Anina Kemmerling und Albert Bittlingmaier

Verspätungen, Zugausfälle und überfüllte Waggons. Altbekannte Dinge, die zum Alltag für Jeden geworden sind, der sich für die Bahn und gegen das Auto entscheidet. Obwohl die Problematik schon seit Jahren bekannt ist, verändert sich nichts. Besonders ärgerlich ist die Situation für Schüler und Berufspendler, die frühmorgens den Weg von Gottmadingen nach Singen beschreiten müssen. Die Regionalbahn, die von Schaffhausen nach Singen fährt und um 7.20 Uhr in Gottmadingen hält, füllt sich unterwegs mit derartig vielen Fahrgästen, dass die Pendler von Glück reden können, wenn sie in Gottmadingen noch in den Waggon passen. Dieses Bild bietet sich immer wieder, wenn auch Vertreter des SÜDKURIER an Ort und Stelle die Situation ausloten.

Großes Gedränge herrscht in den frühen Morgenstunden am Gottmadinger Bahnhof vor dem Zug, der überwiegend Schüler nach Singen befördert.
Großes Gedränge herrscht in den frühen Morgenstunden am Gottmadinger Bahnhof vor dem Zug, der überwiegend Schüler nach Singen befördert. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Viele Passagiere bleiben hilflos am Bahnsteig stehen, kommen zur spät zur Schule oder zur Arbeit und müssen 25 Minuten auf den nächsten Zug nach Singen warten. Wer das Glück hat, es bei in den überfüllten Waggon zu schaffen, gerät mitten in das große Chaos: Fünftklässler, die Rücken an Rücken ihre Schul-Rucksäcke aneinander quetschen. Erwachsene, die an die schon beschlagenen Fensterscheiben des Zugs gedrückt werden. Von einer angenehmen Zugfahrt, auch wenn diese nur fünf Minuten beträgt, ist längst nicht mehr zu sprechen. „Es ist frustrierend. Ich bin schon froh, wenn ich bei dem Gedränge in den Zug komme. Das gelang mir nicht immer“, sagt ein Schüler am Gottmadinger Bahnhof, der namentlich nicht genannt werden will.

Problem gibt es schon länger

Schon seit Längerem wird im Gottmadinger Gemeinderat über die Bahnproblematik gesprochen. Für eine Resolution, die mehr Informationen über die Anzahl der Waggons und möglichen Strafgeldern einfordert, stimmten die Gemeinderatsmitglieder einstimmig. „Die Bahn schuldet eine Transportleistung“, fordert Bürgermeister Michael Klinger. Ein Busersatzverkehr werde zwar bereits von der Bahn bereitgestellt, jedoch brauche dieser rund 20 Minuten nach Singen, wodurch es Schüler nicht mehr pünktlich zum Unterrichtsbeginn in die Schule schaffen würden. „Wir müssen überprüfen, was bestellt wird, und wir brauchen grundsätzlich einen Waggon mehr“, sagt Abgeordnete Piratheepa Thileepan von den Freien Wählern. Oft verkehre die Regionalbahn zu dieser Uhrzeit nur mit einem Waggon, was nicht einmal die Hälfte der benötigten Kapazität abdecke.

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Eine versuchte Lösung des Problems ist an Bahnsteigen in Schaffhausen erkennbar: Hier werden Schüler mit dem VHB-Ticket gebeten, in den zehn Minuten später abfahrenden Schnellzug nach Singen einzusteigen. Anstelle von zusätzlichen Waggons sollen die bereits bestehenden Wägen dadurch entlastet werden.

Verwirrung um Schnellbus

Anfang Dezember ersetzte ein Schienen-Ersatzverkehr die Züge zwischen Schaffhausen und Singen. Grund dafür waren Bauarbeiten an der Brücke Schlachthausstraße. Pendler aus Schaffhausen hatten hierbei die Möglichkeit für die Hin- und Rückfahrt einen Schnellbus in Anspruch zu nehmen, der ohne Zwischenstopps nach Singen fährt. Doch auch hier kam es zu Verwirrung: Eine entsprechende Kennzeichnung der Schnellbusse gab es nicht. So kam es vor, dass ein Pendler, der die Heimfahrt nach Gottmadingen antreten wollte, in den Schnellbus nach Schaffhausen einstieg und am gewünschten Zielort vorbeifuhr.

