Aufgeregte Erwartung und Wehmut erfüllen den Pausenraum der Backstube. Renate und Jürgen Waldschütz steht eine aufregende Zeit bevor, wie sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER schildern. Denn ab dem 16. März beginnt für die beiden die wohlverdiente Rente und nur ein paar Tage später wird ihr neues Eigenheim in Engen aufgebaut. Zeit, einen Blick auf die vergangenen Jahrzehnte zu richten und auf das, was kommen wird. Denn auch für Kunden gibt es einige Veränderungen.

Bald Geschichte: Die Engener Bäckerei Waldschütz wird von der Bäckerei Schneckenburger übernommen. Bäckermeister Jürgen Waldschütz geht ...
Bald Geschichte: Die Engener Bäckerei Waldschütz wird von der Bäckerei Schneckenburger übernommen. Bäckermeister Jürgen Waldschütz geht in den wohlverdienten Ruhestand. | Bild: Kerle, Helene

Jürgen Waldschütz erzählt gerne und er hat auch viel zu erzählen. Seit 1977 führt der Bäckermeister den Betrieb in Engen, in dem zuvor seine Eltern Brot und Brötchen backten. Renate und Jürgen Waldschütz blicken auf eine 80-jährige Bäckertradition in Engen zurück. Und die wäre, wie ursprünglich geplant, auch von der nächsten Generation fortgeführt worden. Hätte der Sohn des Bäckermeisters seine Berufung nicht in der Lebensmitteltechnologie gefunden.

Am 15. März zum letzten Mal in der Backstube

Grämen wollen sich die Eltern deshalb aber nicht. „Ich hätte eigentlich mal Tierarzt werden sollen“, sagt Jürgen Waldschütz zu dem Beruf, den seine Eltern ihm eigentlich zugedacht hatten. Ein Schmunzeln kann der 68-Jährige da nicht unterdrücken. Ihm und seiner Frau ist wichtig, dass die Kinder frei entscheiden und ihre eigenen Wege gehen. Für sie ist jetzt klar, dass sie am 15. März zum letzten Mal in ihrer Backstube in der Gerwigstraße am Ofen stehen werden.

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Und dann scheint die Wehmut mit einem Mal doch förmlich greifbar. „Realistisch wird‘s, wenn ich die Backstube ausräume“, ist sich Jürgen Waldschütz bewusst. Doch ebenso schnell ist er auch wieder da, der gewohnte Pragmatismus des Engener Bäckermeisters. Den setzt er seit Jahrzehnten nicht nur für seinen Betrieb ein, sondern auch für sein über 40-jähriges politisches Engagement als CDU-Stadtrat.

Aus Waldschütz wird Schneckenburger

So verwundert es auch nicht, als er erzählt, dass er sich schon bei einem Bäcker-Workshop vor sechs Jahren erstmals inhaltlich mit der Übergabe des Betriebs beschäftigt hat. Seine Bäckerei übergibt das Ehepaar wiederum auch in die Hände eines Familienbetriebs. Ab Mitte März sollen die charakteristisch orange-türkisfarbenen Schriftzüge der Bäckerei Waldschütz durch die der Tuttlinger Bäckerei Schneckenburger ersetzt werden.

So kennt man Jürgen Waldschütz: Im Kundengespräch in seiner Bäckerei.
So kennt man Jürgen Waldschütz: Im Kundengespräch in seiner Bäckerei. | Bild: Tesche, Sabine

Ladengeschäft in der Altstadt soll vermietet werden

Mit der Übergabe übernimmt die Firma Schneckenburger alle Rechte und Pflichten der Firma Waldschütz. Dazu zählen auch die 50 Mitarbeitenden. Von den sieben Filialen der Bäckerei Waldschütz wird Schneckenburger die Bäckereitheken im Edeka Holzky und der Netto-Filiale in Engen und Aach weiterführen. Das Ladengeschäft in der Altstadt wird ebenso geschlossen wie der Verkaufsbereich in der Backstube im Gewerbegebiet. Die Backstube wird zwar von der Firma Schneckenburger übernommen, allerdings wird sie künftig nur noch für den Vertrieb der Backwaren genutzt, erläutert Jürgen Waldschütz. Die Bäckerei Schneckenburger backt ihre Waren komplett am Standort Tuttlingen.

Für die Filialen in Volkertshausen und Watterdingen liefen derzeit Verhandlungen, so Waldschütz. Das Ladengeschäft in der Altstadt soll vermietet werden.

Jürgen und Renate Waldschütz freuen sich, dass sie ihren Bäckerbetrieb in die Hände eines Familienbetriebs übergeben können.
Jürgen und Renate Waldschütz freuen sich, dass sie ihren Bäckerbetrieb in die Hände eines Familienbetriebs übergeben können. | Bild: Kerle, Helene

Abgesehen von einer Übernahme durch den Sohn sei die Bäckerei Schneckenburger die zweitbeste Lösung gewesen, so Waldschütz. Und dann hat er wieder was zum Schmunzeln auf Lager: „Ich habe an Fasnacht 3500 Berliner gebacken. Bei Schneckenburger waren es 35.000 Berliner“, sagt er anerkennend über den Familien-Großbetrieb.

Früher kauften die Leute mehr beim Bäcker

Auf die Frage, was sich im Laufe seiner Berufsjahre im Bäckerhandwerk verändert hat, findet Waldschütz gleich mehrere Dinge. Heute verkauften Bäckereien rund 30 Prozent aller Backwaren und 70 Prozent würden durch den Lebensmitteleinzelhandel verkauft. „Früher war das genau andersrum“, erinnert sich der Bäcker. Damals habe es viele Einzelbäcker gegeben, mit den Jahren seien immer mehr Filialen dazugekommen. Auch er hat die Bäckerei gemeinsam mit seiner Frau Renate auf sieben Standorte ausgebaut.

Brot regionaler Handwerksbäcker bei einer Brotprüfung, bei der sich auch Jürgen Waldschütz beteiligt hat.
Brot regionaler Handwerksbäcker bei einer Brotprüfung, bei der sich auch Jürgen Waldschütz beteiligt hat. | Bild: Arndt, Isabelle

Stark verändert habe sich auch die Mitarbeiter-Situation. „Es ist einfach schwierig Fachpersonal zu bekommen“, so Waldschütz. Seine 50 Mitarbeitenden sind ihm wichtig, das wird deutlich. „Das wichtigste war, dass die Mitarbeiter übernommen werden“, schildert Waldschütz zur Suche nach einem Nachfolger und ist froh, dass das gelungen ist. „Es ist alles sehr familiär bei der Bäckerei Waldschütz“, beschreibt Renate Waldschütz. „Einer unserer Trümpfe war das Personal“, so Waldschütz stolz.

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Jetzt steht eine Reise nach Mexiko an

Bis auf das Hausbauprojekt und einen dreiwöchigen Urlaub in der Sonne Mexikos hat das Ehepaar Waldschütz bisher noch keine Pläne für die Rente. Aber nach dem Backen ist vor dem Backen: „Daheim wird wieder gebacken“, sind sich beide sicher. „Wir freuen uns auf den letzten Lebensabschnitt“, gibt Jürgen Waldschütz zu verstehen – und packt am Ende des Gesprächs eine Butterbrezel für den Nachhauseweg ein.