Die Birnbäume auf den Streuobstwiesen hängen voll, doch das Obst bleibt liegen. Der Saft der Birnen ist nicht mehr so gefragt wie früher. Deshalb werden Birnbäume seltener nachgepflanzt und mit ihnen stirbt ein Stück der typischen Landschaft des Hegau. Eberhard Koch, Umweltbeauftragter der Gemeinde Gottmadingen und im Vorstand des BUND, setzt sich für deren Erhalt ein. „Die großen Birnbäume sind prägend für den Hegau, und wenn wir das Landschaftsbild erhalten wollen, brauchen wir die Birnbäume, die bis zu 150 Jahre alt werden“, erklärt Koch. Deshalb sei es nicht nur aus Naturschutzgründen wichtig, den Bestand zu erhalten, sondern auch für den Tourismus.

Streuobstwiesen prägen die Landschaft

Streuobstwiesen prägen die Landschaft im Hegau, doch sie werden weniger. Den Schwund der Streuobstbäume hat das Land vor rund fünf Jahren erfasst: Der Bestand hat sich innerhalb von 50 Jahren halbiert, sodass auf jeden der zehn Millionen Baden-Württemberger nur noch ein Baum kommt. Inzwischen dürften es mehr Menschen als Bäume sein. Früher habe es für den süßen Birnensaft noch Verwendung gegeben, erklärt Koch: „Ein guter Most bestand zum Teil aus Birne, Most war das Jeden-Tag-Getränk und jeder hatte seinen Most im Keller.“

Verbraucher auf Apfelsaft gepolt

Das habe sich verändert, die Menschen seien auf Apfelsaft gepolt, deshalb würden hauptsächlich Apfelbäume nachgepflanzt. Untersuchungen zeigten, dass zum Beispiel die Walnussbäume zugenommen, die Birnbäume dagegen abgenommen hätten, so der Umweltbeauftragte. Für den Naturschutz sei es egal, ob die Birnen verarbeitet werden oder nicht, aber der Stellenwert der Birne entscheide darüber, ob es auch in Zukunft die typische Streuobstlandschaft geben werde.

Kinder kennen keinen Süßmost

Die Erfahrung, dass Süßmost vielen kein Begriff mehr ist, machen auch die Fruchtsafthersteller Jacqueline und Michael Weinmann in Steißlingen. In der Schweiz dürfe dem Apfelsaft ein Prozent Birnensaft beigemischt werden, so fänden die Birnen Verwendung. In Deutschland sei das nicht erlaubt, erklärt Jacqueline Weinmann. Deshalb ist auch in ihrem Betrieb der Apfelsaft gefragter als Apfel-Birnen-Saft oder Birnensaft. Viele Kinder, die den Betrieb besuchten, würden auch den trüben Apfelsaft nicht mehr kennen. Dass die Streuobstwiesen in ihrer Vielfalt Bestand und Zukunft haben, hänge auch von der Nachfrage nach ihren Früchten ab. Im Endeffekt, so Weinmann, gehe es dabei auch um den Erhalt von Heimat.

Lebensraum für 5000 Arten

Diese Landschaft ist auch für rund 5000 Tier- und Pflanzenarten Heimat und überlebenswichtig. Eberhard Koch nennt Zugvögel wie den Star als Beispiel, für den die Streuobstwiesen im Sommer Lebensraum sind. Ein Grund, warum es immer weniger Streuobstwiesen gibt, ist das Problem der Pflege. Die Wiesen müssen gemäht werden, dafür braucht es das passende Gerät, die Bäume geschnitten und das Obst eingesammelt werden. Viel Arbeit für die Grundstücksbesitzer, die, wenn sie das Obst verwerten, auf einen Stundenlohn von gerade einmal einem Euro kommen. „Die Alten machen das noch, die Jungen sehen, was das für eine Arbeit ist, und wollen es nicht mehr“, so Koch.

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Doch es gibt Ideen und Initiativen, wie die Streuobstwiesen erhalten werden können, erklärt Eberhard Koch. Im Gottmadinger Gewann Schorenweiher kümmern sich der BUND und ein lokales Unternehmen um zehn bis 15 Grundstücke mit Streuobstbäumen. Das Unternehmen bezahlt einen Landwirt, der die Wiesen mulcht, damit das Gelände nicht zuwächst. Außerdem stehen beim BUND ein Mulcher und zwei Pasteurisiergeräte zum haltbar machen von Apfelsaft bereit, um die Besitzer beim Bewirtschaften zu unterstützen. Die beiden Pasteurisiergeräte seien in guten Apfeljahren im Dauereinsatz, so Koch. Eine weitere Initiative ist die Streuobstbörse, die Besitzer und Nutzer zusammenbringt. Auf diese Weise seien 20 Grundstücke vermittelt worden. Auch Schulklassen ernten Streuobst und lassen es zu Saft verarbeiten.

Förderprogramme helfen

Schutz- und Förderprogramme der Gemeinden und des Landes tragen ebenfalls Früchte, so die Erfahrung von Eberhard Koch. Streuobstwiesen ab 1500 Quadratmeter seien im Rahmen des Biotopverbunds geschützt. Auch das Schnittförderprogramm des Landes sei hilfreich. „Der BUND hat einen Sammelantrag für 25 Grundstücksbesitzer gestellt und 600 Bäume angemeldet, für die wir jedes Jahr 4000 Euro erhalten“, erklärt Koch.

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Der Verein Streuobstbaum-Initiative Hegau (Strobi) hat sich seit 2015 ebenfalls dem Erhalt der historisch gewachsenen Streuobstlandschaft verschrieben. „Es ist schon so, dass die landschaftsprägenden Birnbäume sehr viel seltener gepflanzt werden. Darum pflanzt unser Verein vorwiegend solche Bäume“, erklärt der Vorsitzende Christian Ante, Bürgermeister von Merzhausen im Breisgau, der aus Weiterdingen stammt. Bei der Pflanzaktion 2020 entlang des Radweges bei Duchtlingen seien überwiegend Birnbäume gepflanzt worden und auch bei der Pflanzaktion 2021 werden es überwiegend Birnen sein. Momentan betreue der Verein über 170, nach der Pflanzaktion 230 Bäume. Der Verein mit 60 Mitgliedern sei mit großer Unterstützung der Gemeinde hauptsächlich in Hilzingen tätig. Grundsätzlich könnten Ehrenamtliche aber im ganzen Hegau unter dem Dach des Vereins aktiv werden, lädt Ante zum Mitmachen ein.

Initiativen vor Ort gefragt

Koch sieht die Zukunft der Streuobstwiesen mehrgleisig: Neben der Pflege durch die Eigentümer kann das das gemeinschaftliche Bewirtschaften oder aber lokale Initiativen wie die Streuobstbörse sein. Für die Streuobstbirne sieht er nicht schwarz, denn es gebe auch Bespiele bester Verwertungsmöglichkeiten und Spezialitäten wie Obstbrände, Aperitifs oder Fruchtsekt. „Das ist eine Nische, die man ausbauen kann“, sagt Koch.