Versorgungszentren gibt es im Hegau inzwischen nicht nur in Engen, sondern auch in Rielasingen-Worblingen und Mühlhausen-Ehingen. Kristina Korsake, eine der beiden Geschäftsführer des MVZ PI mit Filialen im Hegau, der Geschäftsführer des GLKN Bernd Sieber und die kaufmännische Leiterin des Hegau-Klinikums Rebecca Sellmann, die für das MVZ in Engen zuständig sind, nehmen Stellung zur Frage, was MVZs leisten können.

Warum werden MVZs als innovatives Gesundheitsmodell gesehen?

MVZs seien eine moderne Form von Arztpraxis mit flexiblen Sprechzeitmodellen für die angestellten Ärzte, sagt Kristina Korsake. „Große MVZs können von Strukturen profitieren, die die Ärzte und das medizinische Personal von Verwaltungsaufgaben entlasten“, erklärt die Geschäftsführerin. Rebecca Sellmann sieht die Vorteile für die Krankenhäuser: Sie erhoffen sich mit der Gründung eines MVZs eine leistungsstarke, ambulante Versorgung, die das Krankenhaus entlastet. Hinzu komme, dass auch in den MVZs die Weiterbildung von Assistenzärzten ermöglicht wird.

„Große MVZs können die Ärzte und das Personal von Verwaltungsaufgaben entlasten“, Kristina Korsake, eine der beiden ...
„Große MVZs können die Ärzte und das Personal von Verwaltungsaufgaben entlasten“, Kristina Korsake, eine der beiden Geschäftsführer des MVZ PI. | Bild: KREATIV KOMPANIE GmbH

„Das MVZ gilt als flexibler und familienfreundlicher Arbeitgeber“, beschreibt Bernd Sieber die Vorteile. Dies sei auch deshalb so, weil, anders als in einer Einzelpraxis, keine Bereitschafts- und Schichtdienst geleistet werden müssen. Auch das finanzielle Risiko werde für den Arzt geringer, weil er Angestellter ist und die Patienten zusammen mit Kollegen betreuen könne.

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Kann ein MVZ eine vernetzte Gesundheitsvorsorge im ländlichen Raum bieten?

Das MVZ PI sei bewusst mit seinen Praxen in den ländlichen Raum wie nach Worblingen gegangen, um dort eine Patientenversorgung anzubieten, berichtet Geschäftsführerin Kristina Korsake. Die Ärzte des Versorgungszentrums seien flexibel und arbeiteten in der Regel nicht nur an einem Standort. Es sei allerdings eine organisatorische Herausforderung, die kleinen, weit voneinander entfernten Praxen zu strukturieren und zu verwalten.

„Ein MVZ kann für eine vernetzte Gesundheitsversorgung ein wesentlicher Player sein und ist es in Teilen für Engen bereits heute“, erklärt Bernd Sieber. Grundsätzlich wollten heute viele Ärzte nicht mehr die Praxis, in der sie das unternehmerische Risiko tragen. Wenn sich dann mehrere angestellte Ärzte in MVZs zusammenfänden, könne dies die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum besser sicherstellen. Dennoch benötige auch ein MVZ, damit es die Sprechzeiten gewährleisten könne, eine Mindestzahl von angestellten Ärzten der jeweiligen Fachdisziplinen.

„Deutlich feststellbar ist bei jungen Ärzten der Trend zum Angestelltenverhältnis“Rebecca Sellmann GLKN.
„Deutlich feststellbar ist bei jungen Ärzten der Trend zum Angestelltenverhältnis“Rebecca Sellmann GLKN. | Bild: Alexander Stertzik

Hilft ein solches Modell, dem Ärztemangel im ländlichen Raum zu begegnen?

Es sei hilfreich, erklärt Rebecca Sellmann. „Deutlich feststellbar ist bei jungen Ärzten der Trend zum Angestelltenverhältnis“, erklärt die kaufmännische Direktorin. Einer älter werdenden Ärzteschaft stehe auch eine älter werdende Gesellschaft gegenüber, die eine entsprechende gesundheitliche Versorgung benötige.

