werden alle städtebaulichen Belange vorgestellt und auf den Weg gebracht. Die Ortskerngestaltungssatzung bildet hierfür natürlich auch eine Grundlage. In der Sitzung wird Bauamtsleiter Frank Ruhland Näheres ausführlich darstellen. Ebenso die Steg, die uns hier fachmännisch betreut.“

Friedrich verspricht: Es werde Antworten auf die Fragen der Bürger-Gruppe geben – so auch zum Thema Gestaltungsbeirat. Der Bürgermeister verweist darauf, dass er sich mit den Fraktionsvorsitzenden und Vertretern der Gruppe bereits zum Gespräch getroffen habe.

Visualisierung des nördlichen Bereichs mit den vier neuen Mehrfamilienhäusern. Rechts die Radolfzeller, links die Höhrenbergstraße.
Visualisierung des nördlichen Bereichs mit den vier neuen Mehrfamilienhäusern. Rechts die Radolfzeller, links die Höhrenbergstraße. | Bild: rheinform Architekten

Laut Hauptamtsleiter Stefan Weiss wird in der Sitzung erläutert, welche Punkte der Gestaltungssatzung eingehalten werden und welche nicht – wobei erstere überwiegen. Und es soll auch Auskunft darüber geben, wie dies in der Vergangenheit gehandhabt wurde. Wie in Paragraf 11 der Satzung vorgesehen, habe es immer wieder mal Ausnahmen gegeben. „Es hat sich in der Vergangenheit eine Befreiungskultur entwickelt“, so Weiss.

Sparkasse hält sich beim Beirat raus

Sparkassenchef Günter Weber erklärt auf Nachfrage, beim Thema Gestaltungsbeirat sei die Sparkasse natürlich neutral. Das sei Sache der Gemeinde. „Wenn die Gemeinde es für notwendig erachtet, dann muss sie einen Beirat installieren.“

Weber betont, die Sparkasse habe beim Ideenwettbewerb mit vier Architekturbüros die Satzung auch als Vorgabe gemacht. Es habe in allen Vorschlägen Abweichungen davon gegeben. Was die Sparkasse und die Verwaltung vor den Sommerferien schließlich vorstellten, sei der Planungsstand Juli 2022 gewesen.

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„Wir sind weiter am Verfeinern und Planen“, versichert Weber. Dabei würden auch Anregungen einfließen. So sei nach aktuellem Stand zum Beispiel kein Parkplatz an der Brunnengasse mehr nötig, so wie er in der Grafik oben noch eingezeichnet ist. Und Weber betont: „Man muss abwarten, was bei der Bauleitplanung herauskommt.“

Die Bürger-Gruppe moniert derweil, dass die jetzigen Pläne in etlichen Punkten die Satzung verletzen, so etwa bei Dachneigungen, Baulinien, Wand- und Traufhöhen und der Zahl der Vollgeschosse. Dieter Krause meint, durch den Bebauungsplan solle die Satzung ausgehebelt werden und vermutet wirtschaftliche Gründe. Eine massivere Bebauung mit mehr Wohneinheiten würde schließlich die Refinanzierung der Investition erleichtern. „Wir wollen nicht buchstabengetreu eine Einhaltung der Satzung“, betont er. Aber ihr Geist solle erhalten bleiben.

So könnte die Südseite der Radolfzeller Straße einmal aussehen: Statt des Adlers steht hier das Gebäude mit der neuen Sparkassenfiliale ...
So könnte die Südseite der Radolfzeller Straße einmal aussehen: Statt des Adlers steht hier das Gebäude mit der neuen Sparkassenfiliale rechts. | Bild: HHP Architekten GmbH/Helldoor Visual Studio

Bei zentralen Punkten abgewichen

Laut Gabriele Jauernig wird zudem in zentralen Punkten von den Vorgaben abgewichen, etwas beim Bauvolumen und den Grenzabständen. Das habe nichts mit „neuen gestalterischen Gesichtspunkten“ zu tun, die im Paragraf 11 Ausnahmen ermöglichen. In der Satzung, die auf der Homepage der Gemeinde und der der Bürger-Gruppe einsehbar ist, heißt es unter anderem, dass die „lebendige Vielfalt“ und die „Unverwechselbarkeit des Ortsbildes“ zu erhalten seien. Daneben gehe es um eine „Verbesserung des ererbten Ortsbildes“. Neue Bauten sollten „mit entsprechendem Einfühlungsvermögen gestaltet“ sein.

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Gerade deshalb, so meint die Bürger-Gruppe, bräuchte es einen Gestaltungsbeirat. Dies sei solch ein wichtiges Bauvorhaben, betont Inge König: „Da muss man sich doch die Zeit nehmen und Sachverstand einholen.“ Man wolle die Gemeinde unterstützen, diese Chance zu nutzen.

Die Bürger-Gruppe ist nach eigenem Bekunden zufrieden mit der Sparkasse als Investor – moniert aber das Verfahren. Herbert Schaudt hätte sich einen richtigen Architektenwettbewerb mit Einbindung des Gemeinderats gewünscht. Und Dieter Krause kritisiert, dass der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung und Ausgleichsbilanz erstellt werden soll. Dies widerspreche den im Nachhaltigkeitsbericht und dem Klimaplan der Gemeinde festgeschriebenen Zielen.