Herr Franke, Sie sind seit August Schulleiter an der Schlossschule Gaienhofen – und damit zum ersten Mal in diesem Amt. Wie haben Sie sich eingefunden?
Sehr gut. Im ersten halben Jahr wollte ich zunächst einmal wahrnehmen, was hier eigentlich passiert, was die Kollegen besonders gut können und als neuer Schulleiter ankommen. Es gibt immer Dinge, die der Vorgänger anders gemacht hat. Ich komme aus einem anderen Schulsystem von der Europäischen Schule in Karlsruhe, in Gaienhofen haben wir eine christlich geprägte Schule. Es hat etwa drei Monate gedauert, ehe ich verstanden hatte, wie das Kollegium hier tickt und andersrum. Dazu kam das ganz normale Tagesgeschäft, ich unterrichte ja auch selbst.
Warum sind Sie nach Gaienhofen gekommen?
Die Stellen im europäischen System sind auf maximal neun Jahre begrenzt, ich war im achten Jahr in Karlsruhe. Ich habe also eine neue Herausforderung gesucht. Die Schlossschule hat sich angeboten, weil ich für diese Art von Schule brenne. Wir haben hier fünf verschiedene Schultypen, das ist spannend. Und ich wollte an eine Schule wechseln, bei der ich einerseits das Digitale, das ich in Karlsruhe acht Jahre lang aufgebaut habe, wiederfinde, und an der es zum anderen Elemente des Montessori-Unterrichts gibt.
Stichwort Montessori: Wie sieht Ihre Idee von Schule aus?
Eine Schule sollte Schüler begleiten, sich Wissen und Kompetenzen selbstständig anzueignen. Mir ist es wichtig, dass dieser Montessori-Gedanke „Hilf mir, es selbst zu tun“ in den Vordergrund gerückt wird. Es geht nicht darum, die Kinder nur mit Wissen zu überhäufen, wie das heutzutage leider zu oft der Fall ist, sondern ihnen beizubringen, Wissen selbst anzuwenden und es zu beurteilen.
Was braucht es, damit das gelingt?
Guter Unterricht gelingt auf drei Ebenen: Lehrer, Schüler und Raum. Denn wenn die Umgebung nicht passt, kommen die Schüler nicht gerne hierher – und dann bringt auch der beste Unterricht nur wenig. Mir ist wichtig, dass es Räume mit Fenstern in alle Richtungen gibt. Cluster, in denen die Schüler eigenständig arbeiten können. Junge und motivierte Lehrer. Und verschiedene Schultypen und Möglichkeiten zum Abitur zu gelangen, wie das hier der Fall ist. Das will ich hier weiterhin umsetzen und fortführen.
Ein neuer Schulleiter bringt aber sicher auch neue Ideen mit. Wie wollen Sie die Schlossschule weiterentwickeln?
Wir bleiben in der Fahrtrinne des Digitalen, aber anders als früher. Sie wird weniger im Fokus stehen. Die Digitalisierung der Schule ist überwiegend erreicht, jetzt geht es darum, Pädagogik und Didaktik ergänzend und weiterentwickelnd reinzubringen, um den Lernenden diese neuen Mittel sinnvoll zu vermitteln und fürs Leben an die Hand zu geben. Noch werden die Geräte zu sehr als Spielzeug wahrgenommen. Zudem möchte ich uns in der Schullandschaft am Untersee weiter etablieren. Dazu setze ich unter anderem auf die Stärkung der Kooperation mit umliegenden Schulen.
Außerdem müssen wir neue Lehrkräfte gewinnen. Wir haben zwar noch keinen Lehrermangel, aber wir krebsen am Rand dazu herum. Ohne Quereinsteiger, die wir einfacher einstellen können als staatliche Schulen, würde es nicht funktionieren. Meine Aufgabe hierbei: Schauen wer und was bringt uns weiter. Wir wollen unter anderem Informatiker sowie Techniker für die Realschule dazu holen, zum Beispiel wird hoffentlich bald eine Maschinenbauerin neu anfangen.
Sie sind nun etwas mehr als 100 Tage im Amt. Was konnten Sie bereits umsetzen?
Große Umbrüche wollte ich so schnell nicht einleiten, weil die Schule bereits sehr gut dasteht. Jeder Umbruch kann auf Widerstand stoßen. So etwas möchte ich erst angehen, wenn ich sicher bin, was ich tatsächlich verändern muss. Wir haben aber einige neue Dinge entwickelt, zum Beispiel fand am vergangenen Freitag zum ersten Mal eine Berufswahlmesse statt, bei der sich neun Firmen aus der Umgebung den Schülern vorgestellt haben.
Zudem habe ich den „Schlossherold“ neu eingeführt, eine Art Newsletter für alle, und die umliegenden Grundschulen besucht, um die Bildungsregion kennenzulernen. Und ich habe zugestimmt, dass das altgediente Segelschiff zum Lernen für die Schüler durch zwei neue moderne ersetzt wurde.
Die Schlossschule wird von der Stiftung der Evangelischen Landeskirche getragen, auch Sie haben einen christlichen Hintergrund. Welche Rolle spielt Religion für Sie in der Schule?
Für uns und für mich persönlich ist es wichtig, bestimmte Werte und Normen durch Kollegen zu leben und so an Schüler zu vermitteln. Dazu gehört für mich Respekt und Achtung für andere Menschen, Anstand und sich in der Gesellschaft einbringen zu wollen.
Die Werte müssen nicht zwingend christlich sein, das können auch atheistische, moralische oder ethische Dinge sein, aber als kirchlich getragene Schule haben wir die Chance, so etwas intensiver umzusetzen. Zum Beispiel veranstalten wir mittwochmorgens eine Andacht, in der Schüler zur Ruhe kommen und über Themen abseits des Unterrichts nachdenken können.
Ist das noch zeitgemäß?
Ja, denn diese Werte gehen in unserer Gesellschaft immer mehr verloren, wie man zum Beispiel an den Krawallen an Silvester gesehen hat. Eines meiner Ziele für meine Zeit hier wird sein, dem ein wenig entgegenzuwirken, indem wir den Schülern Werte fürs Leben mitgeben und diese zu mündigen, werteorientierten Bürgerinnen und Bürgern ausbilden.