Der Besucheransturm am 28. September 1983 muss gewaltig gewesen sein. 30.000 Neugierige drängten am Eröffnungstag in den Neubau und in der ständig überfüllten Tiefgarage mit den 340 Plätzen herrschte bald dicke Luft, so berichtete das der SÜDKURIER.
Das Seerheincenter gehört zu den Projekten mit besonders langer Planungsgeschichte. 13 Jahre lang waren Entwürfe diskutiert und wieder verworfen worden. Die ersten Ideen für das Wohn- und Geschäftszentrum im Herzen von Petershausen sahen unter anderem zwei Wohntürme vor, einer sollte 15 Geschosse hoch ragen, der andere neun Geschosse.
Das Seerheincenter kostete 60 Millionen Mark
Der Komplex, der dann tatsächlich für 60 Millionen Mark errichtet wurde, hat bis zu sechs Geschosse. Einsprüche und Bürgerproteste hatten immer wieder Planänderungen nach sich gezogen. In der Folge wurde mehr in die Breite als in die Höhe gebaut.
„Wir waren voller Freude, als das hier gebaut wurde“, sagt der 85 Jahre alte Wolfgang Binkert. Er weiß noch, wie schäbig das Gelände der früheren Firma Reifen-Rist davor gewirkt habe: „Es war nicht schön.“ Binkert muss es wissen, er wohnt seit den 60er-Jahren, „mit einem Jahr Unterbrechung“, direkt gegenüber.
Seiner Erinnerung zufolge sah es rund um den damaligen Bauplatz wie folgt aus: „Werkstätten, Kleingärten, Wiesen und die Stadtmiste.“ Die ganze Ecke bis zur Jägerkaserne sei reichlich verwildert dahergekommen.
Mit dem Bau ging es ganz schnell
18 Monate nach dem Start feierte die überdachte Einkaufsmeile Eröffnung. Der damalige Einzelhandel in der Altstadt beäugte kritisch die neue Konkurrenz. Die Inhaber sahen unter den Anbietern im Seerheincenter keinen Magneten, der weit ins Umland ausstrahlt, und neue Besuchermassen nach Konstanz zieht.

Und sie wollten um ihre Stammkunden kämpfen. Schon drei Tage nach der Eröffnung gab der Einzelhandel erste Entwarnung. Peter Rebig vom Werbekreis stellte fest, der Handel in der Altstadt habe durch die neue Konkurrenz kaum an Umsatz verloren.
Auch die 80-jährige Ingrid Fichtner, ebenfalls Anwohnerin, erzählt: „Das Seerheincenter war auf jeden Fall eine Aufwertung.“ Die neue Ärzteetage hätten sie ebenso freudig begrüßt wie die damals vielfältige Gastronomie mit Café, Weinstube, Salatbar, den Supermarkt und die Boutiquen, erinnern sich die Zeitzeugen.

„Der Branchenmix war gut“, sagt auch die heute 69-jährige Marie-Luise Sippel. Am Eingang des neuen Seerheincenters hatte sie vom ersten Betriebstag an zehn Jahre lang einen „kleinen Laden“ mit Accessoires und Kunstgewerbe.
In den Anfangszeiten habe das Center viele Beschäftigte aus dem früheren Telekom-Gebäude und dem Krankenhaus angezogen. „Das Publikum war gut“, sagt sie über die damalige Zeit. Nach zehn Jahren aber habe sich das geändert.
Auch Veranstaltungen fanden dort statt
Das Seerheincenter hatte in den Anfangszeiten ein Kinderland namens Purzelbaum mit Bällebad und Gummirutschen. Als Betreuerin arbeitete dort eine Kinderpflegerin. Sprösslinge konnten dort herumtoben, während die Eltern einkauften.
Das neue Geschäftshaus wurde bald zum Magnet für vielfältige Veranstaltungen, Flohmärkte, Ausstellungen, Modeschauen, Konzerte, Tanznachmittage und Narrentreiben. Vier Petershauser Fasnachtsvereine warben damals für Abende mit 700 Sitzplätzen. Das bunte gesellschaftliche Leben dort habe sich aber nur einige Jahre gehalten, erinnern sich die Zeitzeugen, und das geht auch aus SÜDKURIER-Berichten hervor.

Dieser Artikel wurde erstmals im August 2020 veröffentlicht und spiegelt den damaligen Stand wieder.