Seit Anfang März sind Sie gemeinsam mit Pfarrer Matthias Zimmermann in den drei Seelsorgeeinheiten Singen, Oberer Hegau und Tengen Bernhard von Baden tätig. Wir erlebten Sie die ersten Wochen hier?
Der Einstieg hier ist spannend, weil vieles neu ist. In Singen konnte ich bereits ein paar Gottesdienste feiern und lernte die ersten Menschen kennen. In der kurzen Zeit ist es allerdings noch nicht möglich gewesen alles kennenzulernen.
Sie unterstützen Dekan Matthias Zimmermann in der Leitung von Seelsorge und Verwaltung als Pfarrer in solidum. Was heißt das konkret?
Das ist ein ganz kompliziertes Konstrukt aus den Achtzigerjahren. Es gibt dabei mindestens zwei Pfarrer für einen bestimmten Bereich, wobei einer dieser beiden nach außen hin und dem Bischof gegenüber verantwortlich ist. Dekan Matthias Zimmermann und ich sind beide gleichberechtigte Pfarrer oder man könnte auch sagen, wir haben beide die gemeinschaftliche Hirtensorge und gleichzeitig ist Dekan Matthias Zimmermann nach außen hin so etwas wie der Chef.
Geht das Dekanat Hegau mit dieser neuen Teamarbeit mit großen Schritten der Kirchenentwicklung 2030 entgegen?
Ganz genau. Die Kirchenentwicklung nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Bereits am 3. Mai findet die Vollversammlung aller Pfarrgemeinderäte statt und bis August müssen wir den Sitz der neuen Pfarrei und der Pfarrkirche bestimmen. Im Sommer wird also klar, wo das Zentrum der neuen Pfarrei sein wird. Im Jahr 2030 soll die Kirchenentwicklung dann abgeschlossen sein.
Mit der Kirchenentwicklung 2030 reagiert die Erzdiözese Freiburg auf Veränderungen in der Gesellschaft. Die Kirche soll mit Veränderungen zukunftsfähig gemacht werden. Schon 2026 sollen aus momentan 220 Seelsorgeeinheiten mit über 1000 Pfarreien 36 neue große Pfarreien entstehen. Wie lässt sich dieser organisatorische Prozess geistlich begleiten?
Diese Umstrukturierung wird Ressourcen binden. Wenn man Strukturen verändert, hat dies mit Spiritualität erst mal nichts zu tun. Durch die Veränderungen der Strukturen und der Einstellung eines Geschäftsführers, der die Verwaltung in der Pfarrei übernimmt, werden die pastoralen Mitarbeiter wieder mehr Zeit für die Seelsorge haben.

Wo bleibt in einer neuen großen Pfarrei der persönliche Bezug des Pfarrers zu den Gemeindemitgliedern?
Es gibt ja bereits ein Team von pastoralen Mitarbeitern und diese werden auch weiterhin in ihren Bereichen tätig sein, nur eben anders organisiert. Es wird dann nur noch einen leitenden Pfarrer sowie einen Geschäftsführer geben. Die anderen pastoralen Mitarbeiter und die Pfarrer werden dann mehr Zeit für die Seelsorge haben, da die Verwaltungsaufgaben für sie wegfallen.
Die katholische Kirche wandelte sich in den vergangenen Jahrzehnten. Immer weniger Menschen gehen in die Gottesdienste, es gibt weniger Gläubige und es gibt immer weniger hauptamtliche Priester. Dabei steigen die Anforderungen und die Kirche muss sich ihren von Menschen gemachten Fehlern stellen. Steckt die Kirche womöglich in einer selbstgemachten Glaubwürdigkeitskrise?
Die traditionellen Volkskirchen leiden unter einem immensen Mitgliederschwund. Wir als deutsche Kirche können nicht alle Entscheidungen umsetzen, die wir gerne umsetzen würden. Weil wir eben eine Weltkirche sind und manches in Deutschland nicht selbst entscheiden können. Die römisch-katholische Kirche in Deutschland hat sich lange nötigen Reformen gegenüber verschlossen. Diese wären notwendig gewesen, um bei der Lebenswirklichkeit der Menschen zu bleiben. Diese Reformen wurden verschlafen. Jetzt ist der Druck so hoch, dass sich weltkirchlich bewegt was eben im Moment möglich ist.
Erst im September 2020 übernahmen Sie die Leitung der Seelsorgeeinheit Marxzell im Landkreis Karlsruhe. Sie waren dort gerade mal zweieinhalb Jahre tätig. War diese Zeit lang genug, um jetzt ins Dekanat Hegau wechseln zu können?
Ich kam mitten im Lockdown nach Marxzell. Kurz nach meiner Ankunft waren in den Kirchen keine Gottesdienste in Präsenz möglich und die Zeit in Marxzell war durch Corona geprägt. Ich fühlte mich in Marxzell sehr wohl und war dort gerne Pfarrer. Aber jetzt war für mich in Hinblick auf die Kirchenentwicklung 2030 ein guter Zeitpunkt etwas Neues zu beginnen. Ich habe Lust darauf hier in Singen mit einem tollen Team das Neue mitzugestalten und nicht an dem Alten festzuhalten. Ich sehe hier die Chance, die Ressourcen zu bündeln und neue Angebote zu schaffen, um die Kirche wieder attraktiver zu machen.