Frau Schlotter, Sie sind Bootssattlerin. Wie kam es zu diesem Berufswunsch?
Inga Maren Schlotter: Nach dem Abitur wollte ich studieren, habe allerdings im Umkreis von meiner Heimat Engen, aus der ich aus persönlichen Gründen nicht weit wegziehen wollte, keinen Studiengang gefunden, der mich angesprochen hat. Beim Recherchieren nach Berufen bin ich eher zufällig auf den Beruf des Bootssattlers gestoßen und habe festgestellt, wie interessant dieser Beruf ist. Schnell habe ich meinen Ausbildungsbetrieb entdeckt und direkt Kontakt aufgenommen. Auf meine Bewerbung folgte innerhalb kürzester Zeit die Einladung zum Vorstellungsgespräch und daraufhin die Zusage für den Ausbildungsplatz.
Sie haben, so wie meistens im Handwerk, eine dreijährige Ausbildung absolviert?
Inga Maren Schlotter: Richtig. Neben der Ausbildung in Singen habe ich in Form von Blockunterricht die Berufsschule in Stuttgart besucht; die Klasse für Sattler und Feintäschner.
Waren Sie allein unter Männern?
Inga Maren Schlotter: Tatsächlich war die Geschlechterverteilung sehr ausgeglichen, was mich überrascht hat. Unter den Frauen waren jedoch vorwiegend Autosattlerinnen und ich in der Tat die einzige Bootssattlerin. Aber es stimmt, dass dieser Beruf eine Männerdomäne ist, das merke ich jetzt in meinem Berufsalltag.
Sie arbeiten seit Abschluss der Prüfung in Stockach, bei der Firma Paul Design.
Inga Maren Schlotter: Ja, einen Arbeitgeber zu wechseln, gibt noch einmal die Möglichkeit, neue Einblicke in den Beruf zu erlangen und sich weiterzuentwickeln.
Was konkret macht eine Bootssattlerin?
Inga Maren Schlotter: Das Arbeitsgebiet umfasst die Anfertigung, Reparatur und Anpassung von Polstern, Verdecken, Persenningen und anderen Ausstattungen aus Textil oder Leder für Boote. Wir fertigen und reparieren Sitzbänke, Liegeflächen, Kissen, Polster, stellen Sonnendächer oder Spritzverdecke her, also alle Dinge im maritimen Bereich. Dabei gehen wir auf Kundenwünsche ein und berücksichtigen spezielle Anforderungen, wie die UV-Beständigkeit, Wasserdichtigkeit oder die Salzwasserresistenz.
Wie kann ein Arbeitstag aussehen?
Inga Maren Schlotter: Wir fahren zu einem Hafen, in dem das Boot liegt, beraten Kunden vor Ort, nehmen Maß und erstellen Schablonen. Diese werden in unserem Betrieb in Stockach ausgearbeitet. In der eigenen Werkstatt bereiten wir daraufhin die Ausstattung vor, suchen das richtige Material aus, bevor es in der Näherei weiterverarbeitet wird. Gestänge werden gebogen und Knöpfe, Ösen und Gurte, die später zur Montage am Boot benötigt werden, ausgewählt. Das ist ein tolles Arbeitsgebiet, denn ich werde jeden Tag aufs Neue gefordert. Ich kann mich sowohl kreativ als auch planerisch und handwerklich betätigen.
Wer zählt zu Ihren Kunden?
Inga Maren Schlotter: In meinem Ausbildungsbetrieb haben wir vorwiegend für Bootshersteller gearbeitet, die in Serie produzieren. Jetzt, bei Paul Design, haben wir vorwiegend Individualkundschaft, also Privatkunden, und einen Bootsverleih, für den wir immer wieder arbeiten. Unsere Auftraggeber sind in den Häfen rund um den Bodensee, manche aber auch im Ausland, in Kroatien oder auch in Frankreich.
Welche Arbeit fordert sie besonders?
Inga Maren Schlotter: Wenn ich an Booten arbeite, die asymmetrisch sind, da gibt es, wenn ich zum Beispiel Verdecke oder Persenninge mache, unglaublich viel zu beachten. Das ist eine Herausforderung, aber ich kann mich gleichzeitig dabei richtig ausleben und überlegen: Wo kann ich noch eine Klappe einnähen, ein Fenster oder einen Gurt zur Fixierung anbringen? In Frankreich hatten wir mal einen Auftrag für eine Persenning, die so riesig war, dass wir fast einen ganzen Tag brauchten, um die Schablone zu erstellen. Solch eine Aufgabe ist dann wirklich spannend.
Welche Fähigkeiten und Talente sollte man für den Beruf mitbringen?
Inga Maren Schlotter: Ich hatte zuvor noch nie eine Nähmaschine angefasst, aber zu nähen lernt man schnell. Ich denke, man braucht ein gewisses Maß an Fingerfertigkeit, Kreativität, räumliches Denken und Visualisierungsvermögen. Zudem sollte man wetterfest und nicht zimperlich sein, denn statt in einem klimatisierten Büro ist man oft bei Wind und Wetter in den Häfen und hat mitunter lange Arbeitstage. Ich glaube jedoch, die wichtigsten Voraussetzungen sind Eigeninitiative und Durchhaltevermögen.
Im vergangenen Jahr haben Sie am europaweit größten Berufswettbewerb, der Deutschen Meisterschaft im Handwerk, teilgenommen – und super abgeschnitten. Wird man für die Teilnahme nominiert?
Inga Maren Schlotter: Ja, ich bin zuvor Kammersiegerin geworden und wurde daher für den Landeswettbewerb gemeldet. Dort bin ich in der Kategorie Autosattler angetreten und wurde zweite Landessiegerin.
Respekt! Sie sind nun 24 Jahre alt. Wie geht es für Sie beruflich weiter?
Inga Maren Schlotter: Ich habe bereits angefangen, meinen Meister zu machen und habe die ersten Prüfungen hinter mir. Ich kann mir gut vorstellen, in dem Beruf weiterzuarbeiten und als Ausbilderin interessierten Jugendlichen eine Zukunft in diesem vielschichtigen Tätigkeitsfeld zu ermöglichen. Hierzu hätte ich wirklich viele Ideen.
Welche konkret?
Inga Maren Schlotter: Das Handwerk wird immer gebraucht – dennoch oft unterschätzt. Wer seinen Beruf mit Leidenschaft ausübt, wird Bestand haben. Ich glaube, dass die Ausbildungszeit – sowohl in der Schule als auch in einem Betrieb – maßgeblich darüber entscheidet, ob man danach am Ball bleibt, ob man seine Leidenschaft für diesen Beruf entdeckt und ihn fortführt. Daher finde ich es wichtig, Auszubildenden wertschätzend zu begegnen und sie in dem, was sie tun, zu bestärken und zu zeigen: Wenn du gut mitmachst und dich anstrengst, hast du tolle Zukunftsperspektiven.
Würden Sie diesen Beruf noch einmal ergreifen?
Inga Maren Schlotter: Definitiv!