War es im Schmetterlingshaus der Mainau, wo ich diesen Spruch las? „Ich wäre gern eine Raupe: Fünf Wochen fressen, fünf Wochen schlafen und – Zack – schön!“

Ja, schön wärs, denken jetzt vermutlich alle, die Mitte Juli so den Kampf um die Bikinifigur aufgegeben haben. Aber was soll‘s: Beim Schwimmen in der großen Badewanne Bodensee ist sowieso fast alles unter Wasser und an Land hilft uns selbstbewusste body-positivity. Es ist toll, dass Alte, Junge, Große, Kleine, Kurvige und Eckige – also Menschen in all ihrer Individualität und Vielfalt – heutzutage besser akzeptiert werden. Wahre Schönheit kommt von innen, heißt es. Als Ärztin denke ich dabei jedoch nicht an einen strahlenden Charakter, der meine weiblichen Kurven illuminiert, sondern mehr an Laborwerte. Klar, es gibt Schwergewichtige, die trotzdem pumperlgesund sind: perfekte Blutwerte, niedriger Blutdruck, gut geschmierte Gelenke. Leider trifft das für mich als Diabetikerin nicht zu. Ich finde mich auch mit zehn Kilo mehr ganz hübsch, denn ich habe einen strahlenden Charakter. Aber leider sieht mein Laborzettel dann aus wie eine der Mathe-Klassenarbeiten, an die ich mich nur ungern erinnere: überall Anmerkungen und Ausrufezeichen.

Gegen den Frust gönne ich mir ein Vanille-Eis (aber nur ein kleines, denn die Eispreise heutzutage muss irgendein Diät-Experte erfunden haben). Aber auch ein kleines Eis haut rein, und mein Zucker saust nach oben. Dagegen hilft körperliche Aktivität. Ich stürze mich auf die Gartenarbeit. In diesem Jahr haben wir ungewöhnlich viele Schmetterlinge, was mich sehr freut. Es gibt auch ungewöhnlich viele Raupen. Glücklicherweise habe ich meine „wilden Ecken“ im Garten, wo Disteln und anderes Zeug wuchert, dem auch wochenlange Trockenheit nichts ausmacht. Dort findet jetzt das große Fressen statt – wie im Kinderbuch der kleinen Raupe Nimmersatt. Samenmischungen für Schmetterlingswiesen sind ja total im Trend. Leider vergessen viele Menschen, dass es ohne Raupen keine Schmetterlinge gibt. Wenn die blühenden Wiesen also gemäht und das Unkraut vernichtet wird, haben die Schmetterlingsbabys nichts zu fressen. Das gleiche gilt für gezüchtete Blüten, die keinen Nektar enthalten oder von einheimischen Insekten nicht angenommen werden. Also: Lassen Sie den Garten einfach mal vor sich hin wuchern, und drücken Sie ein Auge zu, wenn Sie eine Raupe sehen.

Auch im Herbst kann man erst einmal viel stehen lassen, denn Schmetterlinge und ihre Nachkommen überwintern z.B. in Pflanzenstängeln. Das macht die Gartenarbeit doch gleich viel entspannter! Und noch etwas können wir von den Viechern lernen: Esst mehr Grünzeug! Denn so gesehen stimmt der Spruch, den ich eingangs zitierte: Fünf Wochen Grünzeug essen und fünf Wochen lang ausreichend Schlaf: Zack – und Sie sind wunderschön. Wetten?

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