Wo können geflüchtete Menschen untergebracht werden? Diese Frage brennt den Kommunalverwaltungen ständig unter den Nägeln. Bei Unterbelegung drohen den Gemeinden Strafgebühren. Der Engener Hauptamtsleiter Jochen Hock macht vor dem Gemeinderat deutlich, dass die Stadt dringend weitere Unterbringungsmöglichkeiten schaffen und dafür jetzt in die Planung einsteigen muss. Auch wenn die Arbeiten auf dem Kroneareal für neue Anschlussunterbringungen gerade erst begonnen haben.
„Anselfingen reicht langfristig nicht aus. Unterm Strich brauchen wir weitere Plätze in den nächsten Jahren“, macht Hauptamtsleiter Hock deutlich. Aktuell gebe es in Engen theoretisch 432 Plätze zur Unterbringung von geflüchteten Menschen. Im Juli hätte die Stadt aber bereits 453 Personen unterbringen sollen. Aktuell, so Hock, habe Engen eine Unterbelegung von 60 Personen. „Wenn die alte Stadthalle ausläuft, fehlen uns 90 Plätze“, so Hock weiter.

Bisher sei das Soll, also die Zahl an aufzunehmenden Menschen, in jedem Quartal weiter gestiegen. „Und wir wussten nicht, wie wir hinterherkommen sollen“, schildert Hock die Situation im ausgehenden Sommer. Deshalb habe man sich überlegt, wie man künftig besser planen könnte, um den Anforderungen nicht hinterher zu hinken.
Unterbringungsquote steigt jährlich kräftig an
Aus diesem Grund wurde ein Mittelwert der bisherigen Sollsteigerungen ermittelt. Da die Prognose unheimlich schwer ist, wie viele Menschen in den nächsten Monaten nach Engen kommen werden, soll dieser Wert eine Orientierung geben. Er geht im schlechtesten Fall von einer jährlichen Steigerung um rund 33 Prozent aus.
Ob die Anzahl der bisherigen Unterbringungsmöglichkeiten stabil bleibt, sei auch ungewiss, weiß Jochen Hock. Denn im nächsten Jahr laufen einige Mietverhältnisse aus, bei denen eine Fortführung noch ungewiss ist.
Engen kommt, wie andere Kommunen auch, nicht umhin weiteren Wohnraum für geflüchtete Menschen zu schaffen. „Wir müssen uns über kurz oder lang darüber verständigen, was wir 2023/2024 machen“, formuliert es der Hauptamtsleiter gegenüber dem Rat.

Einen möglichen Ansatzpunkt sieht Hock im Angebot der Stiftung „Hoffnungsträger“, die sich an die Stadtverwaltung gewendet hat. Die Stiftung mit Sitz in Leonberg baut so genannte Hoffnungshäuser. Das sind Wohnhäuser in modularer Bauart, die in sechs bis neun monatiger Bauzeit errichtet werden können. In Konstanz gibt es bereits sechs dieser integrativen Häuser in Petershausen und Wollmatingen, in denen Geflüchtete und Bürger miteinander wohnen.
Kann ein neues Konzept helfen?
Geplant ist, dass die Stiftung die nächste Gemeinderatssitzung am Dienstag, 24. Oktober, eingeladen werden soll, um ihr Konzept vorzustellen. Denkbar, so Jochen Hock, wäre hier ein genossenschaftliches Modell zur Finanzierung. Als mögliches Gelände für ein solches Haus käme aktuell nur der Kunstrasenplatz am Stadion in Frage, so Hock. Der soll nach dem Umzug des Hegauer FV nach Welschingen rückgebaut werden.

„Wenn wir keine Wohnräume haben, müssen wir in die kommunalen Hallen gehen“, so die klare Ansage von Bürgermeister Johannes Moser. „Die Stadt muss für Fehlbelegungen zahlen“, so Moser. 2019 sei die Stadt schon einmal zur Kasse gebeten worden, verdeutlicht der scheidende Bürgermeister zur Dringlichkeit in der Sache.
Aktuell seien vier Prozent der Bevölkerung im Landkreis Konstanz Geflüchtete, so Johannes Moser. Andere Landkreise würden teilweise weniger Menschen aufnehmen. Zuletzt hatte sich Moser in einer seiner letzten Handlungen als Vorsitzender des Kreisverbands des Städte- und Gemeindetags mit einem Brandbrief an die Bundespolitik gewendet. „Fast alle Gemeinden im Landkreis stehen mit dem Rücken an der Wand, weswegen wir die Situation nicht mehr weiter hinnehmen können. Die Kommunen im Landkreis brauchen eine dringende Entlastung bei der Pflicht zur Unterbringung von Migranten“, so Moser in seinem Brief.