Die traurige Nachricht aus Norderney traf Familie, Freunde und Kollegen wie ein Schock: Im Alter von nur 65 Jahren ist der engagierte Naturschützer und BUND-Mann Thomas Giesinger Anfang September während seines Urlaubs mit Ehefrau Beate völlig überraschend an plötzlichem Herzversagen gestorben. „Er ging aus dem Haus, zum Fischen und Baden mit einem Freund, und kam nicht mehr zurück“, schildert Beate Giesinger den unfassbaren Moment des Verlustes. Sie musste die Heimreise allein antreten, ohne ihren Mann, mit dem sie zuletzt in den Dünen Pläne schmiedete. In wenigen Wochen wäre er in den Ruhestand gegangen.

Mit ihr trauern die beiden Kinder, Giesingers Mutter und sein Bruder, die Kollegen der BUND-Hauptgeschäftsstelle des Landesverbandes in Möggingen, landesweit Weggefährten im Umwelt- und Naturschutz, viele Böhringer Mitbürger und die Böhringer Narrenwelt.

Verlust eines „wunderbaren Kollegen“

Vor allem als eine Seele von Mensch und guter, immer hilfsbereiter Freund hinterlässt Thomas Giesinger eine große Lücke. All jenen, die ihn kannten, hat er zugehört und ihnen das Wertvollste seines zu kurzen Lebens geschenkt: Zeit. „Mit Thomas verlieren wir einen wunderbaren Kollegen und Mitarbeiter, der stets seine Interessen hintenangestellt und sich um andere Menschen gekümmert hat. Seine Verdienste für den Natur- und Umweltschutz und den BUND kann man gar nicht alle aufzählen. Wir sind sehr betroffen und trauern mit den Angehörigen“, sagt BUND-Hauptgeschäftsführer Ralf Stolz.

Thomas Giesinger wurde am 26. September 1959 in Karlsruhe geboren, studierte Psychologie in Heidelberg und hat sich schon früh für die Natur und insbesondere die Vogelwelt interessiert. Seine Karriere beim BUND begann 1987 als Regionalgeschäftsführer in seiner Heimatregion. 1990 wechselte er an die heutige BUND-Hauptgeschäftsstelle in Möggingen.

Er war dort zunächst persönlicher Referent von Professor Gerhard Thielcke in dessen damaligen Funktion als Vorsitzender des BUND Baden-Württemberg und der Deutschen Umwelthilfe. Seit 2006 fungierte Thomas Giesinger als Ehrenamtskoordinator des BUND Baden-Württemberg. In unzähligen Beratungsgesprächen hat er den BUND-Gruppen im Land Unterstützung gewährt, ob bei Aktivengewinnung, Mittelbeschaffung, formalen oder auch fachlichen Fragen.

Das könnte Sie auch interessieren

„Seine oft auf intensiver wissenschaftlicher Recherche fundierte Sachkenntnis, sein Herzblut und sein Einfühlungsvermögen führten dazu, dass er bei einer großen Zahl von Menschen im ganzen Land und auch darüber hinaus bekannt und beliebt war, wobei ihm auch seine Kenntnisse als Psychologe sehr zugute kamen. Er hinterlässt in vielen Bereichen Lücken, die kaum zu füllen sind. Tragisch ist, dass sein erfülltes Leben ein Vierteljahr vor dem Eintritt in die Rente endete und ihm ein Ruhestand ohne Terminstress verwehrt blieb“, so Ralf Stolz.

Er engagierte sich gegen Flächenfraß

Lange Jahre war Thomas Giesinger einer der zentralen Organisatoren der Naturschutztage am Bodensee und betreute die landesweite BUND-Arbeitsgruppe Umweltbildung. In dieser Funktion organisierte er mehrere Umweltbildungstage. Er ist Autor zahlreicher Handreichungen zu den verschiedensten Themen der Ehrenamtsförderung, verfasste Texte für das BUND-Magazin und Rundbriefe an die BUND-Aktiven, außerdem verantwortete er über lange Jahre den Jahresbericht des Landesverbands.

Das könnte Sie auch interessieren

Thomas Giesinger war ein Mensch, der sich durch und durch für den Natur- und Umweltschutz eingesetzt hat. Bei ornithologischen Führungen konnte er Menschen für Vögel und die Natur insgesamt begeistern, er hielt viele Vorträge und verfasste auch außerhalb des BUND Texte und Artikel, auch für den SÜDKURIER.

