Viele Familien haben den Traum, ein Eigenheim zu bauen, doch für viele bleibt es ein Traum, weil es derzeit einfach zu teuer ist. Benjamin G. und seine Familie aus Hilzingen-Binningen hatten eigentlich gute Voraussetzungen, dieses Vorhaben umzusetzen. Denn er kann auf dem Grundstück der Familie bauen. Doch die Auflagen ließen die Familie schier verzweifeln und bedeuteten Zusatzkosten und Verzögerungen.
Das Problem: Das Grundstück, auf dem gebaut werden soll, ist eine 6600 Quadratmeter große Streuobstwiese mit 50 Streuobstbäumen, davon sollten fünf gefällt werden. Doch die Bestände sind seit 2020 gesetzlich geschützt. Die daher geltenden Auflagen kosten Zeit, Geld und Nerven.
Grundsätzlich ist die Familie für den Schutz dieser Lebensräume, sie pflegen ihr Streuobst seit Jahrzehnten. Was sie ärgert ist, dass immer neue Auflagen kamen. Sie ist der Meinung, dass Menschen, die ihre Streuobstwiesen pflegen, nicht mit Bürokratie überzogen, sondern positiv gestärkt und gefördert werden sollten. Denn es gebe immer weniger, die aktiv und ehrenamtlich in vielen Stunden Arbeit ihr Streuobst erhalten, wie die Mutter von Benjamin G. weiß. Sie ist Gründungsmitglied der Streuobstinitiative Hegau, die sich für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt.
Die Familie beobachtet außerdem in der Umgebung, dass immer mehr Streuobstwiesen verwildern. Neue Bäume würden nicht nachgepflanzt, bestehende sogar einfach gefällt.
Genehmigung kam vor dem Gesetz
Der lange Weg zur Baugenehmigung begann für den Familienvater 2019. Er wollte bauen, weil seine Familie größer geworden ist und sie derzeit mit den Eltern und der Cousine in einem Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück wohnen. Zuerst stellte er eine Bauvoranfrage, die genehmigt wurde. 2020 trat dann eine Änderung des Landesnaturschutzgesetzes in Kraft, die den Erhalt von Streuobstbeständen ab einer Mindestgröße vorsieht. Die Familie hatte dann wegen Corona und der Inflation das Neubauprojekt erst einmal verschoben.
Vor etwa einem Jahr hat sie Kontakt zur unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes wegen einer Genehmigung zur Umnutzung der Streuobstwiese aufgenommen. Die erste Auflage gab es prompt: Sie sah vor, dass zehn Bäume als Ersatz nachgepflanzt werden müssen.
Die zweite Auflage im Juni sah vor, dass eine fachliche Einschätzung erstellt werden müsse, die den ganzen Bestand samt Tier- und Pflanzenwelt dokumentiert. Ein vom Bauherr beauftragter und bezahlter Landschaftsarchitekt konnte die schließlich erstellen. Warum sie nötig sein soll, war ihm zunächst nicht ganz klar: Sie diene der rechtlichen Absicherung der Behörde gegenüber den Naturschutzverbänden.
Neupflanzungen reichten nicht aus
Während des Bauantrags wurde dann ersichtlich, dass zehn Neupflanzungen als Ausgleich nicht ausreichten und eine Ausgleichsfläche geschaffen werden müsse. „Das alles war mit zusätzlichen Kosten verbunden“, berichtet der Familienvater. Glück im Unglück: Die Familie wollte sowieso einen an ihr Grundstück angrenzenden Acker in eine Magerwiese mit Wildobstbäumen umwandeln. Auf diesem Acker konnte ein Stück als Ausgleichsfläche geplant werden.

Der Bauherr hat alles umgesetzt – nach einem Jahr konnten inzwischen die fünf Bäume gefällt werden und der Bauantrag ist durch. Doch der Frust bleibt. „Wir wollten alles richtig machen und haben das Gefühl, wir sind die Dummen“, ist sein Eindruck. Er wünschte sich mehr Verständnis und weniger Gesetze und Bürokratie.
BUND versteht die Kritik, aber...
Antje Boll vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz), die als Vertreterin der Naturschutzverbände in das Verfahren einbezogen war, erklärt, sie könne verstehen, dass die Familie über die Auflagen verärgert ist. Zumal sie im Nachhinein, nach der genehmigten Bauvoranfrage kamen. Aber das Gesetz zum Erhalt der Streuobstwiesen von 2020 gelte für alle und müsse umgesetzt werden.
Mit der Ausgleichsfläche auf dem Acker sei eine gute Lösung gefunden. Die Familie G. plante laut Antragsunterlagen sowieso, südlich der bestehenden Streuobstwiese einen ihrer Äcker in extensives Grünland umzuwandeln, um Ökopunkte zu generieren, erklärt Antje Boll. Die Fläche trage zum Biotopschutz und zur Wahrung der Artenvielfalt mehr bei als Nachpflanzungen, die allein nicht als Ausgleich gelten.
Die untere Naturschutzbehörde schildert auf Anfrage die Gesetzeslage. Streuobstbestände ab einer Mindestfläche von 1500 Quadratmetern seien gesetzlich geschützt und dürfen nur mit Genehmigung der Behörde anders genutzt werden. Die Wiese von Familie G. hat im Verbund mit anderen 1700 Quadratmeter. Im Rahmen der Pflege sei eine Fällung ohne Genehmigung möglich, für den gefällten Baum müsse aber ein neuer nachgepflanzt werden.
Wer ohne Genehmigung Bäume fällt, muss nachpflanzen und mit Sanktionen rechnen. Eine Kontrolle des Verbots sei aber schwierig, räumt Katja Ebel, Pressesprecherin des Landratsamts, ein. Verstöße könnten allerdings nicht nur durch die Behörden, sondern auch durch Verbände, ehrenamtliche Naturschützer oder Gemeindemitarbeiter festgestellt werden.
Unterstützung für Streuobstpflege?
Streuobst-Pflegende würden sehr wohl unterstützt, es sei beispielsweise eine Förderung durch das Landwirtschaftsministerium möglich. Außerdem gebe es einen Beitrag für den Baumschnitt vom Regierungspräsidium. Zudem baue das Landwirtschaftsamt eine Streuobstplattform auf und gibt Kurse im Obst-Fachwarteverein. „Der Bedarf an Unterstützung ist bekannt und wird stetig besser bedient“, erklärt die Pressesprecherin.