Es klingt nach einer Verkettung unglücklicher Umstände, die zur Obdachlosigkeit einer vierköpfigen Familie in Engen geführt hat: Der Vermieter habe Eigenbedarf angemeldet und eine Räumungsklage erwirkt, ein Angebot für eine neue Wohnung habe sich im letzten Moment zerschlagen. Also zog Familie Kupatt-Böttcher in eine Engener Notunterkunft – und ging mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit, dass eine benachbarte städtische Wohnung lieber an Geflüchtete vermietet werde.
Der SÜDKURIER recherchierte und erfuhr auf Nachfrage bei der Stadt Engen, warum die benachbarte Wohnung nicht an Madeleine Kupatt mit ihren beiden Kindern (fünf und sieben Jahre alt) sowie ihren Partner Daniel Böttcher vermietet wird: Die Wohnung war schlichtweg schon verplant, als die Familie obdachlos wurde. Auch auf Kritikpunkte wie fehlendes Internet und angeblich fehlende Sauberkeit reagierte die Stadt.
Jetzt meldet sich der Vermieter: Es war kein Eigenbedarf
Jürgen Gruber und Gabriele Ranzenberger allerdings lasen den Online-Artikel und wunderten sich. Denn sie kennen die Familie und wollen nicht so stehenlassen, was Madeleine Kupatt und ihr Partner berichtet haben. Also meldeten sie sich unabhängig voneinander beim SÜDKURIER, um ihre Wahrnehmung der Geschehnisse zu schildern. Und die sind ganz anders als die der Familie. Jürgen Gruber ist der frühere Vermieter der Familie, Gabriele Ranzenberger war die Nachbarin.

Die Kündigung des Mietverhältnisses sei ein Prozess über ein Dreivierteljahr gewesen – mit vielen Gesprächen, wie Gruber betont. Den Ausschlag habe ein nächtlicher Polizeieinsatz gegeben, in dessen Folge die Feuerwehr die Tür aufgebrochen habe. Bilder im Auftrag der Gerichtsvollzieherin belegen den Schaden, der dadurch entstanden ist.
Kritische Nachfragen, warum der Vermieter so schnell eine Räumungsklage umsetzen lassen konnte, hatte die Familie im Gespräch mit dem SÜDKURIER mit angeblichen persönlichen Kontakten des Vermieters erklärt. Doch er stellt jetzt klar: „Es ging so schnell, weil meine damalige Mieterin auf kein Schreiben reagiert hat.“ Einzige Reaktion sei gewesen, dass die Mietzahlungen eingestellt wurden.
Vermieter rechnet mit hohem Schaden
Zurück bleibe für ihn ein großer finanzieller Schaden: Zwei Monatsmieten seien wären nach Verrechnen der Kaution noch offen, dazu kämen Kratzer im Boden und dreckige Wände. „Ich habe noch nie eine so verwahrloste Wohnung gesehen und rechne mit Kosten von 8000 bis 10.000 Euro“, sagt Jürgen Gruber. Denn der Parkettboden sei hinüber und die Gästetoilette sei so verdreckt, dass er sie erneuern müsse.

Dazu kommt für den Vermieter auch eine persönliche Enttäuschung: Er sei auf dem Portal Ebay Kleinanzeigen auf die Familie aufmerksam geworden, als diese eine Wohnung suchte, und habe etwas Gutes tun wollen. „Am Anfang war alles ok“, sagt er über das 18 Monate andauernde Mietverhältnis. Doch dann hätten die Probleme begonnen.

Vermieten will er dennoch wieder: An eine Bekannte, die vertrauenswürdig sei.
Möbel wurden nicht eingelagert, sondern verkauft
Eine weitere offene Frage kann die frühere Nachbarin Gabriele Ranzenberger beantworten: Was wurde eigentlich aus den Möbeln der Familie? Madeleine Kupatt hatte beim Gespräch auf Nachfrage geschildert, dass der Umzug in die Notunterkunft so schnell gegangen sei, dass sie sich nicht mehr um eine Einlagerung habe kümmern können. Sie wisse daher nicht, wo sich ihre Möbel jetzt befinden. Nur einige wenige Gegenstände hätten sie mitgenommen, darunter Spielzeug der Kinder. Da machte sie ihrem ehemaligen Vermieter keinen Vorwurf, unterstrich aber ihre Notsituation.
Dieser Schilderung widerspricht Gabriele Ranzenberger: „Die Möbel haben sie über Kleinanzeigen verhökert. Die Leute haben teilweise bei mir geklingelt, es war ein ständiges Kommen und Gehen.“ Was übrig blieb, ließ die Familie in der Wohnung zurück, wie Bilder bestätigen.

„Mir sind die Tränen gekommen, als ich die Wohnung gesehen habe“, sagt Ranzenberger. Auf ihren Vermieter lässt sie nichts kommen: „Das ist wirklich ein sehr netter Mensch, deshalb darf das auch nicht so stehenbleiben, was die Familie gesagt hat.“
Und die Schwangerschaft?
Auch eine weitere Schilderung von Madeleine Kupatt gerät mit den Schilderungen von Ex-Vermieter und Ex-Nachbarin ins Wanken: „Mir hat sie auch schon gesagt, dass sie in der achten Woche schwanger ist. Das war im April“, sagt Jürgen Gruber. Dass Kupatt auch im Juli behauptete, in der achten Woche schwanger zu sein, kann dann nicht stimmen.

Was die Familie dazu sagt
Der SÜDKURIER hat mehrfach und über eine Woche hinweg versucht, erneut mit der betroffenen Familie zu sprechen. Auch ein Vor-Ort-Besuch und ein vereinbarter Telefontermin blieben leider ohne Ergebnis. Auf erneute Nachfrage schilderte Madeleine Kupatt, sich nicht weiter äußern zu wollen.