Ein Bus ohne Fahrer, geht das? Unter bestimmten Voraussetzungen – ja. Und diese werden in Bodman geschaffen, um ein zukunftsweisendes Leuchtturmprojekt umzusetzen. In etwas weniger als einem Jahr soll der Bolu-Train durch den Ort fahren und bereits in seiner Testphase den öffentlichen Nahverkehr revolutionieren.
Der Name ist momentan eher noch ein Arbeitstitel, aber das Fahrzeug befindet sich bereits im Bau. Der Bolu-Train oder City-Train, wie ihn das Team der Neumaier Industry GmbH & Co. KG nennt, ist eine Art Straßenbahn ohne Schienen. Es gibt einen elektrischen Triebwagen und anhängbare Kabinen. Für Bodman ist ein Gespann mit drei Kabinen geplant, in denen es jeweils zwölf Sitzplatze gibt – also 36 Plätze insgesamt.

Bürgermeister Matthias Weckbach hat den aktuellen Stand kürzlich im Gemeinderat vorgestellt. Bernd Neumaier, Geschäftsführer von Neumaier Industry, erzählt im Gespräch mit dem SÜDKURIER von der Technologie, die dahinter steckt, und was genau ein Bus ohne Fahrer im Rahmen der rechtlichen Vorgaben bedeutet.
Erprobte Technologie in neuem Gebiet
Diese Form und der Personentransport sei für die Firma eine Premiere, sagt Bernd Neumaier, allerdings könnten sie dabei auf Erfahrungen aufbauen. „Die Fahrwerks-Technik ist seit 2014 in den Industrie-Routenzügen im Einsatz mit über 100.000 Betriebsstunden in Echtbetrieb“, so Neumaier. „Das automatisierte Fahren und Navigieren wurde bereits vor vier bis fünf Jahren bei Neumaier entwickelt, und das automatisierte Fahren im Outdoor-Bereich machen wir seit circa zwei Jahren. Letztendlich ist es nur die Kabine für die Fahrgäste, die wir neu entwickeln und konstruieren mussten.“
Die Sicherheitsstandards seien sehr hoch und Sicherheit habe die oberste Priorität, betont er. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens seien der Tüv und das Regierungspräsidium involviert.
Die Kabine kann überall jederzeit anhalten
Bernd Neumaier hebt einen Aspekt hervor, den die Technik seiner Firma von anderen unterscheidet: die höhenverstellbaren Passagierkabinen. „Das haben nur wir.“ Die Kabine erkenne immer die Situation am Straßenrand, zum Beispiel den Bordstein, und stelle sich darauf ein. So werde der Zu- oder Ausstieg für Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte oder Familien mit Kinderwagen grundsätzlich barrierefrei.
„Wir müssen keine Haltestellen bauen, sondern könnten jederzeit überall eine einrichten“, erklärt Neumaier. „Die Kabinen können bodeneben oder exakt auf Bordstein-Niveau abgesenkt werden.“
Warnfeld soll für Sicherheit der Fußgänger sorgen
Der City-Train könne theoretisch bis zu 25 Stundenkilometer schnell fahren. Man könne aber jedes andere Tempo, das darunter liegt, wählen, wie Neumaier erläutert. Für bestimmte Streckenabschnitte könne eine Maximalgeschwindigkeit festgelegt werden.

Das Fahrzeug verfüge außerdem über ein Warnfeld: Wenn sich zum Beispiel ein Mensch nähere, der die Straße überquere, reduziere der City-Train seine Geschwindigkeit sanft und stufenlos – falls notwendig bis zum Stillstand. „Erst wenn die Person sich wieder außerhalb des Warnfeldes befindet, beschleunigt der Zug wieder und führt seine Fahrt mit der für die Strecke vorgesehene Höchstgeschwindigkeit fort“, sagt Neumaier.
Fahrerlos nur auf einer vordefinierten Strecke
Der Geschäftsführer des Bolu-Train-Herstellers weist darauf hin, dass es weltweite Regulierungen für automatisiertes Fahren gebe. Dabei seien fünf Stufen definiert. „Wir bauen eine Maschine der Stufe 4“, so Neumaier. Das bedeute, der Bolu-Train fahre vollautomatisiert. Er könne sich auf der speziell definierten Strecke in Bodman ohne Fahrer bewegen, aber nicht in anderen Orten oder auf anderen Routen eingesetzt werden.
Zur Transportkapazität rechnete Matthias Weckbach vor Kurzem im Gemeinderat vor: Der Bus könnte bei drei Wagen mit 36 Plätzen 144 Personen pro Stunde transportieren. Die Fahrtroute mit vier Haltestellen vom Kapellen-Parkplatz durch den Ort und wieder zurück dauere 15 Minuten. Bei Direktfahrten mit zwei Haltestellen sei es möglich, 288 Personen pro Stunde zu befördern.
Wie der Zeitplan in diesem Jahr aussieht
Momentan läuft in der Firma die Produktion von Einzelteilen für zwei Kabinen, die im Juni zusammengefügt werden sollen. Eine davon ist für Testzwecke für eine zerstörerische Festigkeitsprüfung gedacht – also um zu prüfen, was sie aushält. In der anderen Kabine würden Einbauten simuliert und geprüft. „Sobald alle Tests durch sind, werden die Kabinen für Bodman sowie andere Gemeinden produziert.“
Neumaier erklärt, dass ein Zug mit drei Kabinen eine Produktionszeit von rund vier Monaten habe. Ungefähr im Januar oder Februar 2023 könnten die Bus-Kabinen final zusammengebaut werden.
Probephase soll im März 2023 beginnen
Im März 2023 soll der Bolu-Train nach Bodman gebracht werden, um dort zunächst mehrere Monate mit einem Assistenzfahrer unterwegs zu sein. „Wir müssen beweisen, dass der Fahrer nicht nötig ist und nicht eingreifen muss“, erklärt Neumaier zu dieser Probephase. „Der Assistenzfahrer überwacht und greift nur im Notfall ein.“ Der Tüv und das Regierungspräsidium würden das fahrerlose Fahren erst dann genehmigen, wenn dies bewiesen sei.

Im laufenden Betrieb werde der Bolu-Train nach Dienstschluss selbstständig in seine Garage zurückfahren, um sich an den Strom anzuschließen. Die Gemeinde plant diese Garage auf dem Kapellen-Parkplatz an der Kaiserpfalzstraße in Bodman, wo auch an der Garage gleichzeitig der Bahnhof ist und der Rundkurs beginnt.
Die Garage hätte Platz für zwei Fahrzeuge
Vorerst soll es einen Bolu-Train geben, aber die Garage wird Platz für zwei bieten. „Die Garage wird gleich für zwei Züge gebaut, da ein späteres Nachrüsten deutlich höhere Kosten verursacht“, erklärt Bürgermeister Matthias Weckbach.
Die Breite des Gebäudes biete den nötigen Arbeitsraum, wenn die Züge gesäubert werden müssten. „In diesem Fall würde ein Zug, so wir denn irgendwann zwei hätten, außen geparkt werden und einer mittig in die Garage einfahren“, erläutert er. „Er kann so ausgesaugt, aufgewischt oder mit dem Dampfstrahler gereinigt werden. Oder es könnten im Trockenen auch Servicearbeiten durchgeführt werden.“ Trotzdem betont Weckbach: „Grundsätzlich ist es so, dass nur mit einem Zug geplant wird.“