Die alte Rheinbrücke zwischen dem schweizerischen Diessenhofen und Gailingen ist weit mehr als nur ein Bauwerk aus Holz. Sie ist ein lebendiges Symbol für das außergewöhnliche Miteinander zweier Gemeinden, die zwar durch eine Grenze getrennt, im Herzen aber eng miteinander verbunden sind. Der zweite kulturelle Begegnungstag hat dies eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Denn der Guggenheimsaal im Jüdischen Museum Gailingen war schon früh gut besucht. Museumsleiterin Ina Appel begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste aus beiden Ländern und lud zu einem Besuch des Hauses ein, ein Ort, der Geschichte atmet und die Bedeutung der Brücke im historischen Kontext unterstreicht. Die Brücke symbolisiert über Jahrhunderte hinweg ein Zeichen für Austausch, Hoffnungen, Verbindungen und Erinnerungen.
Brücke wurde mehrmals zerstört
Die bewegende, wechselvolle Geschichte der Brücke trugen Bürgermeister Thomas Auer (Gailingen) und Stadtpräsident Markus Birk (Diessenhofen) vor. Sie berichteten über die Bedeutung der Brücke für das Zusammenkommen der Menschen, für das Erreichen des rechtsrheinischen Teils des Stadtgebietes von Diessenhofen bis in die napoleonische Zeit, über den regen Handel sowie über die mehrfachen Zerstörungen und den jeweiligen Wiederaufbau. Die Brücke hat viele Kriege überstanden und bot für Verfolgte Fluchtmöglichkeiten im Dritten Reich. Heute ist sie ein wichtiger Pfeiler in der Verbindung der beiden Kommunen am Hochrhein.

Sehr emotional schilderte Bruno Hilpert, ein 90-jähriger Zeitzeuge aus Diessenhofen, dessen Familie aus Gailingen stammt, das Bombardement der Brücke von 1944, dass den nördlichen Brückenkopf sowie das Gailinger Gasthaus Schiff und das Zollgebäude zerstörte. In Diessenhofen wurden damals über 200 Gebäude in Mitleidenschaft gezogen. Reparationen wurden von den Amerikanern in die Schweiz keine geleistet. Die Schweizer Gebäudeversicherung übernahm die Kosten und die Brücke wurde im historischen Stil wiederhergestellt.
Aber auch ein jüngeres Ereignis, nämlich die Absperrung der Brücke während der Corona-Pandemie, habe vor Augen geführt, wie zerbrechlich Verbindungen sein können. Die Erinnerung daran sei wichtig, als Mahnung und als Motivation, das Verbindende zu bewahren. Und das wurde im Anschluss mit viel Herzblut getan.
Auf der historischen Rheinbrücke wurde im Rahmen der Kunstaktion „Brücken bilden“ durch den Schweizer Künstler Adrian Bütighofer ein starkes Zeichen gesetzt: Feuerwehrleute zogen auf beiden Seiten, begleitet von den jeweiligen Musikkapellen aus Gailingen und Diessenhofen, symbolisch zwei Brückenhälften zueinander, wo sie sich an der Mitte, genau an der Staatsgrenze, vereinten – ein Sinnbild für das, was hier gelebt wird: Zusammenhalt und friedliches Miteinander.
Viele packen mit an
Die Kulturbeauftragte der Stadt Diessenhofen, Lucia Angela Cavegn, würdigte in ihrer Ansprache das Engagement unzähliger Menschen: Von den beiden Musikvereinen und den beiden Feuerwehren über den Landfrauenverein Basadingen–Willisdorf bis hin zum Verein für Jüdische Geschichte Gailingen, den Pontonieren, der Fischerzunft, der Freihandbibliothek und der Jugendbetreuung aus Diessenhofen.
Sie dankte den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, allen voran drei Frauen aus der Ukraine, die in Gailingen leben und aktiv am Bau der symbolischen Brücke mitwirkten. Cavegn freue sich, dass grenzübergreifend ein Gemeinschaftswerk geschaffen wurde, das noch lange in den Köpfen der Menschen verankert bleiben werde.
Die beiden Pfarrer Gottfried Spieth von der Evangelischen Kirchengemeinde Diessenhofen und Claudius Stoffel von der Katholischen Pfarrgemeinde Gailingen segneten das Kunstwerk. Sie lobten das, was es ausdrückt, nämlich das Miteinander, Respekt und Menschlichkeit.

„Es braucht nicht die unseligen Mauern und die lebensgefährlichen Grenzen, es braucht nicht die Maschinengewehre und den Egoismus unter den Staaten. Bauen wir eine menschliche, eine kostbare Brücke zueinander, bauen wir alle an einer Zukunft für alle. Darum ist es gut, wenn es Brückenbauer gibt, wenn wir einen solchen Tag auf der Brücke feiern dürfen“, so Pfarrer Claudius Stoffel, der zum Abschluss das Gebet der Vereinten Nationen vortrug.
Zwei Gemeinden vereint
Beim Apéro und dem Konzert der Stadtmusik Diessenhofen am Vereinshaus der Pontoniere direkt am Rhein wurde das gute nachbarschaftliche Verhältnis mit netten Gesprächen und einem fröhlichen Miteinander gefeiert. Dass früher viele Gailinger Kinder in Diessenhofen zur Schule gingen, oder zu Purim hunderte Festgäste aus Zürich und Diessenhofen nach Gailingen kamen, diese Erinnerungen leben genauso wie die Erinnerung an gemeinsame Brückenfeste, Brückengottesdienste und diesen zweiten Kulturellen Begegnungstag weiter.
Und so zog der Künstler Adrian Bütigkofer sein Fazit: „Es war ein super Tag. Ich war sehr begeistert von diesem Anlass, auch wie die Bevölkerung das aufgenommen hat und wie sie darauf reagiert hat, sehr positiv“.

„Das Projekt wird uns lange in Erinnerung bleiben. Das Zusammenführen von zwei Brückenteilen war ein sehr symbolischer Akt. Es hat alle berührt und es hat allen gefallen“, so fasste Bürgermeister Thomas Auer den Tag zusammen.
„Ich freue mich auf viele weitere Anlässe und möglichst viele grenzüberschreitende Kunstprojekte in den kommenden Jahren“, so lautet das Anliegen von Gunar Seitz, dem Künstler und Kurator des Kunstprojektes Brücken bilden und Mitinitiator des Bodensee Kulturraumes.