Welche Projekte stehen bis zum Jahreswechsel in Gottmadingen an? Aktuell scheint es so, als ob die Gemeinde viele Baustellen hat.

Es gibt wahnsinnig viele Projekte, die wir gleichzeitig versuchen voranzutreiben. Wir sind mit der Sanierung der B34 fertig, auch wenn es dort zu Verzögerungen kam. Wir kommen ein Riesenstück mit der Straßensanierung, dem Kanalbau und dem Nahwärmenetz in Ebringen voran. Das sind zwei Riesentiefbauprojekte. Aber vielleicht sollten wir auch mal sagen, was wir dieses Jahr sonst noch abgeschlossen haben.

Das wäre die nächste Frage gewesen.

Wir haben den Spielplatz Riedwies abgeliefert und mit den Freuenden der Waldorfpädagogik den Naturkindergarten am Katzental eröffnet. Wir werden bis zum Jahresende den Anbau der Halle in Randegg fertigstellen. Anfang nächsten Jahres kann sie voll genutzt werden. Wir haben auch die neue Drehleiter für die Feuerwehr auf den Weg gebracht. Auch beim Belegen aller noch freien Dächer der Gemeindegebäude mit PV-Anlagen kommen wir dieses Jahr fast durch. Es gibt aber auch ein Projekt, bei dem ich mir wünschen würde, dass wir weiter wären: den Glasfaser-Ausbau. Bis Ende des Jahres wollen wir wissen, wer bei uns die Tiefbauarbeiten vornimmt. Natürlich ist dies eine Verzögerung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan und ärgerlich, aber weder die Gemeinde, noch die netcom-BW können etwas für die Insolvenz des beauftragten Tiefbauunternehmens. Unsere Bürger brauchen noch ein bisschen Geduld, aber das schnelle Internet wird kommen. Der Umbau des Medizinischen Versorgungszentrums wird nicht zum Ende des Jahres fertig, aber der Bauprozess am zukünftigen Standort, der alten Sparkasse, hat begonnen. Wir liefern bis zum Jahresende sogar noch die Bebauungspläne für zwei Solarparks an – ein dritter ist fast fertig. Es ist abartig viel und über die Flüchtlingsunterbringung und das Areal der alten Realschule haben wir noch gar nicht gesprochen.

So viele Projekte: Braucht das Rathaus nicht mehr Mitarbeiter?

Wir sind ehrlich gesagt am oberen Anschlag. Wir kämpfen auch schon, weil wir Stellen nicht besetzt bekommen – etwa im Tiefbau. Aber auch in vielen anderen Bereichen wächst uns die Arbeit über den Kopf.

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Apropos Baustelle: Wurde die Geduld der Bürger bei der B34 überstrapaziert?

Die Geduld wurde strapaziert, das ist mir klar. Die Erhaltung der Infrastruktur in den Gemeinden ist eines der zentralen Themen. Die Infrastruktur in Deutschland insgesamt ist viel zu lange vernachlässigt worden. Die Brücke über den Riederbach ist grundsaniert worden, unglaublich viele Leitungen wurden verlegt. Die Erwartung, dass dies alles in vier Wochen zu schaffen ist, ist illusorisch.

Die Finanzsituationen der Gemeinden sind angespannt. Haben Sie Sorge, dass sich Gottmadingen kaputtsparen muss?

Noch nicht. Wir kommen aus einer Zeit der finanziellen Stärke. Aber ich sehe kommen, dass wir bald wesentlich kleinere Brötchen backen müssen. Das wird eine ganz harte Umstellung. Kreisumlage, Klinikneubau, zu viele Projekte, zurückgehende Einnahmen – ich habe Bedenken, wie das weitergehen soll. In Zukunft wird es härtere Diskussionen darüber geben, was zu priorisieren ist, was gleich stattfinden und was warten muss. Es geht nicht darum, jeden Wunsch zu erfüllen, sondern zu entscheiden, was für eine Gemeinde unverzichtbar ist. Ein weiteres Problem: Wir bekommen immer mehr Aufgaben übergestülpt, ohne aber eine ausreichende Finanzierung dafür zu bekommen. Beispiele sind die Flüchtlingsunterbringung und der Ausbau der Ganztagsbetreuung auch an den Grundschulen. Wir scheuen uns nirgends im Hegau, die Aufgaben auf örtlicher Ebene zu leisten – aber dafür brauchen wir eine ausreichende Finanzierung.

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Wenn Sie als Bürgermeister entscheiden könnten: Welche Projekte würden Sie streichen, um zu sparen?

