Heute ist Montag, der Tag nach der Bundestagswahl, und Sie können sich vermutlich denken, wie schwer mir dieser Text gefallen ist. Ich muss ihn ja vor dem Ereignis schreiben. Und dann auch noch weit, weit weg.

Nicht nur weit weg von den Wahlergebnissen, sondern auch geografisch betrachtet. Vor etwa einem Jahr planten wir nämlich endlich mal wieder einen Urlaub außerhalb von Europa. Wenn Sie diese Zeilen lesen, sind wir bereits auf dem Rückflug, und wahrscheinlich allein deswegen gut erholt, weil wir eine Riesendistanz zwischen uns und diesen Wahlkampf legen konnten.

Als wir im vergangenen Jahr buchten, verschob der Reiseveranstalter den Termin aus organisatorischen Gründen um eine Woche nach hinten – und das war jetzt unser Glück. Sonst hätten wir die Briefwahlunterlagen nicht mehr rechtzeitig erhalten und zum ersten Mal eine Bundestagswahl versäumt. Trotzdem kamen wir noch ganz schön ins Schwitzen, denn wir haben tatsächlich erst wenige Stunden vor der Abreise unsere Umschläge beim Rathaus eingeworfen. An dieser Stelle noch einmal ein Riesenkompliment an das Wahlamt in Gottmadingen, dessen Mitarbeiterinnen vermutlich Überstunden geschoben haben, um das möglich zu machen.

Wenige Auslandsdeutsche wählen

Als wir im Ausland lebten, hatten wir die Briefwahlunterlagen immer rechtzeitig auf dem Küchentisch, der zur Wahlkabine mutierte. Viele Auslandsdeutsche, die wir kannten, interessierten sich übrigens nicht für die Wahlen. Laut Statistik wählt nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen. Vielleicht, weil man sich extra registrieren muss? In den 1990er-Jahren war dieses Verfahren kompliziert – in Papierform und auf dem Postweg. Heute kann das Formular auf der Internetseite des Bundeswahlleiters heruntergeladen oder über die Deutsche Botschaft bestellt werden.

Unsere kroatischen Freunde hatten es schwerer: Sie mussten zur Stimmabgabe nach Stuttgart reisen. Türkische Staatsangehörige unterliegen seit 1986 der Wahlpflicht. Briefwahl gibt es nicht, aber seit 2012 können sie wenigstens in Deutschland wählen. Falls sie es nicht tun, ist die Strafe überschaubar: 8 Euro.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Belgien und Luxemburg haben eine Wahlpflicht. Sanktionen existieren aber nur auf dem Papier. Dennoch liegt die Wahlbeteiligung bei über 90 Prozent. Besonders ernst wird es in Australien: Wer dort wiederholt nicht zur Wahl geht, kann sogar mit Gefängnis bestraft werden. Der Effekt ist interessant: Die Wahlbeteiligung ist hoch, Protestwähler geben eben ungültige Stimmzettel ab, und populistische Parteien haben es schwer.

Heute müssen wir die Ergebnisse erst einmal verdauen. So viel kann ich schon jetzt sagen, obwohl ich – während diese Zeilen entstehen – keine Ahnung habe, wie die Wahl ausgegangen ist.