Zuletzt haben vor tausenden Jahren Menschen in der letzten Eiszeit die sogenannte Drexlerhöhle im Hegau betreten. Wissenschaftler sind jetzt dabei, diese Zeitkapsel zu bergen. Entsprechend könnte es kaum spannender klingen, was Archäologin Yvonne Tafelmaier von den aktuellen Grabungen im Brudertal berichtet. Ab Ende Juni leitete die Referentin vom Landesamt für Denkmalpflege und Wissenschaftlerin an der Uni Tübingen archäologische Feldarbeiten an der unter Tage liegenden Drexler-Höhle in Engen und machte eine sensationelle Entdeckung: Nämlich den Eingang in die Höhle, den auch die Menschen in der Steinzeit benutzt haben müssen.
Forschungen starten erst Jahrzehnte später
Die Höhle wurde bereits 1978 bei Bauarbeiten zufällig entdeckt, als es für die Verlegung eines Abwasserkanals zu Sprengarbeiten kam. Schon damals war offenbar klar, dass Siedlungsreste aus der Zeit vor 14.000 bis 16.000 Jahren darin schlummern. Doch erst Jahrzehnte später nahmen sich Archäologen der Erforschung an, wie das Landesdenkmalamt mitteilt. 2021 wurden bei einer sechswöchigen Grabung Funde und Daten aus der späten Eiszeit geborgen. Allerdings ließ sich weder die Lage des Eingangs noch der Verlauf der Höhle erfassen, berichtet das Landesamt für Denkmalpflege mit Sitz in Stuttgart weiter.
Das sollten die weiteren Forschungen zeigen: Technische Untersuchungen in diesem Frühjahr ergaben, dass es sich um ein rund 20 Meter langes Felsmassiv mit einer Höhle darin handelt. Yvonne Tafelmaier und ihrem Team gelang nun der spektakuläre Fund des Höhleneingangs. Bei den aktuellen Grabungen wurden neben wenigen eiszeitlichen Steinwerkzeugen vor allem Tierknochenreste gefunden, so das Landesamt für Denkmalschutz.

Höhle hat Zeit unberührt überdauert
Wie ein Propf, so beschreibt es Yvonne Tafelmaier im Gespräch mit dem SÜDKURIER, habe Sediment den Höhleneingang komplett verschlossen und damit zu einem ganz besonderen Fundort gemacht. Genau diese Schichten aus Gestein und Erde sind es, die nun mehr Aufschluss über das Leben in der Altsteinzeit geben sollen. Genauer gesagt über die Zeit des Magdalénien, eine eigene Kulturstufe der Altsteinzeit, die vor rund 20.000 Jahren begann.
„Wir wissen, dass wir da mit dicht gepackten Siedlungsresten rechnen dürfen“, ist sich Archäologin Tafelmaier sicher. Gemeint sind Überreste von Werkzeugen, Knochen und Ähnliches. Die Höhle liege komplett unangetastet unter Tage und ist vermutlich seit mehreren tausend Jahren nicht mehr zugänglich, erläutert sie weiter. Die Archäologen vermuten, dass die Höhle ausschließlich eizeitlichen Menschen als Aufenthaltsort diente.
Im Brudertal gibt es damit drei hochrangige Fundstellen. Die bekannteste ist der Petersfels, der Funde aus der Zeit vor 16.000 Jahren enthielt und alle zwei Jahre viele Besucher zu den gleichnamigen Schautagen rund um die Eiszeit anlockt. Die zweite ist die Gnirshöhle und die dritte, bislang kaum erforschte Stelle ist die Drexlerhöhle.
Wie haben die Menschen damals gelebt?
Manches wisse man schon über das Leben in der Magdalénien-Zeit. Aber: „Noch gibt es auch viele offene Fragen“, sagt Yvonne Tafelmaier und hofft, mit Hilfe von Fundstücken in der Drexlerhöhle einige Antworten zu finden. Früher habe der wissenschaftliche Fokus auf Einzelobjekten gelegen. Heute gelte es, den Blick auf die Anpassung der damaligen Jäger und Sammler an die Landschaft zu betrachten. Ziel sei die Rekonstruktion der Paläolandschaft, also hier des steinzeitlichen Brudertals.

Außerdem wollen die Forscher herausfinden, wie die Menschen damals mit anderen Gruppen vernetzt waren und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten die Gruppen aufweisen. Anhand der Funde im Brudertal könne es womöglich weiteren Aufschluss über den Übergang vom Neandertaler zum modernen Menschen geben, so Tafelmaier. Dafür brauche es mit modernen Techniken nur minimale Eingriffe in den Boden.
Wie es nächstes Jahr weitergehen soll
Die Grabungen sind mittlerweile beendet. In einem nächsten Schritt werden die entnommenen Sedimentproben gewaschen und die darin enthaltenen Reste an der Uni Tübingen untersucht, beschreibt Tafelmaier. Die Sedimentabfolge am Eingang sei für die Archäologen ein wichtiges Kultur- und Umweltarchiv. Mit ersten Ergebnissen rechnet sie Mitte nächsten Jahres. „Das ist Kleinarbeit, die Zeit in Anspruch nehmen wird“, weiß die Archäologin. Im nächsten Jahr hofft sie, wieder Grabungen an der Höhle machen zu können. Dann soll versucht werden, in die Höhle hineinzublicken – und weitere spannende Funde zu entdecken.