Wenige Tage, nachdem das Stadlerhaus in der Zollernstraße 10 in Brand geraten war, stehen Cornelia Heger, Ursula Rhensius, Ina Keller, Michaela Bach Schmid, Viola Telge und weitere Anwohnerinnen fassungslos vor ihren ehemaligen Wohnungen, die sie Hals über Kopf verlassen mussten.
Von einem Moment auf den anderen wurden sie obdachlos, materiell und ideell Wertvolles wurde in der Nacht auf Donnerstag, 25. Juli 2024, Opfer von Flammen, Ruß oder Löschwasser. Eine Bewohnerin will kurz nach der Schreckensnacht das stark beschädigte Haus nicht anschauen, sie dreht sich mit dem Rücken dazu. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER fließen Tränen.
Inzwischen ist seit dem Brand ein Jahr vergangen. Ein erneutes Treffen vor ihrem alten Wohnhaus lehnen die Bewohnerinnen ab, zu sehr schmerzt noch der Gedanke an das Feuer und die ehemalige Heimat. Doch die gute Gemeinschaft haben sie bewahrt, auch wenn inzwischen jede von ihnen woanders lebt.

Bewohnerinnen des Stadlerhauses halten zusammen
So treffen sich Michaela Bach Schmid, Cornelia Heger, Ina Keller, Ursula Rhensius und Viola Telge nicht mit dem SÜDKURIER, aber doch für diese Zeitung. Sie verfassen einen gemeinsamen Text, in dem sie vor allem ihre Dankbarkeit für die große Hilfsbereitschaft ausdrücken möchten.
„Jetzt ist ein Jahr vergangen und wir denken an die Brandnacht zurück. Auf einmal war alles anders. Nie hätten wir gedacht, dass dieses stabile, wunderschöne Sandsteingebäude plötzlich nicht mehr unsere Heimat ist“, schreiben die Bewohnerinnen.
Weiter heißt es: „Vielen Dank an Familie, Freunde und Bekannte, die uns die erste Zeit aufgefangen haben. Kraft gab uns auch unsere über Jahre zusammengewachsene Hausgemeinschaft. Wir trafen uns täglich, tauschten und aus, weinten zusammen, trösteten uns und gaben uns Halt. In den darauffolgenden Monaten fanden wir alle eine neue Wohnung, was uns ein Stück Normalität zurückgab.“
Die Bewohnerinnen schreiben auch: „Danke für die Hilfsbereitschaft, die wir erfahren durften. Nach dem Brand richteten die Stadt Konstanz und der Verein ‚Konstanz hilft!‘ ein Spendenkonto ein. Wir sind all den Menschen unendlich dankbar, die uns durch ihre Spendenbereitschaft geholfen haben! Ohne die Hilfe von euch allen hätten wir das nicht geschafft.“

Der Zaun beeinträchtigt die Optik der Straße
Dass das Stadlerhaus keine Brandruine bleibt, sondern so schnell wie möglich wieder aufgebaut wird, dafür sorgen Eigentümer Christian Stadler und Architekt Christoph Bauer mit seinem Team. Schnell waren erste Pläne entworfen, schnell standen Gerüst und Kran. Damit genug Platz für Kran und schweres Gerät ist, verengt ein großer Zaun die Zollernstraße; er beeinträchtigt nach wie vor die Optik der Gasse.
Der Zaun trifft bei den ansässigen Händlern zwar auf Verständnis, aber sie klagen auch über fehlende Laufkundschaft und eingebrochene Umsätze. Das Hotel am Fischmarkt kämpfte sogar ums Überleben. Dadurch, dass einige Räume Wand an Wand mit dem Stadlerhaus liegen, mussten sie grundlegend saniert werden.

