Glaubte der Gemeinderat von Gaienhofen im Mai noch, dass man bei einer Temporeduzierung auf 30 oder 40 Stundenkilometer im Ort geteilter Meinung sein und dessen Pros und Kontras ausdiskutieren oder abwägen könnte, so begab er sich in seiner jüngsten Sitzung auf einen Weg, auf dem es wohl kaum ein Zurück geben dürfte. Ging es anfänglich noch um die Sicherheit von Fußgängern in Gefahren-Zonen, so soll nun ein Gutachten über einen Schutz der Anwohner vor dem Verkehrslärm an den Land- und Kreisstraßen erstellt werden. Hierfür beauftragte der Gemeinderat das Schweizer Unternehmen Rapp AG mit einer Lärmkartierung in den Ortschaften.

Sollte sich hierbei eine Gefährdung für die Gesundheit der Anrainer ergeben, so müsste vom Landratsamt Konstanz Tempo 30 angeordnet werden. Tempo 40 könnte dann nur noch mit guten Argumenten gegenüber dem Amt erreicht werden, zeigte die Diskussion im Gemeinderat.

„Lärm kann krank machen“

Der Gemeinderat wünschte sich eine weitergehende Temporeduzierung, als das Landratsamt Konstanz für drei Gefahrenzonen ermittelt hatte. „Dies könnte mit dem Instrument der Lärmaktionsplanung zu erzielen sein“, hoffte Bürgermeister Jürgen Maas. Doch dafür müssten Untersuchungen über den Lärm durchgeführt werden. Wenn dann die Werte überschritten seien, so ziehe das – durch das Recht auf Lärmschutz – automatisch eine Tempo-Reduzierung nach sich, sagte Maas.

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Wolfgang Wahl vom Unternehmen Rapp stellte im Rat die Lärmkartierung vor. Als Grundlage werden auf den Straßen zuerst die Verkehrszahlen ermittelt. Er nannte das Kind beim Namen: „Lärm zählt zu den größten Umweltproblemen. Lärm kann krank machen – das sagen die Mediziner.“ Ortsdurchfahrten würden hierbei zu den größten Belastungen gehören. Die Durchfahrt eines Lastwagens mit 50 Stundenkilometer würde einen Lärm in gleicher Intensität wie von 20 Autos erzeugen, sagte Wahl.

Keine Messung, sondern eine Berechnung

Dabei wird Straßenlärm nicht gemessen. Er wird berechnet. Abgesehen davon, dass eine Berechnung höhere Lärmwerte ergeben, so seien Lärmberechnungen im Gegensatz zu einer Lärmmessung besser reproduzierbar, erklärte Wahl: Denn wenn die Straßen nass seien, dann sei der Lärm lauter, ebenso, wenn der Wind zur Wohnbebauung wehen würde. In die Berechnung des Lärms gehen der durchschnittliche Verkehr ein, die unterschiedlichen Fahrzeugklassen sowie der Tag- und Nachtanteil des Verkehrs.

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Mit in die Berechnung kommen die zulässige Geschwindigkeit und die Art des Fahrbahnbelags, wie Steigungen und Gefälle, der Abstand zur Straße und die Art der Bebauung, wie zum Beispiel geschlossene Häuserfronten. Eine Tempo-Reduktion könne nur dann erfolgen, wenn die Berechnungen eine „Gefahrenlage durch Lärm“ ergeben sollten, sagte Wolfgang Wahl. In seinem Vortrag stellte er weitere Maßnahmen für eine Reduzierung des Lärm vor und legte auch die Ansprüche der Bürger an einen öffentlichen Raum dar, den Gaienhofen mit einer kommunalen Verkehrsplanung umsetzen könnte.

Das sagt der Rat

In der Aussprache fragte Sonja Weber (FWG), ob sich Feuerwehrangehörige beim Einsatz an das Tempo-Limit halten müssten. Blaulichtfahrten seien von den Geschwindigkeitsbegrenzungen ausgenommen, sagte Wahl. Sie sollten die Verkehrssicherheit aber ebenso wahren wie die Feuerwehrleute, die mit ihrem Auto zum Einsatz fahren.

Mechtild Biechele (FWG) zeigte sich irritiert, dass der Lärmschutz in der Bewertung vor beziehungsweise über der Sicherheit von Kindern stehe. Erwin Bohner (UBL) sah im Lärmkataster die Möglichkeit, eine durchgängige Tempo-Reduktion zu bekommen.

Das Thema kommt wieder in den Rat

Wolfgang Wahl möchte nach der Kartierung mit dem Rat diskutieren, welches Tempo angemessen ist. Eine Zusicherung, dass das Tempo reduziert wird, könne er noch nicht geben. Dafür bräuchte es die Berechnungen. Wahl mutmaßte jedoch, dass die Ortschaften von Gaienhofen ähnlichen Belastungen ausgesetzt seien wie auf der Straßen in Moos und Iznang.

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Felix Lang (UBL) wünschte sich bei der Temporeduktion eine Orientierung an der Gemeinde Moos, die das Tempo 40 bevorzugen würde. Wahl erinnerte daran, dass es in Moos einen Ortsteil geben würde, der wegen der Belastung auf Tempo 30 reduzieren müsste.

Karl Amann (UBL) sieht im Fall eines Scheiterns das 20 Jahre andauernde Bemühen um eine Tempo-Reduktion vernichtet. Bürgermeister Maas möchte sich derweil nicht nur für eine Reduktion in den Ortschaften, sondern gemeinsam mit dem Landratsamt, auch auf Landstraßen zwischen den Ortschaften einsetzen. Er möchte darauf schauen, dass bei einer Tempo-Reduktion mittels Lärmschutz die Ermessensausführung unterschiedlicher Tempi rechtlich sauber abgeklärt sei. Dadurch könne es aber auch zu unterschiedlichen Tempo-Begrenzungen in den Ortschaften kommen.