Wetten, dass der nächste Shitstorm kommt – und zwar wegen der Carl-Benz und der Gottlieb-Daimler Straße. Diese Klimasünder mit eigenen Straßen zu ehren, ist ja so was von politisch unkorrekt! Sie schütteln den Kopf? Dann schauen Sie mal in unsere Landeshauptstadt: Dort wurde eine Petition von rund 9000 BürgerInnen unterschrieben, um das Stadtwappen des Ortsteils Möhringen zu ändern. Vor Kurzem bin auch ich über diesen Ortsnamen gestolpert – allerdings im gleichnamigen Stadtteil von Tuttlingen, als ich zu einem Thema der Ortschronik schrieb. Die beiden Gemeinden haben eine plakative Gemeinsamkeit, nämlich das Gesicht einer schwarzen Frau mit krausem Haar und wulstigen Lippen im Stadtwappen. Mehr Rassismus geht kaum, dachten sich die schwäbischen Wutbürger und setzen alles daran, diese Darstellung abzuschaffen. In Tuttlingen blieb bislang alles ruhig. Dabei steht dort die „Mohrin“ sogar halbnackt als Brunnenfigur vor dem Rathaus – Rassismus oder Sexismus wäre hier die Frage ...
Kreative Zeitgenossen schlagen vor, den Begriff „Mohr“ durch „Möhre“ zu ersetzen, was beiden Stadtwappen ein frisches, veganes Update verpassen würde. Klar, das kann man machen. Aber man muss nicht jedem politisch-korrektem Reflex sofort nachgeben. Manchmal lohnt nämlich der zweite Blick. Das N-Wort ist nie etwas anderes gewesen als eine Beschimpfung und zu Recht verpönt. Der Begriff „Mohr“ ist dagegen vielschichtiger und das macht die Sache spannend. Abgeleitet von „Maure“, wurden so Menschen aus Nordwest-Afrika bezeichnet. Einer der Heiligen Drei Könige ist ein „Mohr“ und auch St. Mauritius ist ein prominenter Vertreter und Stammvater des Namens Moritz. Muss jetzt der Sohn meiner Freundin zum Möhritz umgetauft werden oder nennen wir Möhringen nun Mauringen? Für jedes Problem gibt es eine Lösung: Man könnte anstelle der Frau die schwarze Faust der Black-Lives-Matter-Bewegung ins Stadtwappen integrieren. Oder man lässt alles wie es ist, spricht darüber und wird sich der historischen Wurzeln bewusst. Die Mohrin hat es nämlich in der Realität nie gegeben: Der Name leitet sich ab vom Alamannenführer Mero oder dem Stamm der Moro. So genau weiß das niemand mehr.
Aber ich bin ein bisschen neidisch auf die engagierten Stuttgarter AktivistInnen. Könnten wir nicht so etwas auch mal in unserer Region veranstalten? Da gibt es doch eine Mohren-Apotheke am Bodensee. Oder noch besser: Wir taufen die Champagnolestraße in Gottmadingen um. Da steckt doch eindeutig das Wort Champagner drin und das fördert den Alkoholismus. Kein Änderungsbedarf besteht jedoch in Singen bei der Frohsinn- und der Freiheitstraße. In diesem Sinne – eine gute Woche!