Das rote Trikot mit dem Bundesadler und der Spielernummer 3 ist sein ganzer Stolz. Seinen Fußball hat Jonas Malkmus zum Gespräch mit dieser Zeitung auch gleich mitgebracht. Für den 26-Jährigen ist Fußball sein Leben. Dabei ist das alles andere als selbstverständlich, denn der junge Mann kämpft immer noch mit den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls in seiner Kindheit. Ein unachtsamer Moment, der das Leben des damals Siebenjährigen komplett verändert hat. „Ich bin über die Straße gerannt, um schnell nach Hause zu kommen“, erzählt er. Das Auto auf der Gegenfahrbahn hatte er nicht gesehen.
„An die ersten sieben Jahre meines Lebens kann ich mich überhaupt nicht erinnern“, sagt Jonas Malkmus. Mit einer schweren Hirnverletzung wurde er damals in die Neurochirurgie in Offenbach eingeliefert. Ein Behandlungs- und Reha-Marathon begann, der bis heute andauert. Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie, Schwimmen. Jonas Malkmus musste alles neu lernen.
„Am Anfang konnte ich gar nichts“, sagt er. Die schwere Hirnverletzung hat bleibende Schäden verursacht. Die Diagnose lautet: Cerebralparese (CP). „Damit sind unter anderem neurologische Symptome gemeint, die zu motorischen Beeinträchtigungen führen“, erklärt Andrea Jagode, Sprecherin des Hegau-Jugendwerk (HJW), das Krankheitsbild.
Nach der Zeit im Akut-Krankenhaus und fünf Wochen Wachkoma kam Jonas Malkmus zur Rehabilitation ins HJW Gailingen. Das war 2007. „Da war alles noch frisch. Mit der Physio- und Ergotherapie konnte ich deutliche Fortschritte machen. Das hier ist eine Top-Einrichtung. Hier kann ich konsequent an meinen Zielen arbeiten“, erklärt der junge Mann. Von Anfang an war der Leiter der Physiotherapie, Stefan Daub, sein enger Begleiter. „Daraus ist fast so etwas wie Freundschaft geworden“, sagt der 26-Jährige.

Jetzt ist er zum achten Mal für sechs Wochen hier. Diesmal geht es um die Verbesserung der Feinmotorik und den Muskelaufbau in der am meisten geschädigten linken Körperhälfte. Anfangs benötigte er einen Rollstuhl.
Nationalmannschaft mit anderen Betroffenen
Seit acht Jahren spielt er im rechten Mittelfeld der Deutschen CP-Nationalmannschaft. Es werden internationale Turniere ausgetragen. Auf kleinerem Spielfeld und mit kleinerer Mannschaft. Jeweils sieben Spieler treten gegeneinander an. Jeweils eine Teilnahme an Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft pro Jahr finanziert der deutsche Behindertensportverband. 2021 holte Jonas Malkmus mit seiner Mannschaft Gold.
„Für mich ist es eine große Ehre, Deutschland zu repräsentieren“, sagt er und möchte damit anderen Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen. „Ich kann nur jedem nach so einem Trauma raten, sich auszuprobieren und über sich hinauswachsen zu wollen. Vieles ist erreichbar. Die größte Behinderung ist die, die man sich selber stellt.“
Plötzlich kickt er mit dem SV Gailingen
Deutschlandweit gibt es rund 170 Fußballspieler mit einer Cerebralparese, und es könnten mehr Kicker werden. Schon als Vierjähriger hat Jonas Malkmus mit seinem älteren Bruder im Verein gekickt. Wieder Fußball zu spielen, das war auch nach dem Unfall ein starker Antrieb. „Die motorische Rehabilitation beinhaltet ein intensives Training, bei dem auch viel gekickt wird“, erklärt Andrea Jagode. Hier kam für Jonas Malkmus auch Steffen Grotta, Sporttherapeut im HJW, ins Spiel. Als lizenzierter Trainer versteht er viel von Fußball.
Zwei Stunden Sport gehören für Jonas Malkmus zum täglichen Reha-Programm im Jugendwerk. So kam er auch auf die Idee, beim SV Gailingen anzufragen, ob er in der hiesigen Fußballmannschaft mit trainieren dürfe. Der Verein stimmte zu. Und so war er kürzlich bei einem Testspiel mit auf dem Platz.
Jugendwerk hilft bei der Feinmotorik
Ein ansteckender Optimismus geht von dem jungen Mann aus, wenn er vom Fußball, von seinem Leben und von seinen Plänen erzählt. Gerade hat er im Haus seiner Eltern eine Eigentumswohnung im Dachgeschoss gekauft. „Ich kann ja Treppen steigen“, erklärt er mit einem Lächeln. Die Realschule hat er nach dem Unfall in seiner alten Klasse mit Hilfe von Schulbegleitern fortgesetzt und abgeschlossen. Danach hat er eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert. Heute arbeitet er als IT-Dienstleister in seiner Heimatgemeinde bei Aschaffenburg.
Kommunikation liegt ihm. Er schreibt Wartungsangebote und -verträge für große Rechenzentren und betreibt Marketing. Auch hier will er sich stets verbessern, weshalb er im Hegau-Jugendwerk diesmal angetreten ist, um gezielt seine Feinmotorik zu verbessern.
Jonas Malkmus spricht sehr wertschätzend, reflektiert und dankbar über seine Rehabilitation. Sein Optimismus scheint ungebrochen. Wie schafft er das? „Ich habe sehr viel Unterstützung von meinen Eltern bekommen, und meine Freunde waren immer für mich da“, sagt er. In Deutschland werde sehr viel für Inklusion getan, so seine Wahrnehmung. Das mache Mut. Ihn haben die Reha-Angebote gestärkt und seine Selbstständigkeit ermöglicht.
Fußballer will ein Vorbild sein
Seine Laufbahn in der Fußball-CP-Nationalmannschaft begann nach einem Facebook-Aufruf des Bundestrainers. Malkmus hatte sich ständig über Möglichkeiten im Fußball informiert und dann selbstständig den Kontakt aufgenommen. „Ich habe immer nur nach vorne geschaut“, sagt der 26-Jährige. „Ich habe einen enormen Lebenstrieb.“ Das möchte er auch anderen Jugendlichen mit Beeinträchtigungen vermitteln.
Fußball trotz allem: Sporttherapeut Steffen Grotta vom Hegau-Jugendwerk bietet Fußballinteressierten Hilfe an. Er könnte sich vorstellen, bei Bedarf eine solche Mannschaft aufzubauen, um Jungen wie Jonas Malkmus die Chance zu geben, ihren Fußballtraum zu leben. Kontakt zu Jonas Malkmus ist via Instagram möglich (cpfussball und jo.mal3) oder zu Steffen Grotta per E-Mail an steffen.grotta@hegau-jugendwerk.de