244 Millionen Euro sind eine Stange Geld. Dafür könnte man zum Beispiel laut Listenpreis mehr als 2000 Mercedes S-Klassen kaufen – wenn auch in der günstigsten Ausstattungsvariante. Oder fast 500 Einfamilienhäuser, wenn jedes davon eine halbe Million Euro kostet. Oder man kann für diese Summe das Singener Krankenhaus sanieren lassen. Das haben die Gutachter der Beratungsfirma Teamplan aus Tübingen ausgerechnet, die der Landkreis damit beauftragt hat, zu überprüfen, ob man das bestehende Krankenhaus in Singen für die Zukunft sanieren kann.

Das Ergebnis lautet überspitzt gesagt: Man kann, aber zukunftsfähig wird es davon nicht. Denn in der Summe von 244 Millionen Euro ist keine Funktionsverbesserung am bestehenden verwinkelten Gebäude enthalten, wie die Gutachter auch schreiben. Diese seien aber „dringend notwendig“. Und: „Um einen auch nur in etwa vergleichbaren Neubaustandard herzustellen, müsste hier ein Aufschlag von 15 bis 25 Prozent angewendet werden, um ein rechnerisches Neubauäquivalent zu erhalten.“

Gutachter listen Mängel in verschiedenen Bereichen auf

Im Klartext: Will man einen Zustand erreichen, der in etwa dem eines Neubaus entspricht, müsste man sogar etwa 280 bis 306 Millionen Euro aufwenden, wie die Singener Stadtverwaltung in der Vorlage für die jüngste Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses (VFA) des Gemeinderats ausrechnet. Zum Vergleich: Als die Pläne für einen Krankenhausneubau im März 2022 öffentlich gemacht wurden, haben die Verantwortlichen etwa 270 Millionen Euro als erste Kostenschätzung genannt. Auch wenn diese Summe angesichts der Entwicklung auf dem Baumarkt inzwischen deutlich zu niedrig sein dürfte, verdeutlicht sie die Größenordnung.

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Mängel im Bestand listen die Gutachter nun bei Haus-, Gebäude und Sicherheitstechnik, beim Brandschutz und sogar der Hygiene auf. „Extrem kritisch“ sei die Wasser- und Abwasserversorgung: „Weite Teile der Abwasserrohre des Hauptgebäudes wurden in 1927 eingebaut.“

Dieses Grundstück am Abzweig der Bruderhofstraße (unten am Bildrand) hat die Stadt Singen als Standort für einen möglichen ...
Dieses Grundstück am Abzweig der Bruderhofstraße (unten am Bildrand) hat die Stadt Singen als Standort für einen möglichen Krankenhausneubau ins Rennen geschickt. In der Mitte des Luftbildes vom Frühjahr 2022 die Nordstadt, dahinter die Innenstadt von Singen. | Bild: Gerhard Plessing

Die Möglichkeit einer Sanierung des Singener Bestands ist damit praktisch vom Tisch, wie Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler kürzlich bereits beim Standortmarketingverein Singen aktiv sagte. Genauso sah es nun auch der Ausschuss. Einstimmig haben die Ausschussmitglieder empfohlen, die Sanierung nicht mehr weiterzuverfolgen – vorausgesetzt, das Land Baden-Württemberg stimmt dem ebenfalls zu. Denn die Sanierung des Bestandes zu überprüfen war unter anderem eine Anforderung des Landes, das grundsätzlich der Geldgeber für Investitionen an Krankenhäusern ist.

Zum Beschluss gehört auch ein Auftrag an die Verwaltung, weitere Abstimmungen mit den Landesbehörden zu treffen. Die Entscheidung trifft der Gemeinderat, für den das Thema am kommenden Dienstag, 23. Mai, auf der Tagesordnung steht. Der Beschlussvorschlag ist übrigens gleichlautend mit dem des Kreistags und seinem Verwaltungs- und Finanzausschuss. Der Kreistag entscheidet laut Tagesordnung am Montag, 22. Mai. Die Stadt Singen ist größter Anteilseigner an der Fördergesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum (HBK), die mit 24 Prozent am Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) beteiligt ist. Dem GLKN wiederum gehört die Hegau-Bodensee Klinikum GmbH zu 100 Prozent.

Einhellige Unterstützung im Gremium für einen Neubau

Im Singener VFA gab es viel Unterstützung für den Neubau. „Man kann ein Haus mit so langen Gängen nicht zukunftsfähig sanieren“, stellte OB Häusler zu Beginn der Diskussion fest. Es gebe zwar derzeit einige Bauvorhaben, um die Gebäude für den Betrieb fit zu halten. Doch dann sollte man Geld in einen Neubau investieren, so Häusler. Und er widersprach vehement der Vorstellung, das Singener Haus habe keine Zukunft.

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Birgit Kloos (SÖS), selbst niedergelassene Hausärztin, führte den demografischen Wandel als Argument für einen Neubau ins Feld. Immer weniger Menschen würden in der Pflege arbeiten und diese müsse man halten. Die derzeitige Qualität könne man nur halten, wenn die Mitarbeiter zufrieden sind. Und auch die Patienten müssen gerne ins Krankenhaus kommen, sonst könne man die Mindestfallzahlen nicht erreichen.

Walafried Schrott (SPD) appellierte, das Singener Grundstück für ein mögliches neues Krankenhaus so zu positionieren, dass der Neubau auch wirklich dort entstehe. „Die Sanierung ergibt keinen Sinn, wir brauchen den Neubau zügig.“ Auch Hubertus Both (Freie Wähler) sprach sich dafür aus, für die Bevölkerung des Kreises etwas Modernes bereitzustellen. Bei der Begehung des Krankenhauses im Februar habe man gesehen, welche Baustellen in der Zukunft noch kommen würden.

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Eberhard Röhm (Grüne) äußerte sich ernüchtert über die vorgelegten Zahlen. Das neue Gebäude müsse sich flexibel an die Anforderungen der Medizin anpassen können. Auch die CDU sei für den Neubau sofort bei der Stange, sagte Angelika Berner-Assfalg für ihre Fraktion. Eine Sanierung sei unzumutbar. In den Augen von Kirsten Brößke (FDP) ist ein Neubau alternativlos. Und im Übrigen sei die FDP schon im Kreistag gegen ein Sanierungsgutachten gewsen, es sei schlicht überflüssig gewesen. Und Markus Weber (Neue Linie) stellte fest: „Singen hat ein Krankenhaus verdient.“