Handarbeitsunterricht gab es zwar nur für Mädchen, dass diese Fertigkeiten aber auch für Jungs geeignet sind, bewies mein Vater, der die Kindergarderobe daheim an der Nähmaschine fabrizierte. Hosenverlängerungen oder Knieflicken mit kontrastfarbenem Stoff gehörten auch dazu – heute nennt man das Colourblocking; damals war es einfach nur peinlich. Er konnte auch Schuhe besohlen und (fast) alles reparieren.
Erinnern Sie sich an die Buchreihe „Jetzt helfe ich mir selbst“? Schmale Bändchen, die es für jeden Autotyp gab und in denen auch Schraubern mit zwei linken Händen erklärt wurde, wie man einen Keilriemen wechselt. Als ich auszog, stammten große Teile der ersten Wohnungseinrichtung vom Sperrmüll und einen an die Wand klappbaren Küchentisch baute – Sie haben es erraten! – mein Vater.
Als bekennende beidhändige Linkshänderin, benutze ich stets unplattbare Reifen, da ich vermutlich mit dem Reifenwechsel ohne Unterstützung meines Mannes komplett überfordert wäre. Möbelschreinerei fällt ebenso wenig unter meine Expertise wie Kleidernähen. Ich vergesse immer die Nahtzugaben und muss Crash-Diäten machen, damit mir meine selbst genähten Röcke passen.
Nicht, um die Welt zu retten, sondern schlicht und ergreifend deswegen, weil man damit Geld sparte: Sockenstopfen, Reißverschlüsse reparieren und Schuhe besohlen war immer noch günstiger, als den ganzen Kram ständig neu zu kaufen. Heute ist die Autoreparatur in Eigenregie fast unmöglich geworden. Socken und T-Shirts sind so billig, dass es nicht mehr lohnt, Löcher zu stopfen. Ganz zu schweigen von einer Modeindustrie, die mehr als vier Kollektionen pro Jahr auf den Markt wirft.
Ein alter und weiser indischer Freund sagte mal: „Ein Drittel des Lebens wünschst du dir Dinge, im zweiten Drittel schuftest du, um sie zu kaufen und im letzten Drittel schuftest du, um sie zu ordnen und wieder loszuwerden.“ Auch das hat sich rasend beschleunigt: Vom Wunsch bis zum Überdruss ist es nur noch ein winziger Schritt. Die Mitarbeiterinnen vom Roten Kreuz in Gottmadingen und ein Landwirt in Welschingen, vor deren Laden bzw. in dessen Wiesen sich der Müll stapelt, können ein Lied davon singen. Trotz Pfandpflicht sind leere Flaschen immer noch schwerer als volle – weswegen man sie nach dem Picknick nicht mehr nach Hause schleppt. Schade. Funktioniert Nachhaltigkeit wirklich nur über den Geldbeutel? Und dabei habe ich Lohnsklaverei in asiatischen Textilfabriken oder deutschen Schlachthöfen noch gar nicht erwähnt.