Frust wegen Ersatzverkehr

Ein weiterer Schienenersatzverkehr ersetzte kürzlich die Zugstrecke zwischen Engen und Singen und verärgerte an einem Wochenende Dieter Schamberger und seine Familie, die regelmäßig die Bahn nutzen. „Es war 13 Uhr, als ich und meine Familie von Mühlhausen-Ehingen aus, den Weihnachtsmarkt in Konstanz besuchen wollten“, schildert Schamberger. Dazu mussten sie den Schienenersatzverkehr nach Singen in Anspruch nehmen. Nachdem der erste Bus gar nicht erst erschien, fuhr der zweite an Dieter Schamberger und seiner Familie vorbei. „In den dritten Bus schafften wir es, jedoch fuhr dieser in die verkehrte Richtung und verfrachtete uns nach Engen.“

Menschen steigen in den Bus als Schienenersatzverkehr ein. Auf den ersten Blick ist er als solcher aber nicht ersichtlich. Auch das ist ...
Menschen steigen in den Bus als Schienenersatzverkehr ein. Auf den ersten Blick ist er als solcher aber nicht ersichtlich. Auch das ist ein Kritikpunkt. | Bild: Bittlingmaier, Albert

In Engen fand die Familie den richtigen Bus nach Singen. Nach drei Stunden Fahrt erreichten sie ihr Ziel und kamen um 16 Uhr in Singen an. „Die Lust, auf den Weihnachtsmarkt nach Konstanz zu gehen, ist in dieser Zeit vergangen“, klagt Dieter Schamberger. Und nach kurzem Beine-Vertreten in Singen beschlossen sie, um 18.30 Uhr zurück nach Mühlhausen zu fahren. Der entsprechende Bus zur Rückfahrt fuhr ebenfalls an ihnen vorbei, „der war überfüllt“, schildert Schamberger. Um 19 Uhr erreichte sie ein weiterer Bus, dieser fuhr jedoch nicht weiter, als zum Singener Rathaus. Die Nerven lagen blank, der Besuch des Konstanzer Weihnachtsmarkts ins Wasser gefallen. „Um 19.30 Uhr ließen wir uns dann mit dem Auto abholen“, beschreibt Dieter Schamberger das klägliche Ende des Familienausflugs.

Ein Pendler ist genervt

Der Gottmadinger Stefan Burger kämpft auch regelmäßig auf der Pendler-Fahrt zwischen seinem Wohnort und der Arbeitsstätte Bodman-Ludwigshafen mit den Tücken des regionalen Schienenverkehrs – insbesondere, wenn die Linien während Bauarbeiten von Bussen bedient werden. Gerade bei Verbindungen am frühen Morgen, die fast ausschließlich Pendler nutzen, gebe es große Probleme, Anschlusszüge in Richtung Bodensee und Tuttlingen zu erreichen. „Von Gottmadingen bis Ludwigshafen benötige ich eine Stunde und elf Minuten.

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Da wäre ich mit dem Fahrrad fast schneller. Derzeit ist dazu aber nicht das richtige Wetter“, erklärt Burger mit einem Anflug von Sarkasmus. Der Fahrgast werde auch nicht rechtzeitig über Online von der Deutschen darüber informiert, wann und wie lange sie Ersatz-Verkehre einrichte und wie der Fahrplan aussehe. Pendler seien Menschen, die dringend zu bestimmten Zeiten zur Arbeitsstätte gelangen müssten und nicht immer ohne Weiteres auf das Auto umsteigen könnten. Als treue Bahnkunden zahlten sie jährlich auch ihr Abo-Ticket.

Enttäuscht über Bahn-Antwort

Burger hat seine Kritik auch direkt an die Bahn gerichtet. „Ich habe allerdings nur eine lauwarme Antwort erhalten“, zeigt sich der Gottmadinger enttäuscht. Die Bahn beruft sich auf die Notwendigkeit der Baumaßnahmen, um an vielen Stellen das Streckennetz zu verbessern. „Wenn eine geplante Baumaßnahme Auswirkungen auf den Fahrplan hat, arbeiten wir sie in unsere Auskunfts- und Buchungssystem ein. Leider ist dies manchmal erst kurz vor Baubeginn möglich. Ich verstehe gut, dass Bauarbeiten- ob langfristig geplant oder kurzfristig erforderlich – Ihren persönlichen Reiseweg beeinträchtigen“, schreibt die Bahn an Burger. Seine Hinweise habe sie an die zuständigen Abteilungen weitergeleitet, damit diese bei zukünftigen Baumaßnahmen berücksichtigt werden können.

Der SÜDKURIER wartet noch auf Antworten der Bahn auf gestellte Fragen zu allen aufgeführten Problemen. Es gibt bislang noch keine Reaktion.