Seine Mutter habe immer zu ihm gesagt: „Wenn es keine Tür gibt, durch die du rein kannst, dann nimmst du die Wand“, sagt Wolfgang Rolle.

Und so ist Rolle, das Konstanzer Fasnachts-Urgestein, der Elferrat und langjährige Programmchef der Elefanten AG. Er macht Sachen, die andere für unmöglich halten. Wie die Sache mit dem echten Elefanten, der 1980 durch Konstanz marschierte.

Das Elefanten-Bild ist aus Rolles privatem Fotoalbum.

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Bild 1: 1980: Als ein echter Elefant zur Fasnacht durch Konstanz marschierte
Bild: privat

Damals in den 70-er-Jahren war er ein junger Bursche mit langem Mantel und verwegenem Zug um die Mundwinkel. Diesen Zug hat er heute noch, mit 84 Jahren. Sein Verstand ist messerscharf, sein Blick wach. Die Fasnacht ist für ihn jedes Jahr noch immer etwas Besonderes. Das kann jeder sehen, der an Rolles närrisch dekoriertem Fenster vorbeigeht:

Wolfgang Rolle ist ein echter Konstanzer mit vielen Geschichten aus dem Alten Konstanz.
Wolfgang Rolle ist ein echter Konstanzer mit vielen Geschichten aus dem Alten Konstanz. | Bild: Oliver Hanser

Und wenn Wolfgang Rolle ins Erzählen kommt, die Wangen gerötet, den Zeigefinger erhoben, fällt ihm eine absonderliche und wunderbare Geschichte aus vergangenen Zeiten nach der anderen ein. Die Elefanten-Episode ist eine der Schönsten. Und so erzählt er sie:

Alle bereiteten das 100-jährige Jubiläum vor

Es ist etwas mehr als 40 Jahre her. Es war in einer Zeit, in der alle über das 100. Jubiläum der ältesten Konstanzer Narrenzunft Elefanten AG sprachen – und viele Menschen noch nie in ihrem Leben einen lebenden, echten Elefanten aus der Nähe gesehen hatten. Rolle hatte diesen fixen Gedanken. Einen lebenden Dickhäuter zum 100-jährigen Bestehen der Elefanten-AG durch die Straßen der Stadt stampfen zu lassen. Dann traf er eines Tages Friedrich Breinlinger, den damaligen geschäftsführenden Gesellschafter des SÜDKURIERS und Fastnacht-Mäzen an der Kasse im Supermarkt. Der fragte, im lockeren Plauschton: „Hast du schon eine Idee für das Jubiläum?“

An dieser Stelle muss man kurz innehalten. Wenn man von Rolle lernen kann, dann das: Er weiß, wie wichtig es ist, seine Ziele lange im Vorhinein zu kennen. Und er weiß, wie wichtig Beziehungen sind.

Bild 3: 1980: Als ein echter Elefant zur Fasnacht durch Konstanz marschierte
Bild: privat

Eine denkwürdige Begegnung an der Supermarkt-Kasse

Bei der denkwürdigen Supermarkt-Kassenbegegnung antwortete Rolle also auf die Frage: „Was hast du dir fürs Jubiläum überlegt?“: „Ein Elefant für die Parade.“ Gut möglich, dass Friedrich Breinlinger das für einen Witz hielt und deshalb sagte: „Wenn du es schaffst, einen Elefanten nach Konstanz zu holen, dann bezahl ich den!“. Wir wissen nicht, ob er seine Worte je bereute, zum Beispiel in dem Moment, als er die 3000 Mark für den Elefanten aus seiner Brieftasche zog. Er ist leider längst verstorben. Wir wissen aber Folgendes: Dass er beim Umzug später, den er von der Kronen-Terrasse aus verfolgte, die ganze Zeit ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht gehabt haben soll.

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„In Bad Schussenried hat‘s einen Zirkus mit Elefanten.“

Und so schafften sie es: In Rolles Geschäft kamen und gingen tagtäglich Vertreter aus ganz Deutschland. Nach dem Kassen-Gespräch mit Breinlinger gab er jedem einzelnen von ihnen die Order: Wenn ihr irgendwo einen Elefanten seht, sagt mir Bescheid. Es dauerte nicht lange: Ein Ulmer Vertreter auf der Heimfahrt musste über Bad Schussenried. Und da, am Straßenrand. Große Werbung. Zirkus mit Elefant. Zuhause in Ulm angekommen – Handys gab es damals noch nicht – informierte er Rolle: „In Bad Schussenried hats einen Zirkus mit Elefanten.“

Zwei heiße Drähte aktiviert

Schön und gut, aber wie das graue, tonnenschwere Tier nach Konstanz bringen? Hier kommt der nächste heiße Draht von Rolle ins Spiel. Der Polizeipräsident Helmut Kümmerle, ein Freund von ihm. Er sagte: „Wir schicken eine Streife.“ Um zu sehen, ob der Elefant transportfähig sei. Und der Stadtwerkechef, Walter Schott, auch ein Freund Rolles, sagte: „Wir schicken eine Sonderfähre.“ Alles klappte. Der Elefant lief zur Parade und führte sogar einen „Brückenbelastungstest“ auf der damals neuen Autobahnbrücke an der Bundesstraße 33 im Paradies durch.

Elefantenpräsident Ulrich Blum auf dem Elefanten.
Elefantenpräsident Ulrich Blum auf dem Elefanten. | Bild: privat

„Ich habe ihm sofort neue Schuhe gekauft“

Nur als Wolfgang Rolle den Tierpfleger zum ersten Mal sah, erschrak er. „Was der für Schuhe anhatte“, erinnert sich der 84-Jährige und sieht dabei so empört aus, als wäre es gestern gewesen. „Schlimm! Nichts für eine Parade!“ Also schleifte er ihn ins Schuhgeschäft und kaufte ihm neue Schuhe.

Die Parade war eine große Sache, ganz Konstanz staunte. Rolle und die Elefanten haben es möglich gemacht.

Oben auf dem Elefanten: Der Elferrat Claudio Baeuerle und rechts daneben Elefanten-Präsident Ulrich Blum.
Oben auf dem Elefanten: Der Elferrat Claudio Baeuerle und rechts daneben Elefanten-Präsident Ulrich Blum. | Bild: Hella Wolff-Seybold

Heute ist Rolle nicht mehr so stark in der Konstanzer Fasnacht präsent, wie einst. Er ist kein Elefant mehr, hat seine Weste 40 Jahre nach seiner ersten Büttenrede, auf die Minute genau, abgelegt. Lieber reist er durch den Landkreis zu besonderen närrischen Veranstaltungen als Ehrengast, wie zum Stockacher Narrengericht. Die Konstanzer Fasnacht hat sich verändert, Rolle aber nicht.