Boris Becker, Angelique Kerber, Steffi Graf – sie sind Größen des deutschen Tennis, die den Sport geprägt und damit Berühmtheit erlangt haben. Sie sind deutschlandweit bekannt, obwohl die meisten Menschen sie nur aus dem Fernsehen kennen. Anders sieht das beim Tennisclub Radolfzell aus. Der Club, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, hat mitunter engen Kontakt zu den drei berühmten Sportlern. Eine davon spielte sogar schon für den Verein.
Vier Radolfzeller haben die Promis Becker, Graf und Kerber selbst erlebt: Peter Baur, Susann Göhler-Krekosch, Holger Richartz und Rolf Biller. Sie erinnern sich an wegweisende Begegnungen, spontane Hilfe und großen Ehrgeiz.

Becker kam als Zehnjähriger – und fiel vom Baum
Der erste der drei Sportgrößen, mit denen der TC Radolfzell in Kontakt kam, war Boris Becker, der damals jedoch noch weit von einer Profisportler-Karriere entfernt war. 1977 sei er als Zehnjähriger im Rahmen der Badischen Jugendmeisterschaften das erste Mal in die Stadt gekommen, erzählt Peter Baur. Damals sei er auf dem Gelände des TC ins Finale gekommen und habe gegen den Radolfzeller Ekkehard Knobelspies gewonnen.
Und das, obwohl er sich kurz zuvor eine Verletzung zugezogen habe: In der zehnminütige Pause des Finales sei Becker auf einen Baum geklettert und diesen heruntergerutscht, wobei er sich den Schlagarm aufgerissen habe.

1981 sei Boris Becker, wieder im Rahmen der Badischen Jugendmeisterschaften, nach Radolfzell zurückgekehrt. „Er spielte als 14-Jähriger bei den 16-Jährigen und hat trotzdem gewonnen“, erinnert sich Peter Baur. Danach habe Becker zum Erwachsenentennis gewechselt und noch zweimal beim Reichle-Cup, einem Doppelturnier, auf den Plätzen des TC gespielt.
Einer seiner Gegner war Holger Richartz, der gegen Becker und seinen Partner Udo Riglewski – ebenfalls später Profi-Tennisspieler – antrat. „Das war sensationell, gegen solche Leute zu spielen“, sagt Richartz – auch, wenn Becker und Riglewski deutlich gewonnen hätten.

Pannenhilfe vom Tennisprofi
Auch nach Beckers Durchbruch brach der Kontakt nicht ab. Als Boris Becker 1985 als 17-Jähriger und erster Deutscher das Wimbledon-Finale gewann, meldete sich der TC per Post: Man habe Beckers Mutter Elvira einen Brief geschrieben und Fotos von Becker in Radolfzell mitgeschickt. Nach einem Monat seien die Fotos mit Autogrammen und einem Stapel Autogrammkarten zurückgekommen, schildert Peter Baur. „Die haben wir hier bei Jugendturnieren als Hauptpreis verteilt.“
Einmal habe er während der US Open zufällig im gleichen Hotel wie Boris Becker gewohnt, erinnert sich Baur. „Ich war sogar im Aufzug mit ihm zusammen.“ Dort habe der berühmte Tennisspieler ihn erkannt und mit Namen gegrüßt. 1985 half Boris Becker dann Peter Baur sogar aus der Patsche. Während eines Tennisturniers in Monte Carlo sei Baur vor einem Hotel das Benzin im Auto ausgegangen. Zufälligerweise seien Boris Becker und sein damaliger Trainer Günther Bosch entgegengekommen. „Und die zwei haben mir geholfen, das Auto auf die Seite zu schieben.“
Steffi Graf war „wahnsinnig ehrgeizig“
Weniger Kontakt hatte der TC Radolfzell mit Steffi Graf, die auch im Rahmen der badischen Jugendmeisterschaften nach Radolfzell gekommen sei. Darüber hinaus habe sie 1985 mit dem deutschen Mannschaftsmeister der Damen, dem Heidelberger TC, in der damals höchsten Spielklasse der ersten Regionalliga gegen den TC Radolfzell gespielt.
Peter Baur erinnert sich an eine äußerst ehrgeizige Sportlerin: Während alle anderen sich von ihren Spielen erholt hätten, habe Steffi Graf noch eine halbe Stunde lang intensiv auf dem Platz trainiert. „Sie war immer wahnsinnig ehrgeizig“, bestätigt Susann Göhler-Krekosch. Auch Graf habe der TC um Autogramme gebeten, allerdings habe man damals direkt Geld für das Rückporto beigelegt – anders als bei den Beckers. „Da ist der Kontakt nicht ganz so eng gewesen“, erklärt Peter Baur.
Wie kam Angelique Kerber nach Radolfzell?
Den wohl engste Kontakt verbindet den TC Radolfzell ohnehin mit Angelique Kerber. Sie war in Radolfzell nicht nur zu Gast, sondern spielte selbst 2009 bis 2011 für den Club. 2010 und 2011 wurden die Damen des TC Radolfzell mit ihr zusammen Deutscher Meister. Dass es dazu überhaupt kam, ist laut Peter Baur auch TC-Sportwart Norman Bingeser zu verdanken. Er habe damals mit Miroslava Vavrinec, Ehefrau von Tennisstar Roger Federer, trainiert und so „Kontakt bekommen in die höchste Ebene beim Tennis“. Dadurch sei auch der Kontakt zu Kerber entstanden.

