Wölfe waren lange Zeit kein Thema im Hegau, denn sie waren nahezu ausgerottet. Doch in den vergangenen Jahren kehren die großen Tiere nach und nach zurück: Immer mal wieder hört man davon, dass Wölfe die Region durchstreifen, und in Hilzingen wurde im März erstmals ein Wolf gesichtet. Die Raubtiere sind bekannt dafür, dass sie unter anderem Weidevieh reißen. Während manche Schäfer im Hegau alarmiert sind und sich Gedanken um bestmögliche Sicherheitsmaßnahmen machen, sehen andere das Thema bislang eher gelassen.
Michael Thonnet ist Pächter der Domäne Hohentwiel. Momentan besitzt er nach eigenen Angaben rund 450 Muttertiere plus Nachzucht. „Natürlich mache ich mir Gedanken wegen dem Wolf. Ich habe aber keine besonderen Vorkehrungen getroffen – wir waren schon immer gut ausgerüstet“, sagt er. Alle Koppeln seien mit 1,20 Meter hohen Stromzäunen umschlossen. Wenn der Wolf da einmal einen Stromschlag bekomme, meide er das Gebiet. Zudem kämen die Schafe nachts immer in den Stall.
Warum keine Herdenschutzhunde?
Herdenschutzhunde hat Thonnet keine. Das wäre auf dem Hohentwiel sinnlos, sagt der Schäfer. „Hier sind viele Besucher, die einen Hund dabei haben. Ein Herdenschutzhund würde da möglicherweise ausflippen. Und wir wollen ja niemanden verschrecken“, so Thonnet. „Ich glaube aber nicht, dass sich Wölfe genau hier am Hohentwiel ansiedeln“, betont der Schäfer. Singen gehöre ja bislang noch gar nicht zum Wolfsgebiet, das im Südschwarzwald um Donaueschingen und Geisingen herum beginnt.
In Deutschland wurden 2024 pro Wolfsübergriff durchschnittlich 3,9 Tiere getötet. Das zeigt eine bundesweite Schadensstatistik der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf. Seit zehn Jahren sind die Angriffszahlen rasant gestiegen. Der Höhepunkt war das Jahr 2023: Hier wurden über 5500 Tiere vom Wolf verletzt oder sogar getötet, wie in einem Diagramm ersichtlich wird. 91,1 Prozent der Wolfsopfer waren Schafe oder Ziegen. Im Hegau gab es bislang noch keinen Wolfsriss. Im Schwarzwald-Baar-Kreis hingegen wurde 2024 ein Rehkitz gerissen, weitere Opfer des Wolfs sind nicht ausgeschlossen.

Kontrollgänge sind wichtig
Tengen-Watterdingen grenzt direkt an das Wolfsgebiet an, hier befindet sich die Krainer Steinschafzucht. Deshalb ist die Züchterin Jutta Boll in ständiger Sorge um ihre 45 Mutterschafe, zwei Zuchtböcke und deren Nachzucht, wie sie mitteilt: „Mein erster und wichtigster Gang am Morgen ist der Kontrollgang bei unseren Schafherden.“ Die Züchterin hat sich außerdem schon mit Herdenschutzmaßnahmen auseinandergesetzt: „Wir haben inzwischen höhere Elektronetze zum Einzäunen unserer Schafe. Ansonsten machen wir aber nicht viel anders als zuvor“, so Boll.

Den Züchtern sei es schon immer wichtig gewesen, dass die Elektronetze gut und stabil aufgebaut sind – mit vielen zusätzlichen Pfählen und Eckpfosten. „Wir achten auch darauf, dass immer genügend Strom auf dem Zaun ist“, fährt Jutta Boll fort. „Aber die hundertprozentige Sicherheit gibt es leider nicht. Wenn ein Wolf in die Weide rein will, kommt er auch rein – ob der Zaun nun einen Meter hoch ist oder 1,40 Meter“, realisiert sie.
Auch Hühnerhof setzt auf Elektro-Zäune gegen den Wolf
Doch nicht jede Schäferei im Hegau ist beunruhigt. Beim Stofflerhof in Hilzingen, der sich um 20 Merino-Mutterschafe und deren Nachzucht kümmert, ist der Wolf nach Angaben der Besitzer bislang kein Thema. Weitere Auskünfte wollten sie nicht geben.
Der Berghof Bucher in Hilzingen hat zwar keine Schafe, aber dem Betreiber Lukas Bucher zufolge rund 7800 Hühner im Freigehe und ein paar junge Ochsen auf der Weide. Auch er macht sich keine großen Gedanken, sagt er: „Bei den Hühnern ist der Zaun sehr feinmaschig, elektrisiert und tief im Boden verankert. Da können wir gar nicht mehr machen.“ Darüber, ob die Ochsen angegriffen werden könnten, habe Bucher noch nicht nachgedacht.
Warum ein Wolfsriss so schlimm ist
Wenn die Tiere tatsächlich von einem Wolf gerissen werden, ist das für die Besitzer eine belastende Situation, wie Jutta Boll von der Krainer Steinschafzucht erzählt. Sie habe zwar noch nie einen Wolfsangriff erleben müssen, aber es hätten schon öfter Hunde ihre Herde attackiert. Nach solch einem Angriff sei die komplette Herde total verstört, verängstigt und durcheinander. Es dauere lange, die Tiere wieder zu beruhigen.
„Und für mich als Schafhalterin ist es ein großer Verlust, wenn ein oder mehrere Tiere tot oder schwer verletzt sind. Ich habe ja auch einen sehr nahen und persönlichen Bezug zu meinen Tieren. Es kommt eben nicht nur auf den materiellen Wert an“, sagt die Züchterin ernst.