Auf der anderen Seite stünden aber die Bedürfnisse der neuen Ärztegeneration, denen eine gute Work-Life-Balance wichtig sei und die Familie und Beruf verbinden möchten. Außerdem würden in medizinischen Berufen immer mehr Frauen arbeiten, die eine Familie gründen wollten. Dafür müsse man organisatorische Lösungen finden. Aber der Ärztemangel mache sich auch in MVZs bemerkbar. Kristina Korsake hofft, dass ihr Modell gegen den Mangel hilft: Sie versuche zudem aktiv, Ärzte in Deutschland und europaweit zu gewinnen.

Was müssen MVZs tun, um erfolgreich zu sein?

Ein Versorgungszentrum ist aus Sicht von Kristina Korsake dann erfolgreich, wenn es eine gute Medizin bietet und die Patienten gut versorgen kann. Da hätte das MVZ den Vorteil, dass sie sich aufgrund der Größe moderne Technik leisten und gemeinsam nutzen könne. Die Teilzeitmodelle und Vertretung zwischen den Praxen, gäben den Ärzten und dem Personal zusätzlich die Möglichkeit regelmäßig an Fortbildung und Kongressen teilzunehmen.

„Das MVZ gilt als flexibler und familienfreundlicher Arbeitgeber“, sagt Bernd Sieber, Geschäftsführer des GLKN.
„Das MVZ gilt als flexibler und familienfreundlicher Arbeitgeber“, sagt Bernd Sieber, Geschäftsführer des GLKN. | Bild: Alexander Stertzik

„Auch der kollegiale Austausch zwischen den Hausärzten und Fachärzten im Verbund wird von unseren Ärzten sehr geschätzt und erleichtert die Arbeit“, erklärt Kristina Korsake. Das MVZ als Unternehmen müsse aber auch profitabel sein, deshalb müssten an den Standorten viele Patienten versorgt werden. „Patientenmangel oder Konkurrenzprobleme drohen uns aber zum Glück nicht“, so die Geschäftsführerin. Die Kollegen seien in der Regel froh, wenn die steigende Zahl der Patienten auf mehrere Schultern verteilt werde.

Wo liegen die Vorteile, wo die Probleme eines MVZ?

Ein Vorteil sei, dass verschiedene Fachgruppen unter einem Dach seien und der Patient viele Kompetenzen an einem Ort hat. „Unsere Fachärzte machen auch stundenweise Sprechstunden an den Standorten auf dem Land und kommen zu den Patienten, die Mobilitätsproblem haben“, erklärt Kristina Korsake. Ihr Unternehmen böte zum Beispiel eine der wenigen gefäßmedizinischen Versorgungen in der Region, die angesichts zunehmender altersbedingter Gefäßerkrankungen immer mehr benötigt werde.

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Probleme seien der organisatorische Aufwand und in der Breite den Bedarf zu decken. Auch gebe es negative Stimmen von Ärzten, die nicht gutheißen würden, dass Ärzte in GmbHs tätig seien und dabei das Geld im Vordergrund stehe. „Aber ich hoffe, dass wir sie hier ein besseres Belehren können, denn der Patient wird immer im Mittelpunkt sein“, sagt Kristina Korsake.

Woran liegt es, dass es in Engen klappt, in Radolfzell aber bisher nicht zustande kommt?

Zu einer MVZ-Gründung gehört, laut Bernd Sieber, dass es entweder freie KV-Sitze (kassenärztliche Vereinigung) gibt, die in ein MVZ eingegliedert werden können, oder, dass es niedergelassene Ärzte gibt, die ihren KV-Sitz abgeben oder in das MVZ einbringen. Hierzu fänden Gespräche statt. Der GLKN stehe MVZ-Lösungen in Radolfzell offen gegenüber, wolle aber nicht am Markt als Wettbewerb zu den niedergelassenen Ärzten auftreten. Dennoch befinde sich der GLKN mit Ärzten im Kontakt und suche auch potenzielle Räumlichkeiten für ein denkbares MVZ.