Doch die in Kiel aufgewachsene Kerber wollte nicht an den Bodensee ziehen und sei für die Spiele mit dem Flugzeug angereist. In Zürich habe man sie dann abgeholt – und auch wieder zurückgefahren. Weil sich einmal ein Spiel verzögert habe und Angelique Kerber direkt danach einen Flug erreichen musste, sei er mit ihr sogar über die Schweizer Autobahn gerast, um noch rechtzeitig am Flughafen anzukommen.
„Wendepunkt“ in Radolfzell
Zudem habe sich in Radolfzell ein für Angelique Kerber entscheidender Moment ereignet: 2011 habe sie in Wimbledon in der ersten Runde verloren und sei am Boden zerstört nach Radolfzell zu einer Bundesligabegegnung gereist. Dabei sei sie so frustriert gewesen, dass sie sogar über ein Karriereende nachgedacht habe.
Im Clubheim des TC habe man damals gemeinsam zu Abend gegessen. Dabei sei Kerber mit Rainer Schüttler, ehemalige Nummer fünf auf der Weltrangliste und damals mit den Radolfzeller Herren in der zweiten Bundesliga, ins Gespräch gekommen, erzählt Peter Baur. Er habe ihr angeboten, in seiner Tennisakademie in Offenbach insbesondere an ihrer Fitness zu arbeiten – und das habe sie getan.
„Das war eigentlich der Wendepunkt“, sagt Baur, denn der Erfolg habe sich schnell eingestellt: Nur wenige Monate später sei sie bei den US Open bis ins Halbfinale gekommen. Der TC Radolfzell habe also in gewisser Weise einen „maßgeblichen Beitrag“ für Kerbers Karriere geleistet. „Da können wir schon ein bisschen stolz sein“, so Baur.
Insgesamt hat Angelique Kerber beim TC Radolfzell einen sehr guten Eindruck hinterlassen. „Sie war total nett“, sagt Susann-Göhler Krekosch. Sie sei nie abgehoben gewesen, sondern bodenständig und „eine ganz ruhige Person“, so Peter Baur. „Sie stand sogar hier hinter der Theke und hat da mitgeholfen“, erinnert sich Göhler-Krekosch. Und als Kerber 2018 in Wimbledon gewonnen habe, habe ihr ehemaliger Radolfzeller Trainer ihr in einer Nachricht gratuliert. „Und sie hat reagiert“, so Baur.