Zwei Gemeinden im Landkreis Konstanz haben gar keinen Hausarzt mehr, die medizinische Versorgung wird ein zunehmend schwieriges Thema. Eigeltingen hat Mediziner vor Ort, einer davon ist Jürgen Kaufmann. Vielen Einwohnern war er bereits von seiner Praxis in Liptingen bekannt, welche der Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie 2014 übernahm. Seit April 2020 praktiziert er auch in Eigeltingen. Nun wird aus der Arztpraxis Jürgen Kaufmann die Gemeinschaftspraxis Hegau-Alb. Das habe mehrere Gründe und Vorteile, habe aber auch einige Anstrengungen mit sich gebracht.
Schon 2020 erklärte Kaufmann: „Bei zwei Praxen können sich die Teams gegenseitig unterstützen. Es ist keine Vergrößerung, sondern vielmehr ein Backup für mich.“ Eine Unterstützung ist ihm nicht nur das jeweilige Praxisteam, welches viele Aufgaben auch ohne ihn erledigen könne. Eine weitere Unterstützung ist Emanuel Pudimat: Im Juni verkündete Kaufmann, dass Pudimat die Prüfung zum Facharzt für Allgemeinmedizin erfolgreich bestanden hat. Nun ist er auch niedergelassener Arzt und führt die Hausarztpraxen in Liptingen und Eigeltingen gemeinsam mit Jürgen Kaufmann.
Hausarzt-Dasein hat einige Vorteile
Emanuel Pudimat hat sich seine Entscheidung, Hausarzt zu werden, nicht einfach gemacht. Als Hausarzt und Facharzt für Allgemeinmedizin müsse man viel im Blick haben. Bei einem Fehler am Anfang könne die Diagnose und Behandlung in eine falsche Richtung gehen. Das Damoklesschwert eines Regressverfahrens schwebe immer über einem Arzt, fügt Jürgen Kaufmann noch an. Patienten könnten ihren Arzt auf Schadenersatz verklagen.
Doch seien Arbeitszeiten besser planbar und es gebe keine Nachtschicht, nennt Pudimat zwei Vorteile. „Außerdem kennt man die Patienten und begleitet sie durchs Leben. Es ist nicht so anonym. Auf dem Land ist es schöner, die Nähe zum Patienten eine andere.“
18 Anträge für Doppelpraxis
Jürgen Kaufmann fügt an: „Wir können in unseren Praxen ineffiziente Strukturen abschaffen, die andernorts herrschen.“ Doch ganz entkommen auch sie der Bürokratie nicht. „Ich musste 18 Anträge an verschiedenen Stellen wie Hausärzteverband, Ärztekammer, Krankenkassen und an viele weitere stellen, um die Niederlassung zu bekommen. In der Zeit konnte ich nicht als Arzt tätig sein“, bedauert Emanuel Pudimat. Die Digitalisierung mache das Ganze nicht einfacher.
Zwei Praxen zu haben, habe auch nicht nur Vorteile, erklärt Emanuel Pudimat. Die Technik und Elektronische Datenverarbeitung (EDV) seien deutlich aufwendiger und man habe auch mehr Fahrtzeiten.
Patienten kommen aus dem Hegau und von der Alb
Dann gab es noch ganz praktische Dinge zu entscheiden. Ein Doppelname kam für sie nicht in Frage, sodass sie sich für den Namen Hegau-Alb entschieden. Denn die Patienten kommen sowohl aus dem Hegau als auch aus dem Tuttlinger Raum, also von der Alb.
Bürgermeister Alois Fritschi dankte den beiden Medizinern: „Es braucht Mut in der heutigen Zeit, Hausarzt zu sein. Ich freue mich, euch beide zu haben, und hoffe, dass ihr noch viele Jahre bleibt.“ Ebenso freue er sich, dass einige Menschen in Eigeltingen für die Gesundheit der Menschen sorgen würden: die zweite Hausarztpraxis von Jürgen Freibauer, die Mauritius Apotheke, eine Zahnarztpraxis, Hebammen, der Pflegedienst Hegau-Ost, die Seniorenwohngemeinschaft Seesofa, Physiotherapeuten, die Helfer vor Ort sowie neu die Kooperation mit dem Sozialen Netzwerk Aach.
Während Emanuel Pudimat promovierter Facharzt für Allgemeinmedizin ist und den Bachelor of Science der Sportwissenschaften im Bereich Gesundheits- und Leistungssport hat, ist Jürgen Kaufmann promovierter Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie. Er ist auch gerne Notarzt, diese zusätzliche Aufgabe hat er von Peter Mayr übernommen. Doch die Zeiten der Doppelbelastung, wo er während der Praxiszeiten schnell verschwand, sind vorbei. Notarzt sei er nun nur noch außerhalb der Praxiszeiten.
Die beiden Ärzte lernten sich beim Gläserspülen kennen
Kennengelernt haben sich die beiden Ärzte schon früh – beim Gläserspülen im Labor. Denn Jürgen Kaufmann machte einst ein Praktikum bei der Mutter von Emanuel Pudimat, die im Labor eines Krankenhauses arbeitete. Und die befand, Gläser spülen ginge zu zweit einfacher. Es entstand eine Freundschaft zwischen den Familien und Kaufmann habe Pudimat immer im Blick behalten. So machte dieser wiederum bei ihm ein Praktikum. Auch die 18 Monate Weiterbildung absolvierte Pudimat bei Kaufmann.
Emanuel Pudimat hat sich gut überlegt, welchen beruflichen Weg er einschlagen will und wo er praktizieren möchte. Die Wahl des 39-Jährigen fiel bewusst auf eine Niederlassung als Hausarzt auf dem Land. Ein weiterer Vorteil sei: „Sport und Familie lassen sich mit dem Beruf Hausarzt gut vereinen.“ Die Wahl fiel aber auch bewusst auf eine Gemeinschaftspraxis, denn gemeinsam stemme man den Berg besser.