Es gibt Rituale, die für ganz besondere Momente reserviert sind. Eines davon ist der Eintrag in das Goldene Buch einer Stadt. Im Normalfall wird diese Ehre nur ganz wenigen Menschen zuteil. Entweder es sind Bürger, die etwas Besonderes geleistet haben, oder es ist ein berühmter Besucher, der zu Gast in der Stadt ist.
In Radolfzell wird diese Tradition seit dem 8. Juli 1967 gepflegt. Damals bekam die Stadt ihr Goldenes Buch von den Höri-Gemeinden geschenkt, und zwar anlässlich des 700-jährigen Stadtjubiläums, wie die Widmung im Buch verrät. Als erste haben sich deshalb auch die elf Höri-Bürgermeister mit ihren Unterschriften verewigt. Und ja, es sind tatsächlich elf gewesen, denn damals hatten alle Teilorte auf der Höri noch einen eigenen Bürgermeister.
Feste Regeln gibt es nicht
„Feste Regeln, wer sich wann in das Goldene Buch eintragen darf, gibt es eigentlich nicht. Das liegt im Ermessen des Oberbürgermeisters“, erklärte Petra Kastler, die zusammen mit Nina Herzog nicht nur über das Vorzimmer des Rathauschefs wacht, sondern auch über das Goldene Buch der Stadt.
Die erste Überraschung hielt das Buch bereit, als Petra Kastler den schwarzen Karton mit dem großen goldenen Wappen der Stadt öffnete. Es ist nämlich keineswegs golden. Lediglich zwei umlaufende Zierstreifen und das Stadtwappen unten rechts setzen sich in Gold vom roten Ledereinband ab.
Wer das Buch aufschlägt, findet viele klingende Namen aus Politik und Gesellschaft: Bundeskanzler, Bischöfe, Staatssekretäre. Mitunter stehen darin auch Namen, die erst auf den zweiten Blick eine interessante Geschichte erzählen.
Zwei Promis kommen aus luftigen Höhen
So findet sich direkt hinter dem Eintrag von Ministerpräsident Hans Filbinger im Jahr 1969 der Name Rusty Schweickart. Während Filbinger aus Stuttgart nach Radolfzell reiste, kam Schweickart quasi direkt aus dem Weltraum. Denn nur drei Monate vor seinem Besuch in Radolfzell war der US-Amerikaner Teil der Apollo-9 Mission, welche die Landefähre für die spätere Mondlandung in der Erdumlaufbahn testen sollte.
Luftige Höhen war auch Jürgen Vietor gewohnt. Er war der Copilot der Lufthansa-Maschine ‚Landshut‘ und wurde am 23. Februar 1978, kurz nach der aufsehenerregenden Entführung dieses Flugzeugs, im Radolfzeller Rathaus empfangen.
Die Einträge beginnen immer mit einem Einleitungstext, der den Anlass des Eintrags erklärt. Diese Texte sind eine Kunst für sich, allesamt von Hand kalligraphiert. Doch manchmal sind auch die Unterschriften derer, die sich eintragen, kleine Kunstwerke, so etwa beim Empfang der ersten Damenmannschaft des Tennisclubs Radolfzell aus Anlass des Aufstiegs in die Bundesliga am 17. Juli 1984. Die 13 Namen sind in einem selbst gezeichneten Tennisschläger verewigt.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war schon da
Zu den Berühmtheiten aus der Politik, die sich zuletzt im Goldenen Buch der Stadt verewigen durften, zählt neben dem ehemaligen, inzwischen verstorbenen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der seinen Namen sogar schon zweimal unter einen Eintrag setze. Einmal zur Eröffnung der Naturschutztage und ein weiteres Mal beim Festakt zum 750-jährigen Stadtjubiläum.
Auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, war schon mal in Radolfzell. Sie besuchte die Stadt am 15. Februar 2016 auf Einladung des CDU-Stadtverbandes. Nur zwei Tage nach ihr war der spätere SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gast.

Bei seinem Besuch im Radolfzeller Rathaus am 17. Februar 2016 war Scholz allerdings noch Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, wie der kalligraphierte Eintrag verrät. Unter Scholz stehen die Namen Peter Friedrich, damals Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten in Baden-Württemberg, und der damalige Oberbürgermeister Martin Staab.

Vier Einträge für die Ausnahme-Sportlerin
Mit gleich vier Einträgen konnte die mehrfache Olympiasiegerin Anna-Lena Forster bereits im Oktober 2022 glänzen. Bei ihren Empfängen durften sich immer gleich alle Anwesenden mit Unterschrift im Goldenen Buch verewigen. Ebenso beim Festakt und Finale des 750-jährigen Stadtjubiläums am 2. Oktober 2017.

Den Rekord für die meisten Einträge in das Buch hält übrigens eine andere Radolfzellerin: Irene Wiest erstellt seit 1986 die Kalligraphien für die Seiten des Buchs. Über 90 Einträge stammen mittlerweile von ihr. Einige dürften noch dazu kommen, denn es gibt noch viele freie Seiten.
Dieser Artikel erschien erstmals im Oktober 2022.