Noch immer ist in Gottmadingen die Rede von „Üsere Fabrik“, wenn die Sprache auf die Firma Fahr kommt. Mit den Landmaschinen hatte es Gottmadingen gleich nach Singen zu einem der wichtigsten Industriestandorte im Hegau gebracht. Kaum ein Gottmadinger, der nicht dort in die Lehre gegangen wäre oder wenigstens jemanden kennt, der dort gelernt und gearbeitet hat. Fahr, das ist immer noch wie eine große Familie.

Dass die Firma ziemlich genau 100 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1988 zunächst von Greenland geschluckt und deren Reste später von Kverneland übernommen wurden, tat der Identifikation mit dem Unternehmen keinen Abbruch. Tatsächlich sind die Ur-Gottmadinger stolz darauf, dass ihre Traktoren und Landmaschinen immer noch überall auf der Welt im Einsatz sind. Das zeigen die großen Zuschauerzahlen bei den Treffen der Landmaschinenfreunde in Mühlhausen-Ehingen oder in Nordhorn. Auch der ehemalige Betriebsrat und Konstrukteur bei KHD-Fahr, Georg Ruf, kommt ins Schwärmen, wenn er von seinen Traktorausfahrten mit seiner Frau erzählt.
Katastrophe statt Romantik
Was im Rückblick in einer gewissen Romantik erscheint, stellte sich in den 1980er Jahren jedoch als Katastrophe für den Standort dar: Hatte das Unternehmen in seiner Blütezeit 4000 Beschäftigte, so arbeiteten 1988 noch etwa 2000 Mitarbeiter in der „Fabrik“. Menschen, die mit ihrem Lohn ganze Familien ernähren konnten. Mit dem Verkauf an Greenland verloren die meisten ihre Arbeit.
„Nur 886 Mitarbeiter wurden übernommen“, erinnert sich der damalige Betriebsrat Georg Ruf. Das war nicht nur für Gottmadingen, sondern für die gesamte Region dramatisch. Mit großen Demonstrationen und Unterstützung durch die Gewerkschaft IG Metall sowie der Politik versuchten die Mitarbeiter die Konzernleitung von KHD umzustimmen. Während die Beschäftigten mit Abfindungen in den vorzeitigen Ruhestand gingen, wuchs in der Gemeinde die Sorge vor der Verödung des Industriegeländes. Dass es gelungen ist, im Industriepark Gottmadingen (IPG) große Betriebe wie Constellium, die DAK oder ACA Müller anzusiedeln, kann als Glücksfall betrachtet werden.

Auf das Schicksalsjahr 1988 ging auch die Gründung der Fahr-Schlepperfreunde zurück, die heute im Industriegebeit ein eigenes Museum in einer Halle mit zahlreichen topgepflegten Fahr-Oldtimern betreiben. Der Verein hat rund 2000 Mitglieder auf der ganzen Welt. Dreimal im Jahr informiert sie ein eigenes Magazin über die Vereinsaktivitäten, Entdeckungen und Kuriositäten. Über das Archiv und die tadellos gepflegten Maschinen wacht Hubert Meier. Mit 56 Jahren gehörte er 1988 zu jenen, die das Werk verlassen und bis zur Rente mit 60 Prozent seines vorherigen Lohnes auskommen mussten.

Einen Groll gegen die damaligen Konzernleitungen hegt der 88-Jährige nicht. Seine Liebe gilt der Fahr-Geschichte und den alten Schätzen. Gerne führt er kleinere Besuchergruppen nach Voranmeldung (07731/71439) in gemessenem Abstand durch die Halle. Auch Helmut Kienzler (07731/836465) erklärt den Besuchern die Traktoren und Landmaschinen von der Mostpresse bis zur Hochdruckpresse. Gewöhnlich ist das Museum von April bis Oktober an den Samstagen von 13.30 bis 17 Uhr geöffnet. Doch in Corona-Zeiten bleibt es geschlossen.
Informationen im Internet:
http://www.fahr-schlepper-freunde.de
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