Wer heute durch die Seestraße in Bodman läuft oder fährt, sieht ein Gebäude mit großen Torbogen-Fenstern, das fast bis zur Straße ragt. Die Straße verläuft daneben – aber das war nicht immer so. Tatsächlich führte sie einmal mitten durch diese Torbögen. Dementsprechend heißt das Gebäude Torhaus und erfüllte Jahrhunderte lang eine wichtige Funktion. Damals, in Zeiten, als Bodman noch viel kleiner war. Damals, als es noch keinen Uferpark gab und sich der See direkt neben dem Torhaus befand.

Mitarbeiter Henry Rzewiczok (links) und Chef Thomas Krämer stehen im September vor dem Torhaus. Im ehemaligen Torbogen ist das ...
Mitarbeiter Henry Rzewiczok (links) und Chef Thomas Krämer stehen im September vor dem Torhaus. Im ehemaligen Torbogen ist das Besprechungszimmer des Architekturbüros untergebracht. | Bild: Löffler, Ramona

Vor 25 Jahren wurden die offenen Bögen zu einem Raum mit großen Fensterfronten. Architekt Thomas Krämer bewarb sich damals um das Torhaus, das der Gemeinde gehörte. Er erhielt den Zuschlag und sanierte es aufwendig. Mit ausschlaggebend sei die bereits vorhandene umfangreiche Erfahrung bei der Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden gewesen. Zudem sei mit der Nutzung als Architekturbüro gewährleistet gewesen, dass an dieser prominenten Stelle kein Zweitwohnsitz entstand und das Torhaus täglich „mit Leben erfüllt“ sei, erzählt Krämer.

Der Tisch und Thomas Krämer stehen dort, wo früher einmal Fahrzeuge durch das Torhaus gefahren sind.
Der Tisch und Thomas Krämer stehen dort, wo früher einmal Fahrzeuge durch das Torhaus gefahren sind. | Bild: Löffler, Ramona

Geschichte und Moderne in Kombination

Die Geschichte blieb dabei deutlich sichtbar. Das sieht man nicht nur von außen, sondern auch von innen. Holz und Stein verbinden sich dort, eine Metallwendeltreppe ist ebenfalls eingebunden. Im Obergeschoss befindet sich sogar eine Art Sichtfenster in der Decke – damit soll gezeigt werden, wie das Baumaterial aussieht.

Die Sanierung des Gebäudes, das eines der ältesten in Bodman ist, habe vom Frühjahr 1998 bis in den Juni 1999 gedauert, so Krämer. „Das Gebäude war in einem äußerst schlechten Zustand. Komplett durchfeuchtet, teils Pilzbefall, Fenster durchgefault. Als erste Maßnahme wurde das statische Gefüge ertüchtigt, da die beiden Torbögen auseinanderzudriften drohten.“

Ein Gemälde des Torhauses von Christian Mali aus dem Jahr 1880. Damals gab es den Uferpark noch lange nicht und die Seestraße führte ...
Ein Gemälde des Torhauses von Christian Mali aus dem Jahr 1880. Damals gab es den Uferpark noch lange nicht und die Seestraße führte durch das Tor. | Bild: Archiv Thomas Krämer

Früher gab es mal ein Plumpsklo

Die Sprossenfenster seien aufwendig nachgebaut worden. Die Verformungen des Gebäudes im Bereich des Fachwerkes und Dachstuhles seien beibehalten worden, um das Erscheinungsbild nach außen nicht zu verändern. Die statischen Maßnahmen durch Verstärkungen mit Stahlbauteilen seien den bestehenden Verformungen angepasst worden. Der Schopfanbau mit Zugangstreppe und das Plumpsklo an der Südseite seien durch einen schlichten, holzverkleideten Anbau ersetzt worden, in dem heute die Teeküche und die Toilette untergebracht seien.

Die Torbögen sind zu Fenstern geworden.
Die Torbögen sind zu Fenstern geworden. | Bild: Löffler, Ramona

Kurz nach der Fertigstellung sei das Jahrhunderthochwasser mit einem Pegel von 5,65 Meter am 24. Mai 1999 gekommen. „Der tiefer gelegene Teil im Tor wurde überflutet“, erzählt Krämer. Die gute Nachricht: Bereits im Jahr 1817 habe das Torhaus einem Pegel von 6,36 Meter standgehalten.

Ein besonderer Arbeitsort

„Die Atmosphäre in diesem historischen und geschichtsträchtigen Gebäude ist etwas ganz Besonderes“, sagt Krämer über die vergangenen 25 Jahre. „In einer solchen Umgebung und in dieser exponierten Lage zu arbeiten, ist sehr motivierend und geht gleichzeitig mit einer gewissen Demut und Respekt vor der Vergangenheit und der Geschichte des Dorfes einher.“

Der historische Torbau, der ursprünglich noch ohne den Fachwerkanbau war, stamme aus staufischer Zeit, also Mitte des 13. Jahrhunderts, schildert Krämer zur Historie. Das Tor sei bis Ende des 19. Jahrhunderts der Eingang zum östlich gelegenen alten Dorfkern gewesen. Ein Teil des Wehrganges sei im Inneren des Gebäudes noch heute erkennbar. „Ob der Turm ursprünglich höher war, wird zwar vermutet, einen tatsächlichen Nachweis darüber gibt es jedoch nicht“, so Krämer.

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Nicht alle Wände blieben erhalten

Im Erdgeschoss sei der Ursprungsbau mit seiner Tordurchfahrt und der Wehrmauer auf der West- und Südseite im Wesentlichen erhalten geblieben. Im Obergeschoss seien lediglich drei Umfassungswände des ehemaligen Turmes erhalten. Die Südwand und damit die vierte Wand des Turmes, die sich heute im Gebäudeinneren befinde, sei Ende des 18. Jahrhunderts abgebrochen worden.

So sah das Torhaus 1999 nach seiner Sanierung aus. Der Torbogen wurde zum geschlossenen Raum mit Rundfenstern. Das ist auch heute noch so.
So sah das Torhaus 1999 nach seiner Sanierung aus. Der Torbogen wurde zum geschlossenen Raum mit Rundfenstern. Das ist auch heute noch so. | Bild: Archiv Thomas Krämer

Ende des 18. Jahrhunderts habe das Torhaus durch den Fachwerkanbau, der im westlichen Bereich auf die einstige Wehrmauer aufgesetzt worden sei, sein heutiges Aussehen erhalten. Das Gebäude umfasse die Maße 15,60 Meter mal 5,60 Meter.

Über eine Wendetreppe geht es in den ersten Stock, der noch einen Höhenversatz hat.
Über eine Wendetreppe geht es in den ersten Stock, der noch einen Höhenversatz hat. | Bild: Löffler, Ramona

Mitte der 1920er-Jahre des vorherigen Jahrhunderts sei die Seestraße neu gebaut worden und das Torhaus habe dadurch seine ursprüngliche Funktion verloren. Bedingt durch die Aufschüttungen für die Uferanlagen nach Norden sei das Torhaus so immer weiter vom See abgerückt. Daher sei der in Zusammenhang mit der einstigen Funktion kaum nachvollziehbar, erklärt der Architekt. Vor der Sanierung sei das Torhaus ganz unterschiedlich genutzt worden – vom Wohnen bis zur Schmuckstube.