Sebastian Unterwerner, der das Hotel mit seiner Mutter Tamara Unterwerner betreibt, erzählt: „Die Versicherung hörte Ende Dezember 2024 auf zu zahlen und wir hatten gehofft, im März 2025 wieder starten zu können. Doch der Rauchgeruch hing noch zu stark in den Zimmern, außerdem brachte das alte Gebäude beim Öffnen der Wände Probleme mit sich, die sanitären Anlagen mussten gerichtet werden.“
So konnte das Hotel erst Mitte April 2025 wieder Gäste empfangen. „Das war höchste Zeit, denn das Konto wurde immer leerer und wir hatten schon viel Geld privat investiert“, sagt der 30-Jährige. Jetzt ist er „hundertprozentig froh, dass der Betrieb wieder läuft“, auch wenn er durch die zwischenzeitliche Neueröffnung vieler Hotels spürbar mehr Konkurrenz bekommen habe.

Zu schaffen macht ihm auch weiterhin die Baustelle direkt nebenan. „Drei Zimmer haben ein Gerüst vor den Fenstern und der Baulärm stört die Leute, die hier Urlaub machen wollen. Wir bekommen deshalb schlechte Bewertungen im Internet“, so der 30-Jährige, der natürlich weiß, dass die Zollernstraße ohne Baustelle nicht ihr altes Gesicht wieder erhält. Immerhin haben Anwohner und Händler etwa die Hälfte der Bauzeit geschafft.


Händler: „Der Verkauf ist so gut wie tot“
Nicht aufzugeben, ist auch das Ziel von Erich Fuchs, Geschäftsführer der Ledermanufaktur Deinlers wenige Schritte vom Hotel entfernt. „Reparaturaufträge haben wir so viele wie vor dem Brand, aber da dies außer uns kaum jemand anbietet, suchen die Kunden uns bewusst auf“, sagt der 71-Jährige und ergänzt: „Der Verkauf ist so gut wie tot.“
An den verengten Durchgang vor seinem Geschäft habe er sich gewöhnt. „Die Baustelle geht sensationell voran, aber bis alles fertig ist, müssen wir noch durchhalten.“ Um Kunden auf sich aufmerksam zu machen, habe er eine Fahne mit seinem Logo in Berlin anfertigen lassen. „Sie hing kaum, da hat jemand sie einfach weggerissen“, sagt Erich Fuchs traurig.

Überall in der Straße stehen kleine Schiefertafeln, die Kunden in die Geschäfte locken sollen. Auch die drei Geschäftsführerinnen des Einrichtungshauses Bent Sörensen, deren 1000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche vom Feuer zerstört wurde, stellen Möbel, Kissen und Deko-Artikel vor die Tür. Für Birte Hübner, Nadja Griehl und Anja Jehle ist es unmöglich, nicht an jene Nacht zurückzudenken.

„Momentan haben wir viele Kunden von auswärts, die das letzte Mal im Sommer 2024 zu Besuch waren und von dem Brand nichts mitbekommen haben. Wir müssen sehr viel informieren, warum wir diese große Baustelle haben“, sagt Anja Jehle. Immerhin konnten die drei Frauen Anfang November 2024 auf rund 150 Quadratmetern eine kleine Boutique eröffnen, außerdem lief der Möbelverkauf online weiter.

„Wir sind sehr dankbar dafür, wie gut unsere Kundschaft die Boutique annimmt und dass wir an gewohntem Ort für sie da sein können“, so Jehle. So könne die Übergangslösung dabei helfen, die Zeit bis zum Bezug des Neubaus zu überbrücken. „Nach aktuellem Stand gehen wir davon aus, dass wir uns ab Spätsommer oder Anfang Herbst 2026 wieder vergrößern und den Neubau sowie das sanierte Vorderhaus beziehen können“, sagt Jehle.
Und die Anwohnerinnen? Werden sie nach dem Ende der Sanierungen wieder ihre alten Wohnungen beziehen? „Wir vermissen die Zollernstraße 10 sehr, aber es ist noch ungewiss, ob wir zurückkehren“, schreiben sie.