Auf die Gemeinde Gaienhofen kommt in den kommenden Wochen die Unterbringung weiterer Geflüchteter zu. Und das, obwohl Wohnraum überall knappt ist. Denn der Kreistag Konstanz hat zwar im September 2014 beschlossen, dass Gaienhofen die erste Gemeinde im Landkreis sein sollte, die Flüchtlinge aufnimmt.
Und da gleich 130 in einer Gemeinschaftsunterkunft (GU) im ehemaligen Internatsgebäude der Schlossschule unterkamen, befreite der Kreis die Gemeinde wegen der hohen Zahl der Untergebrachten von der Verpflichtung, Wohnraum für eine Anschlussunterbringung bereitzustellen.
Darum teilt der Landkreis Gaienhofen weitere Geflüchtete zu
Doch die Anzahl der in der Erstunterbringung Aufgenommenen reduzierte sich nach der Änderung eines Landesgesetzes für den Mindeststandard der Wohnfläche auf 75 Flüchtlinge. Damit liegt Gaienhofen nun unterhalb der Landkreisquote für die Unterbringung von Geflüchteten – und ist in der Bringschuld.
Das Landratsamt Konstanz teilte jetzt der Gemeinde zwölf Menschen für eine Anschlussunterbringung zu. Sechs der Flüchtlinge wurden in gemeindeeigene Liegenschaften untergebracht. Für die weiteren sechs Personen sucht die Gemeinde bis Ende Oktober weiteren Wohnraum. Bürgermeister Jürgen Maas nahm das in der jüngsten Gemeinderatssitzung zum Anlass für einen Gedankenaustausch mit den Räten, wie sich Gaienhofen künftig auf die Kreisquoten einrichten könnte.
Räte kritisieren weitere Anschlussunterbringung
Einige Räten kritisierten zunächst die weiteren Forderungen des Kreises. Sehr früh habe sich die Gemeinde mit der Unterbringung von Flüchtlingen in einer GU ein Zeichen gesetzt, erinnerte Rätin Mechtild Biechele (CDU) an 2014. Ohne die tatkräftige Unterstützung des Helferkreises und der Bevölkerung hätte die Gemeinde die Krise nicht bewältigen können. Gaienhofen habe damals das Einverständnis für eine GU gegeben, „weil uns vom Landratsamt versichert wurde, dass wir auf wirklich lange Sicht unser Kontingent erfüllen.“
Jetzt stehe die Gemeinde im Wort gegenüber ihrer Bevölkerung. Sie sorge sich darüber, wie lange die Bürger die Entwicklung noch tragen würden und bat Jürgen Maas, das Landratsamt an dessen Zusage zu erinnern.

Für Gemeinderat Karl Amann (UBL) war der Kauf des Internatsgebäudes ein enormer Finanzsprung für die kleine Gemeinde mit 3600 Einwohnern. Lange Zeit habe Gaienhofen mit der GU deutlich mehr Flüchtlinge als Radolfzell untergebracht. Dass die Gemeinde vor einer Zuteilung steht, empfindet Amann als eine unglückliche Lage – auch mit der Unterbringung von Flüchtlingen in Kindergärten und in den Schulen.
„Die Aufrufe verhallen und die Bürger zeigen keine Resonanz“, beobachtete Gemeinderat Klaus Sturm (FW). Viele private Gespräche für einen Wohnraum hätten wenig genützt. Eigentlich müsse man dem Landratsamt signalisieren, dass die Gemeinde dies nicht leisten könne, so Sturm. Er wolle zwar nicht zu einem zivilen Ungehorsam aufrufen, doch aus seiner Sicht „wäre es Zeit deutlich zu machen, dass es so nicht geht.“
Gaienhofen will wieder Vorreiterrolle einnehmen
Für ein Umdenken sorgte dann jedoch Jürgen Rottler (die Aktiven). Er sagte, er könne die Aussagen seiner Kollegen zwar verstehen. Sie würden auch die Situation und die Gefühle widerspiegeln. Die Gemeinde sei im Landkreis jedoch der Vorreiter in der Unterbringung gewesen. Ob sie nun auch Vorreiter im Ausscheren sein wolle, zweifelte er an. Rottler regte eine strategische Vorgehensweise an, die grundsätzliche Probleme der Gemeinde bezüglich ihres Bedarfs nach Wohnraum lösen könnte.

Eine Möglichkeit wäre eine Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft. Deren Versorgung sei gegeben und in der Nachbarschaft sei man bereits mit 130 Flüchtlingen klar gekommen. Es wäre zwar kein populärer, aber dafür realistischer Ansatz, nach vorne zu schauen, um Wohnraum zu schaffen, den man später nutzen könnte. „Wir waren schon einmal der Vorreiter“, so Rottler: „Wollen wir nun der Bremser sein oder aus der schwierigen Situation wieder eine Tugend machen?“
Welche Lösung ist realistisch?
Laut Unternehmer Heinz Burkhart (UBL) seien die Kosten für sozialen Wohnungsbau jedoch zu hoch. Es brauche eine einfache Lösung. Für Karl Amann wären Wohncontainer, Tiny-Häuser oder – nach sorgfältiger Prüfung – ein Wohnungsbau denkbar. Doch sollte dann das Landratsamt auch schneller mit Genehmigungen sein. Die Voraussetzung sei ebenso, dass die Flüchtlinge angesichts der allgemeinen Personalknappheit schneller arbeiten dürften.
Doch Bürgermeister Jürgen Maas sieht sich bei einer schnellen Problemlösung der Flüchtlingskrise in einer Zwickmühle. Denn Großprojekte für einen Wohnungsbau würden von einer Grundstückakquise, dem Kauf und langwierigen Genehmigungsverfahren abhängen.
Sein Vorschlag war daher ein dreistufiger Plan, dem der Gemeinderat geschlossen zustimmte. Kurzfristig will man nun bestehende Wohnungen akquirieren, mittelfristig Container und Tiny-Häuser erreichten und langfristig Wohnraum in moderater Größe durch schnelle Modulbauweise vorbereiten.