Jeder isst es vermutlich täglich und doch fehlt einigen Handwerkern die Wertschätzung für das, was sie zu nächtlicher Stunde produzieren: Brot. Während der Corona-Pandemie haben einige Menschen angefangen, selbst ihr täglich Brot zu backen – um es dann wieder aufzugeben, wie Brotprüfer Thomas Backenstos lachend erzählt. Denn so einfach sei das gar nicht. Besonders wer gutes Brot backen möchte, müsse einiges beachten. Dabei betonen die anwesenden Bäcker und Brotprüfer beim Pressetermin der diesjährigen Brotprüfung in Singens Bildungsakademie, was sie von der Industrie unterscheidet: Die Wege für Zutaten und den Verkauf sind kurz, die Zutatenlisten auch.
Und weil Handwerksbäcker ihren Broten deutlich mehr Zeit geben, seien diese auch besser verträglich. „Viele machen sich krank durch Backwaren, die nicht lang genug gereift sind“, sagt Brotsommelier Eric Stadelhofer aus Singen, der seit Jahren sein Brot prüfen lässt. Er sieht sich auch als Botschafter guten Brotes: „Brot ist allgemein unterbewertet. Es ist der Star und nicht nur der Träger für irgendeinen Belag.“
Sechs Kriterien machen ein Brot aus
Bei der Brotprüfung werden Brote und Brötchen in sechs Kategorien genau unter die Lupe genommen. Es geht um Aussehen, Kruste, Krume, Struktur, Geruch und nicht zuletzt um Geschmack. Bis zu 100 Punkte kann ein Testprodukt erreichen – und nach dreimaliger Bestnote eine goldene Auszeichnung. Die zugehörige Urkunde demonstriert Kunden in einem Bäckergeschäft, dass sie handwerklich gebackenes Brot kaufen. Ihm gehe es aber auch um die fachliche Rückmeldung vom Profi, erklärt Tobias Nestel von der gleichnamigen Bäckerei mit Backstube in Singen. „Vorrangig ist das ein Qualitätstest für mich als Unternehmer.“ Mit den Verbesserungsvorschlägen und Tipps des Prüfers könne er dann an einem Rezept feilen.
Bäcker setzen auf die wertvollen Tipps vom Profi
An den drei Prüfungstagen bis Donnerstag, 15. Juli, reichen neun Bäcker aus dem Bereich der Bäckerinnung Schwarzwald-Bodensee rund 120 Backwerke zur Prüfung ein. Normalerweise übernimmt Karl-Ernst Schmalz die Brotprüfung in Singen, in diesem Jahr wurde er von Thomas Backenstos vertreten. Der arbeitet für die Akademie des Bäckerhandwerks in Karlsruhe – und ist als Betriebsberater „unser Feuerwehrmann in der Krise“, wie Bäcker Andreas Auer erklärt. Ihn könne man immer um Rat fragen, wenn etwas einfach nicht gelingen will.
Backenstos erkennt auch regionale Unterschiede: „Je südlicher, desto heller.“ In Süddeutschland finde er seltener ein reines Roggenbrot als gen Norden.
Auch Bäcker hatten in den vergangenen Monaten zu kämpfen
Grundsätzlich erkennt der Profi besonders ein Problem im Handwerk: „Wir flüstern noch und müssen lauter werden.“ Damit meint er, dass vielen Verbraucher die Arbeit des Bäckerhandwerks noch nicht bewusst sei. Die Pandemie habe da einen positiven Effekt gehabt: „Das Thema Brot hat durch Corona einen anderen Stellenwert bekommen“, sagt Brotprüfer Thomas Backenstos. Bäcker hätten außerdem in weniger Sorten und mehr Qualität investiert.
„Man hatte auch viel Zeit, um sich Gedanken zu machen“, ergänzt Tobias Nestel. Denn auch wenn Bäcker als wichtige Versorger auch in Lockdown-Zeiten öffnen konnten, hätten sie deutliche Einbußen zu verzeichnen: „Die Leute sind im Homeoffice und brauchen kein Vesper“, sagt Andreas Auer. Die meisten Veranstaltungen fielen in den vergangenen Monaten aus, ob eine Firmenfeier mit Schnittchen oder eine Hochzeit mit Torte. Außerdem durften Kunden sich nicht mehr ins Café setzen, um ihr Stück Kuchen zu genießen.
Manche fangen erst 4.30 Uhr an zu backen. Erst?
Andere Herausforderungen sind grundlegender, beispielsweise wenn es um Arbeitszeiten geht. Manch ein Quereinsteiger würde neue Impulse bringen, beobachtet Backenstos. Da werde erst ab 4.30 Uhr gebacken – und nicht ab Mitternacht wie bei Tobias Nestel, der mit seinen Kollegen mehrere Filialen beliefert. Oder ab 1.30 Uhr wie bei Andreas Auer. Der ist sicher: „Die Produktionszeiten werden sich verschieben.“ Denn es sei immer schwerer, Nachwuchs für solche Arbeitsbedingungen zu begeistern.
An diesem Tag prüft Thomas Backenstos einige Brote, die mitten in der Nacht gebacken wurden. Dabei gibt es wertvolle Tipps, wie Jürgen Waldschütz aus Engen berichtet. Vor einigen Jahren sei bei einer Prüfung deutlich geworden, dass die Sauerteig-Menge in seinem Brot nicht optimal war. Er solle mal seinen Portionierer anschauen – und der gab tatsächlich nicht die richtige Menge ab. „Das war für mich eine riesen Erkenntnis, denn da hatte mir die Technik einen Streich gespielt“, so Waldschütz.
Dabei dürfe man eins nicht vergessen: Brot sei ein Naturprodukt, wie Brotprüfer Thomas Backenstos bestärkt. An regnerischen Tagen sei es zum Beispiel schwer, ein richtig knuspriges Laugenbrötchen aufzutischen.
Das ist Oberbürgermeister Bernd Häusler klar, nachdem er bei der Brotprüfung bereits seit Jahren den Stellenwert des Handwerks betont. Und noch eines habe er gelernt: Dass Brot am zweiten Tag am besten schmeckt. Dann lässt es sich nicht nur besser schneiden, sondern hat auch eine festere Krume.