Der Weg ist beschwerlich. Für den Anstieg hätte man sicherlich besseres Schuhwerk als Flip-Flops wählen können – doch die Wahl war naheliegend, schließlich geht es zum Baden. Die Beine beginnen langsam zu brennen. Rote Striemen, als Hinterlassenschaften von wilden Brombeersträuchern und Brennnesseln, zieren die Waden. Auf den Oberarmen bilden sich schon die ersten Überbleibsel eines unbarmherzigen Schnakenangriffs. Oskar, Filip und Mathias (Namen von der Redaktion geändert), die alle drei anonym bleiben wollen, sind besser vorbereitet. Sie haben sich hohe Socken und festes Schuhwerk übergezogen, trotz der hochsommerlichen Temperaturen an diesem Abend. Und dies aus gutem Grund: Sie kennen den Weg, laufen ihn mehrmals im Sommer. Denn er bringt sie zu einem echten Idyll: dem Binninger Baggersee. Sie wissen, dass sie etwas Verbotenes vorhaben, doch das kristallklare Wasser, das in Blautönen schimmert, zieht sie in seinen Bann. „Wir sind keine Stammgäste, kommen vielleicht zweimal im Monat hierher. Auch wenn wir wissen, dass Baden eigentlich verboten ist“, sagen die drei Freuden, die zusammen Sport treiben.

Sie wissen, dass sie etwas illegales tun: Oskar, Filip und Mathias wagen den Sprung ins kühle Nass des Binninger Baggersees. Bild: ...
Sie wissen, dass sie etwas illegales tun: Oskar, Filip und Mathias wagen den Sprung ins kühle Nass des Binninger Baggersees. Bild: Matthias Güntert | Bild: Matthias Güntert

Um an den Binnginger Baggersee zu gelangen, steigen sie auf ihre Drahtesel. Und das aus gutem Grund: Denn die Strafzettel können am See teuer werden. Das Landratsamt Konstanz kündigte jüngst an, gegen das widerrechtliche Parken von Fahrzeugen verschärft vorzugehen. Fahrzeuge, die verkehrswidrig entlang der Kreisstraße 6126 oder in den naturschutzrechtlich Gebieten geparkt werden, werden künftig kostenpflichtig abgeschleppt. Rolf Mohr ist Eigentümer des Baggersees und unterstützt das verschärfte Vorgehen des Landratsamtes: „Man wurde zu diesen Maßnahmen gezwungen. Die Badesituation hat Überhand genommen.“ Mittlerweile seien Autos aus Tuttlingen, Rottweil und von noch weiter her abgestellt worden. „Die Verkehrssituation ist nicht ungefährlich durch die parkenden Autos. Das hier ist keine Badeanstalt. Das Landratsamt musste einschreiten“, so Mohr weiter.

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Während er bei den Wildbadern gerne einmal ein Auge zudrückt, empfindet es Mohr als eine „Riesensauerei“, wie die Badegäste den See wieder verlassen. „Es ist ein Unding, was hier alles für Müll liegen gelassen wird.“ Er zeigte sich davon überzeugt, dass das Landratsamt die Geschichte mit den Strafzetteln moderater angegangen wäre, wenn es nicht zu solchen Exzessen gekommen wäre. „Ohne den Angelsportverein Gottmadingen, der jedes Jahr mehrere Container Müll entsorgt, wäre das Areal eine Müllkippe“, betont Mohr.

Kristallklar: Das blaue Wasser lädt die drei Wildbader zu einem Wettrennen ein.
Kristallklar: Das blaue Wasser lädt die drei Wildbader zu einem Wettrennen ein. | Bild: Matthias Güntert

Oskar, Filip und Mathias sind mittlerweile am Baggersee angekommen und stürzen sich gleich ins kühle Nass. Sie sind an diesem Donnerstagabend nicht die einzigen Badegäste am Binninger See. Am Ufer sieht man immer wieder Badetücher liegen. „Wir würden uns wünschen, dass das Baden am Binninger See öffentlich gemacht wird, wissen aber, dass das nicht geht“, gestehen die drei.

Bürgermeister befürworten Strafen

Tengens Bürgermeister Marian Schreier und sein Hilzinger Amtskollege Rupert Metzler sind sich in dieser Angelegenheit einig. Sie berichten beide von Gesprächen über eine Öffnung des Sees mit dem Besitzer. „Aber eine Öffnung sei nie Thema gewesen“, so Schreier. Schließlich existiere ein Badeverbot, um die Trinkwasserversorgung im Gebiet des Zweckverbandes Hoher Randen zu schützen. Vorliegende Gutachten würden dies begründen. „Das ist nicht so einfach, wie sich das einige Leute vorstellen“, ergänzt Metzler. Schreier befürwortet die strengen Kontrollen, denn die Situation habe sich von Jahr zu Jahr zugespitzt. Auch Hilzingens Bürgermeister Metzler spricht sich in vollem Umfang für die Kontrollen aus: „Es kam bereits zu Unfällen durch nicht wirklich sinnvoll geparkte Fahrzeuge.“ Auch im Naturschutzgebiet parkende Lastwagen hätten dort nichts zu suchen.

Am Seeufer lassen sich Oskar, Filip und Mathias von der Abendsonne trocknen.
Am Seeufer lassen sich Oskar, Filip und Mathias von der Abendsonne trocknen. | Bild: Matthias Güntert

Ob ihm die Strafen weitgenug gehen? „Ganz klar nein“, sagt Rupert Metzler. Seiner Einschätzung nach seien die Bußgelder nicht hoch genug, da illegale Badegäste diese im Verhältnis zur Personenanzahl im Auto beziehungsweise der Häufigkeit ihres zweiten oder dritten Besuches sehen. „So kommen sie immer noch billiger davon, im Vergleich zum Eintrittsgeld in einem regulären Freibad“, so Metzler. Auch Schreier halte es für nötig, dass der Bußgeldkatalog maximal ausgeschöpft werde.

Bei jedem Besuch nehmen die drei sowohl ihren als auch fremden Müll mit. Dies sei „Ehrensache“ versichern sie.
Bei jedem Besuch nehmen die drei sowohl ihren als auch fremden Müll mit. Dies sei „Ehrensache“ versichern sie. | Bild: Matthias Güntert

Oskar, Filip und Mathias haben in der Zwischenzeit ihr Bad beendet. Sie sitzen auf einem Felsen oberhalb des Baggersees und lassen ihren Blick in die Ferne streifen. Dann stehen die drei auf und holen eine blaue Plastiktüte hervor. Sie beginnen damit, Müll einzusammeln. Nicht nur ihren eigenen. „Das ist wie auf einer Toilette: Wir versuchen den Platz immer so zu verlassen, wie wir ihn uns wünschen würden“, sagen sie. Wenn sie mit einem Bad im kristallklaren Baggersee schon etwas Illegales tun, dann wollen sie wenigstens dafür sorgen, dass das Idyll erhalten bleibe. „Das ist Ehrensache.“