„Mir geht‘s recht – so wie es halt alten Leuten geht“, sagt Schwester Aleydis Heger. „Das hätte ich nie gedacht, dass ich so alt werde. Ich wollte eigentlich gar nicht so alt werden, weil ich doch in den Himmel will.“ Es sei eben die Aufgabe Gottes, dass er die Menschen durchs Leben begleite und sie abhole, wenn es an der Zeit sei, sagt die tiefgläubige Schwester. „Ich habe jeden Tag angenommen, wie er mir begegnet ist, und hab versucht, gut und recht zu leben und gut zu sein“, versucht sie, ihr hohes Alter zu erklären. „Ich nehme jeden Tag als besonderes Geschenk.“
Ein Dankesgottesdienst zum Geburtstag
Und deshalb sei es ihr großer Wunsch gewesen, dass an ihrem Geburtstag ein Dankgottesdienst für ihr langes Leben gefeiert wird. Schwester Aleydis hört und sieht zwar schlecht, hat aber noch einen guten, klaren Verstand. „Ich hab noch vieles im Kopf, aber manches kann ich nicht mehr so gut behalten“, erklärt die Jubilarin.
Doch sie kann sich noch an all die vielen Stationen ihres Lebens als Schwester erinnern und daran, wo sie wirkte. „Ich habe mich den Menschen hingegeben aus Liebe zu Gott.“ So sei ihr jeder Wechsel zu einer neuen Station schwergefallen, weil sie sich den Menschen so verbunden gefühlt habe. Aber sie sei immer zum Wechsel bereit gewesen.
Wenn sie sich in eine neue Aufgabe eingearbeitet und neue Verbundenheit aufgebaut hatte, dann habe es ihr auch am neuen Ort gefallen, an den sie vom Orden geschickt wurde. „Den Willen Gottes erfüllen und die Menschen froh zu machen, war meine Aufgabe“, erklärt Schwester Aleydis. So gebe es bis heute etliche Kontakte zu Menschen, mit denen sie vor Jahrzehnten zu tun hatte. „Es war ein reiches Leben mit vielen Begegnungen mit kleinen und großen Kindern.“
Besonders gut gefallen habe es ihr im Kindergarten in Zell-Weierbach (1970 bis 1976), wo sie auf viele sehr offene Menschen getroffen sei. Ebenso gern war sie im Konradihaus in Konstanz, das damals noch ein Studienheim für Schüler war (1976 bis 1982 und 1990 bis 1999). Als Oberin sei sie „Mädchen für alles“ gewesen, habe auch mal Technikunterricht gegeben.
Kinder lagen ihr immer am Herzen
Spontan fällt ihr die Anekdote ein, wie dort ein Junge nicht mit dem Häkeln klargekommen sei. Schließlich habe er das Häkelzeug hingeworfen und gesagt: „Das brauch ich nicht. Ich will mal Tierarzt werden.“ Darauf habe sie erwidert, da könne er das vielleicht doch brauchen, wenn er zum Beispiel einen kranken Hund habe – dem könnte er dann ein Jäckchen häkeln.
Für kleinere Kinder habe sie gelegentlich Mutterersatz sein müssen – so etwa in den 14 Jahren, in denen sie im Kindererholungsheim Bad Imnau (1955 bis 1969) beschäftigt war. Alle sechs Wochen seien neue Kinder gekommen. Und vor allem die Kleineren hätten oft Heimweh gehabt. Da habe sie oft bis spät am Bett gesessen und die Kinder getröstet.
Aber es seien auch ältere Kinder dort gewesen, für die sie dann zum Beispiel Theater gespielt hätten. Denn Schwester Aleydis hatte immer auch eine kreative Ader. Selbst im hohen Alter übernahm sie dann noch einmal eine neue Aufgabe in der Sozialstation in Achern (1999 bis 2009). Dort habe sie unter anderem Besuchsdienste für ältere Menschen gemacht – zu Hause oder im Krankenhaus.
Erst mit 90 Jahren kam Schwester Aleydis schließlich ins Pflegeheim Maria Hilf – und meint jetzt schmunzelnd: „Ich habe gedacht, da passe ich noch nicht rein.“ Doch sie habe versucht, dort ein bisschen Leben ins Heim zu bringen, erklärt die Jubilarin. Das kann Schwester Regina Teresa, die Oberin des Pflegeheims, nur bestätigen. Schwester Aleydis habe sich etliche Jahre beim Festkomitee für alle Bewohner eingebracht.
Sie verfolgt täglich die Nachrichten
Und bei Festen wie Geburts- oder Namenstagen habe sie mit ihrer Handpuppe Seppel selbst erfundene Geschichten zur Unterhaltung erzählt. Schwester Aleydis fügt an, sie habe auch viel mit den anderen Bewohnern gesungen. „Aber ich bin nie vorne hingestanden und habe dirigiert“, betont sie. Durch die Corona-Pandemie seien diese Aktivitäten dann aber zwangsläufig ausgelaufen.
Doch bis heute ist Schwester Aleydis sehr interessiert daran, was im Orden der Barmherzigen Schwestern und auch, was in der Welt geschieht. Sie höre noch jeden Tag morgens und abends im Radio die Nachrichten, erklärt die 100-Jährige.
In ihren Gebeten bitte sie um das Gute in der Welt, damit die Menschen sorgenfrei leben könnten. Die Liebe stehe über allem. Aber sie beziehe auch die Bösen in ihre Gebete ein, damit diese ihre Gesinnung ändern mögen. „Was mich stärkt, ist die Kraft aus dem Glauben“, sagt Schwester Aleydis, „und das Vertrauen auf Gottes Hilfe.“
Ihren Schwesternnamen bekam Aleydis – wie es üblich ist – beim Eintritt ins Kloster im Jahr 1950. Aleydis sei eine heilige Zisterzienser-Nonne aus den Niederlanden gewesen, erklärt die 100-Jährige. Doch getauft sei sie eigentlich auf den Namen Elisabeth. Ihr Vorbild sei die Heilige Elisabeth gewesen. Schwester Aleydis fügt schmunzelnd an: „Ich bin aber nicht heilig.“