Die Ablehnung kommt nicht nur aus den Reihen des Gemeinderates. Sie kam zuvor auch schon von Nachbarn. Es geht um ein kleines Wohngebiet in Gottmadinger Ortsteil Bietingen, das geprägt ist von Einfamilienhäusern. So wie fast überall im Dorf. Doch nun soll ein älteres Gebäude in der Hohackerstraße abgerissen und durch drei Reihenhäuser ersetzt werden. So jedenfalls haben sich das die Bauherren vorgestellt. Doch der Plan geht nicht auf.
Viel zu eng, zu dicht bebaut, sei das Vorhaben, hässlich bis zum Rand, richtig furchtbar. Die Stimmen gehen durcheinander in der Bewertung. Doch Stadtplaner Markus Toepfer weist darauf hin, dass sich diese drei Reihenhäuser in das Gebiet einfügen würden. Dieser Begriff aus dem Baurecht sagt nichts über Geschmacksfragen aus. Er wird immer dann angewendet, wenn es für ein Gebiet keinen Bebauunsplan gibt und sich die neueren Projekte an die Nachbarhäuser anpassen müssen. Dann kommt der berühmte Paragraph 34 aus dem Baugesetzbuch zum Tragen. Dabei geht es nicht um das Aussehen, sondern um die Höhe eines Gebäudes, um die Ausnutzung der Fläche und die Lage auf dem Grundstück. Konkret liest sich das so: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.“
In der aktuellen Situation wäre die Höhe kein Problem, wohl aber die Ausrichtung des Gebäudes auf dem Grundstück. Wie ein rechteckiger Karton, der wiederum aus vor- und rückspringenden Würfeln besteht, würden sich die drei Häuser längs in das Grundstück hineinschieben. Die Bewohner der Häuser würden direkt auf die Nachbargrundstücke schauen und umgekehrt. Die Privatsphäre wäre verloren. Dagegen hatten die Nachbarn Widerspruch eingelegt.
Doch was lässt sich in so einer Situation tun? Markus Toepfer hatte mit seiner Empfehlung an die Bauherren, sich auf ein Doppelhaus zu beschränken, keinen Erfolg. Außerdem setzt die Gemeinde angesichts des immer knapper werdenden Baulandes auf Nachverdichtung im Kernort und den Ortsteilen. Bürgermeister Michael Klinger hatte in seinem Wahlkampf immer wieder davon gesprochen, dass dem Flächenfraß Einhalt geboten werden müsse. Wie passt also die innere Ablehnung dieses Bauantrages zu diesen Zielen? Und wieviel Gestaltungsmöglichkeit hat eine Gemeinde, wenn schon die Geschmacksfrage nicht als Kriterium zählt?
In der Diskussion ließen die Gemeinderäte keinen Zweifel daran, dass sie die Verdichtung auf dem Grundstück zu massiv finden. Walter Beyl (FWG) erhielt für diese Einschätzung viel Zustimmung. Dieser Entwurf schieße deutlich über das Ziel hinaus. Doch wie lässt sich ein Vorhaben verhindern, das nach Mehrheitsmeinung überhaupt nicht ins Straßenbild passt? Bernhard Gassner (SPD/UL) bringt eine Veränderungssperre ins Gespräch. Doch als einziges wirksames Mittel ziehen die Räte schließlich eine letzte Trumpf-Karte aus dem Ärmel: eine Bauleitplanung. Das heißt, dass ein Bebauungsplan aufgestellt werden soll, der dem Gebiet einen gestalterischen Rahmen gibt. Solche Pläne legen beispielsweise Baulinien und die Gebäudehöhe fest. Sie schreiben Dachformen vor und legen Pflanzrichtlinien fest. Der Bebauungsplan ist das Steuerungselement der Kommunen, an das sich die Bauherren zu halten haben. Er soll Wildwuchs verhindern. Dass er jetzt für ein Gebiet aufgestellt werden soll, das eigentlich weitgehend bebaut ist, hat nichts mit Vision, sondern nur etwas mit Reaktion zu tun.