Oliver Neumann ist ein angenehmer Gesprächspartner. Beim Eintritt in sein modern eingerichtetes Haus in Gailingen wird man freundlich begrüßt. Der Gastgeber bietet einen Sitzplatz mit Blick auf die ausladende Terrasse und Kaffee aus einem futuristisch wirkenden Vollautomaten an. Auch während des Interviews antwortet er bereitwillig und stellt neugierig Rückfragen. Nur eine Sache mag der Mann mit dem grau-schwarzen Bart nicht: fotografiert werden. „Ehrlich, muss das sein?“, fragt er, als die SÜDKURIER-Fotografin die Kamera zückt – und für einen Moment ist statt eines entspannten Lächelns fast ein bisschen Angst auf seinem Gesicht abzulesen.
Wohler fühlt sich der 41-Jährige auf der anderen Seite des Objektivs. Oliver Neumann ist nebenberuflicher Fotograf. Seit drei Jahren durchstreift er den Hegau auf der Suche nach möglichst schönen Motiven. "Schon meine Mutter hat in einem Fotostudio gearbeitet", erzählt er. Bei ihm war es die Hochzeitsreise nach Australien, die das Interesse am Fotografieren mit der Spiegelreflex-Kamera geweckt hat. "Die war damals noch von einem Freund ausgeliehen", erinnert er sich. Richtig gepackt hat ihn die Leidenschaft dann, als ihm seine Frau 2015 eine eigene Kamera zu Weihnachten schenkte. "Wenn sie damals gewusst hätte, was sie damit auslöst", sagt er schmunzelnd. Fast drei Jahre und 10 000 Bilder später, fotografiert der Familienvater für ein internationales Publikum. Im Moment liegt die Zahl der Fans, die seine Fotos regelmäßig über den Internet-Dienst Instagram (siehe Infokasten) verfolgen, bei 2256. Tendenz steigend.

Stolz ist Neumann darauf, dass der Fotohersteller Nikon eines seiner Bilder im Netz geteilt hat. Die britische Automarke Mini habe sogar schon mehrere seiner Fotos erworben. "Ich fahre selbst einen Mini", erklärt er. Und wenn er sich darin auf Fotosafari durch die Region begibt, kommt dabei oft auch ein schönes Bild vom Auto zustande. Neumann eigentliches Faible sind allerdings Landschaftsaufnahmen. "Ich bin in Berlin aufgewachsen, wo man immer nur bis zur nächsten Häuserfassade sehen kann", sagt der Fotograf, der hauptberuflich bei einem Pharmakonzern in Schaffhausen tätig ist. "Deshalb finde ich die Weite hier in der Region faszinierend."

Wenn er durch den Hegau fährt, passiert es nicht selten, dass er kurz anhält, um sich seinen Standort ins Smartphone einzuspeichern. "Dann weiß ich: Hierhin muss ich mit der Kamera zurückkommen." Vorzugsweise morgens. "Beim Familienurlaub kann es schon mal sein, dass ich mir den Wecker für fünf Uhr früh stelle, um schöne Strandbilder zu schießen", gibt er lachend zu. Auch wenn seine Frau und seine acht Jahre alte Tochter dafür nur bedingtes Verständnis hätten: Neumann sagt, dass er in solchen Momenten, in denen er geduldig auf die passenden Licht- und Schattenverhältnisse wartet, wunderbar abschalten kann.

Für die Zukunft hat er sich vorgenommen, seine Kamera noch öfter auf Personen zu richten. "Ich würde gerne mehr Porträtaufnahmen machen", sagt Oliver Neumann. Im Moment sucht er deshalb noch nach Menschen, die bereit sind, für ihn Modell zu stehen. Nach dem Fototermin mit dem SÜDKURIER kann er potenziellen Interessenten aber in jedem Fall Entwarnung geben: So schlimm ist es gar nicht, fotografiert zu werden. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Eine Fotoausstellung mit den Aufnahmen von Oliver Neumann wird ab Samstag, 15. September, zwei Monate lang im Gailinger Jugendwerk zu sehen sein. Wer seine Aufnahmen im Internet sehen möchte, findet Oliver Neumann bei Instagram unter dem Nutzernamen Neumiver – oder unter: http://www.instagram.com/neumiver
So gelingt das Traum-Foto
Oliver Neumann hat sich das Fotografieren mithilfe von Büchern und Ratgebervideos beigebracht. Innerhalb von drei Jahren hat er enorme Fortschritte gemacht. Heute fotografiert Neumann nebenerwerblich. Dem SÜDKURIER verrät der 41-Jährige, worauf es ihm bei einer gelungenen Aufnahme ankommt.
- Tageszeit: Fotografen sollten keine Langschläfer sein. Zumindest lohnt es sich aus Sicht von Oliver Neumann, früh am Morgen auf Motivsuche zu gehen. „Wenn es noch neblig ist, entstehen oft tolle Aufnahmen.“ Wer es so früh nicht aus den Federn schafft, dem empfiehlt der Foto-Experte die Zeit um den Sonnenuntergang. Wichtig dabei: Kamera oder Handy noch nicht einpacken, sobald die Sonne weg ist, wie viele Touristen das tun. „Danach erst fangen die Wolken an, zu leuchten – und das sieht richtig genial aus“, findet der Mann aus Berlin.
- Lichtverhältnisse: Bevor wild drauf-los-geknipst wird, sollte man sich der Lichtverhältnisse bewusst werden. „Gegenlicht kann zum Beispiel super schön aussehen“, sagt Oliver Neumann. Tolle Effekte können aber auch entstehen, wenn Licht seitlich auf das Motiv trifft, das man fotografieren möchte. Fotografieren bei Sonnenschein und komplett blauem Himmel macht dagegen wenig Sinn. „Dann entstehen dunkle Schatten unter den Augen, wenn man Menschen fotografiert.“ Neumann macht seine Bilder lieber bei diffusen Lichtverhältnissen.
- Perspektive: Es empfiehlt sich, in Bodennähe zu gehen, rät Neumann. „Wenn ich zum Beispiel einen schönen Steg fotografieren möchte – etwa in Stein am Rhein oder auf der Mettnau – gehe ich bewusst mit der Kamera nach unten. Dann zieht es dich direkt ins Bild rein“, beschreibt der Fotograf. In seinen Augen gilt generell: „Perspektivwechsel lohnen sich!“
- Bildausschnitt: Der Goldene Schnitt bezeichnet eine Bildaufteilung in einem Teilungsverhältnis, das grob einem Drittel zu zwei Dritteln entspricht. Werden an diesen Achsen für das Foto wichtige Elemente platziert, wird der Bildaufbau als harmonisch empfunden. Oliver Neumann formuliert es verständlicher: „Es lohnt sich, das, was ich fotografieren möchte, nicht direkt in die Mitte zu setzen.“ Will man einen Sonnenuntergang fotografieren, sollte man den Horizont nicht ins Bildzentrum setzen. Gleiches gilt für den Kopf des Models bei einer Porträt-Aufnahme. (das)