Landesweit, regional und in Radolfzell setzte er sich gegen den Flächenverbrauch, für den Erhalt von Streuobstwiesen, die Ausweisung von Naturschutzgebieten, den öffentlichen Nahverkehr, eine nachhaltige Energiepolitik und viele andere Themen ein. Den BUND Baden-Württemberg vertrat er im Präsidium der in Radolfzell ansässigen Bodensee-Stiftung.

Ehrenamtlicher Einsatz in und für Radolfzell

Gemeinsam mit der BUND-Jugend leitete er alljährlich Seminare für die Freiwilligen und Praktikanten des BUND im ganzen Land. Ungezählte junge Menschen hat er beraten, ob bei Problemen im Praktikum, der Berufswahl oder anderen Themen. Zeitlebens war es ihm wichtig, dass die gute Zusammenarbeit mit der Gerhard-Thielcke-Realschule in Radolfzell mit Leben gefüllt blieb.

Ehrenamtlich war Thomas Giesinger ebenfalls stark engagiert. Der Radolfzeller BUND-Ortsverband lag seit 2011 mit zunehmender Intensität in seinen Händen, neben den landesweiten Themen widmete er sich hier auch den Fragen des Tourismus, war im Kontakt mit Stadtverwaltung und Gemeinderat, zudem war er für die Pressearbeit zuständig. Bis kurz vor seinem Tod hat Thomas Giesinger am Radolfzeller Bürgerprojekt Storchenpfad Böhringen gearbeitet. Sein Ziel war, durch den Pfad das Verständnis für das Verhalten, den Lebensraum und die Bedeutung der Störche im Ökosystem zu fördern.

Geduldig, freundliche, hartnäckig

„Mit Thomas hat die Natur einen wichtigen Kämpfer und Streiter verloren“, schreiben Daniel Reinke, Ingrid Kandler und Beate Nash vom Ortsverband. „Bewundernswert war seine Geduld, Freundlichkeit, Hartnäckigkeit und nicht zuletzt seine Sachkenntnis.“ Bei Themen, die ihm wichtig waren, habe er sehr deutlich werden können.

Das könnte Sie auch interessieren

Eines der wichtigsten Umweltthemen für ihn war der Flächenfraß, heißt es weiter mit Bezug auf ein Zitat von ihm: „Wir brauchen Flächen zum Schutz der Arten und des Klimas, und für eine umweltfreundliche Landwirtschaft. Dennoch verzeichnen wir in Baden-Württemberg derzeit einen Flächenfraß in einem Maß, als hätten wir ein zweites Land im Kofferraum.“

Großer Verlust auch für die Narrenwelt

Auch die Böhringer Narren sind bestürzt. „Wir verlieren einen feinen, unglaublich herzlichen Menschen, der allen nur Gutes wollte. Sein Tod ist für uns ein großer Verlust“, sagt Elferrätin Alessa Mengele. Erst 2007 war Thomas Giesinger in den Verein eingetreten und wirkte gleich beim Narrenspiegel mit. Ab 2012 engagierte er sich mit Leidenschaft im Elferrat und 2016/17 trug er als Krisenmanager maßgeblich dazu bei, dass die Zunft sich wieder besser entwickelte.

Erst Anfang des Jahres wurde Thomas Giesinger von Schatzmeister Nico Winter (links) aus dem Elferrat der Bengelschießer-Zunft verabschiedet.
Erst Anfang des Jahres wurde Thomas Giesinger von Schatzmeister Nico Winter (links) aus dem Elferrat der Bengelschießer-Zunft verabschiedet. | Bild: Marina Kupferschmid

Seine Handschrift trug nicht nur das Konzept des Närrischen Abends als Ersatz für den Narrenspiegel, der mangels Akteure lange nicht mehr zustande kam, sondern auch das besondere Vorstandsmodell, das den schwer zu besetzenden Präsidentenposten durch ein Leitungsteam ersetzte. Allen unvergesslich bleiben seine Mitglieder-Ehrungen in der Corona-Zeit, für die er sich im Elferratshäs aufs Fahrrad schwang und von Haustür zu Haustür die Jubilare besuchte.

Die Beerdigung findet im engsten Kreis der Familie statt. Im Pfarrsaal St. Nikolaus in Böhringen wird am Montag, 22. September, um 16 Uhr eine Abschiedsfeier ausgerichtet.