Das ist eine schwierige Frage und nur streichen greift zu kurz. Ich will es mal versuchen, zu erklären, anhand der alten Eichendorff-Halle. Wenn sich das Quartier 2020 entwickelt, wird die Halle irgendwann in einem zweiten Strich weichen müssen. Aber die finanziell eingeschränkte Situation und andere wichtige Aufgaben werden vielleicht dazu führen, dass dies möglicherweise viel später passieren wird, als wir uns das wünschen – später, aber nicht gar nicht. Priorisieren heißt nicht, endgültig streichen, sondern Dingen in eine Reihenfolge zu bringen.

Wie kann die Gemeinde die Einnahmenseite stärken? Oder anders gefragt: Wann schlagen Sie dem Gemeinderat eine Gebührenerhöhung vor?

Die zwei größten Hebel auf kommunaler Seite sind die Grund- und Gewerbesteuer. Aktuell sehe ich die Zeit noch nicht gekommen, um über Steuererhöhungen zu diskutieren. Die Diskussion werden wir dann führen müssen, wenn wir notwendige Projekte nicht mehr finanzieren können. Vorher nicht! Dann aber ist die Diskussion darüber angebracht entweder Projekte langsamer durchzuführen oder für mehr Einnahmen zu sorgen.

Bis zum 30. Juni 2025 soll die alte Eichendorff-Realschule vom Landkreis als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Wie sieht dort das weitere Vorgehen aus?

Es werden sehr sicher Mitte Juni 2025 keine Bagger auf das Areal rollen. Wir entwickeln mit den Preisträgern aus dem Wettbewerb für die Bebauung dieses Areals in aller Ruhe die notwendigen Bebauungspläne. Der große Zeitdruck wie zu den Hochzeiten des Immobilienbooms ist aber ein Stück weit raus. Ich will es mal so sagen: Wir entwickeln das Projekt weiter, aber mit einer normaleren Geschwindigkeit. Das bedeutet dann wohl, dass die alte Schule vermutlich noch bis Mitte 2026 stehen bleiben kann. Wir haben uns mit der Verlängerung der Notunterkunft um ein halbes Jahr aber bewusst kurz gehalten. Wir fahren bei der Notunterkunft für den Landkreis immer auf Sicht, dies bedeutet, wir wollen immer nur über eine halbjährige Verlängerung entscheiden. Dies steht für mich aber unter einer Prämisse: Es darf keine größeren Probleme rund um die Notunterkunft geben, sonst müssen wir die Vermietung mit dem Landkreis beenden. Bisher funktioniert es im Großen und Ganzen gut. Was aber nicht heißt, dass es nicht das ein oder andere Problem im Umfeld gibt. Das ist aber überall so, wo so viele Menschen auf engem Raum zusammenleben müssen.

Wir blicken mal zu den Bahngleisen: Das geplante Flüchtlingshaus an der Bahnlinie hatte jüngst mit Problemen zu kämpfen.

Das ist keine einfache Situation. Wir müssen unsere Quote bei der Unterbringung erfüllen, brauchen also Wohnraum, den wir auf diesem von der Bahn gekauften Grundstück hätten bauen können. Zum Jahreswechsel hat der Bundes-Gesetzgeber aber beschlossen, dass der Ausbau des Schienenverkehrs so wichtig ist, dass kein Bahngrundstück mehr für andere Zwecke mehr genutzt werden darf. Deshalb ist unser Antrag auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken für dieses Grundstück derzeit auf Eis gelegt. Wir haben zwar eine Baugenehmigung vom Landratsamt, das uns hier toll unterstützt hat, können aber nicht in die Umsetzung. Das kann einem schon die Zornesröte ins Gesicht treiben: Die Bundesrepublik weist Gottmadingen Flüchtlinge zu und sagt uns: Bringt sie unter. Gleichzeitig wirft sie der Gemeinde Knüppel zwischen die Beine, über die Gesetzgebung und sorgt dafür, dass geeignete Grundstücke nicht bebaut werden können.

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Wir bleiben an den Bahnlinien: Das geplante Hochhaus am Gleis polarisiert. Wie steht es um dieses Projekt?

Das Projekt hat polarisiert und wird jetzt gebaut. Seit die Baustelle läuft, werde ich nicht mehr darauf angesprochen. Ich verstehe die direkten Anlieger, aber ich habe etwas Mühe, wenn man mit einer Unterschriftenliste durch den Ort geht und fragt: Seid ihr gegen hohe Häuser? Wenn ich morgen das Gleiche mache und frage, seid ihr für mehr sozialen Wohnungsbau, dann habe ich auch schnell 1000 Unterschriften zusammen. Man kann das Projekt städtebaulich an dieser Stelle vertreten. Wir haben eine Wohnungsnot in Gottmadingen und kaum Bauprojekte im Ort. Und es gibt erst recht kein Projekt, das 19 von 21 Wohnungen als bezahlbarer Wohnungsraum entstehen.