Ein Baum musste gefällt werden, als vor vielen Jahren der Büsinger Fußballclub erste Erfolge feierte. Den Fußballspielern des 1924 gegründeten Vereins stand eine Walnuss im Weg, die genau im Strafraum des ersten Fußballplatzes gewachsen ist. Alte Büsinger konnten noch davon erzählen, wie der wackere Baum immer erst von der Heimmannschaft oder in der zweiten Halbzeit vom Gegner umtrippelt werden musste, bevor es zum Torschuss kommen konnte. Manch Büsinger kennt die Anekdote.

Im Vorfeld des Jubiläums stöberten nun Vereinsmitglieder des FC in den noch vorhandenen Vereinsprotokollen und stießen dabei auf ein Dokument, das ihnen wie ein Fußballsommer-Märchen vorkam. Doch es ist kein Märchen, sondern bestätigt die Geschichten von einst.

Walnussbaum im Strafraum

Der damalige Schriftführer des FC-Büsingen, Ernst Krause, notierte am 22. Mai 1927 in das Protokollbuch eine merkwürdige Begebenheit: „Heute ist Samstag und schönes Wetter. Auf unserem Sportplatz herrscht reges Treiben. Ein Teil der Leute ist damit beschäftigt, Steine abzulesen und mit Sägemehl Linien zu streuen, während sich die anderen beim Training tummeln. Aller hat sich eine gewisse Spannung bemächtigt, denn morgen soll das 2. Wettspiel Randegg 1 gegen Büsingen 1 stattfinden. Der Spielplatz ist in bester Ordnung, nur der einfältige Simpel von Nussbaum steht noch da in seinem alten Trotz und seiner Unbequemlichkeit.“

Zur Eröffnung des neuen Kunstrasenplatzes spielte eine Legenden-Mannschaft des FC Schaffhausen gegen das Alte-Herren-Team des FC Büsingen.
Zur Eröffnung des neuen Kunstrasenplatzes spielte eine Legenden-Mannschaft des FC Schaffhausen gegen das Alte-Herren-Team des FC Büsingen. | Bild: Daniel Koch

Gegen Abend sei Otto Rudolf, der Eigentümer des Platzes, auf der Bildfläche erschienen und nach eingehendem Gespräch mit Spielführer und Präsident wurde eine Entscheidung getroffen. Der Büsinger Gottlieb von Ow habe etwas aufgeschnappt, das sich wie „Nussbaum umhauen und Maul halten“ angehört habe. Danach sollen sich die Fußballfreunde wieder nach Hause begeben haben, um sich abends bei einem gemütlichen Hock im Löwen zu versammeln.

Nach 22 Uhr seien sie wieder aufgebrochen, als Ernst Güntert die Botschaft überbracht habe, man könne dem Nussbaum das Lebenslicht ausblasen. „Es bewaffnen sich nun Joseph, Jakob, P. und Karl von Ow, Ernst Sigg und Max von Ow mit Pickeln, Schaufeln, Äxten, Seilen und etwa fünf rostigen Stalllaternen und um 23 Uhr zieht der schaurige Zug hinaus auf den Sportplatz“, steht im Vereinsprotokoll geschrieben.

Deutschland oder Schweiz? Der FC Büsingen ist beides, ein deutscher Verein, der ausschließlich am Schweizer Spielbetrieb teilnimmt. ...
Deutschland oder Schweiz? Der FC Büsingen ist beides, ein deutscher Verein, der ausschließlich am Schweizer Spielbetrieb teilnimmt. Dadurch bleiben dem Club bislang allerdings Fördermittel verwehrt, die andere Clubs erhalten. BILD: DANIEL KOCH | Bild: Daniel F. Koch

Und weiter: „Unter viel Gegröl, Gefluch und Gelächter wird der Baum umgraben und endlich mit Hilfe eines Seils daran gezogen. Aber so schnell fällt der Baum nicht. Immer wieder zehn Schaufeln und noch mal zehn Schaufeln werden herausgeworfen und endlich gibt er ein klein wenig nach. Max, schon in Todesangst um sein bisschen Leben, springt nach hinten und bums hat unser Kassier seinen Schädel zu spüren bekommen und ist im Besitz einer prachtvollen Bulldoggnase. Das Blut, das nun fließt, wird mit viel Mühe in das gegrabene Loch geleitet, aber der Baum steht immer noch. Fünf bis sechs Mal wird er ganz auf die Erde gezogen und wieder senkrecht aufgestellt und nach einer anderen Seite gerissen. Doch endlich gibt es einen Krach und der Baum liegt endgültig.“

Das könnte Sie auch interessieren

Nachdem ein Vaterunser für ihn gebetet worden sei, hätten ihn die Männer geschultert und mit vereinigter Fußballerkraft über den Platz getragen. Nachdem das Loch zugedeckt war, rüstete man sich zum Aufbruch, denn es war spät geworden und am nächsten Tag werde es alle Kraft brauchen, um ein ehrenhaftes Resultat zu erringen. „Ein kräftiges Hipp-hipp-hurra und jeder stieg zähneklappernd in seine Klappe“ – so endet Ernst Krauses Eintrag im Protokollbuch des FC Büsingen.

Wiedergutmachung kommt viele Jahre später

Nun, da der FC Büsingen sein 100-jähriges Bestehen feiert, gedachten die Fußballer jener Tage und haben der Gemeinde einen Walnussbaum geschenkt – als eine Art Wiedergutmachung.