Mehrere Leser haben sich seit Ende Februar an die Redaktion gewandt und berichten von der Linie 6 als „ungeliebtes Stiefkind der Stadtwerke“. Auch auf Facebook wird die Entscheidung zum Teil harsch kritisiert.
Die vorgebrachten Gründe für die kurzfristige Verlegung der Linie in die Reichenaustraße werden von ihnen als nicht glaubhaft empfunden. Der städtische Busbetreiber argumentiert: Die Entscheidung musste erfolgen, „da ein sicherer Betrieb nicht mehr möglich war“.
So hätten Busfahrer allein im Monat September 2018 „450 kritische Situationen“ gemeldet, wie ein Sprecher der Stadtwerke nun auf Nachfrage erklärt.
Anwohner und Vertreter der Politik kritisieren die Stadtwerke
Menschen, die auf den Bus angewiesen sind, beschweren sich über eine übertriebene Bevorzugung von Fahrradfahrern oder die aus ihrer Sicht handstreichartige Entscheidung der Stadtwerke.
Auch aus der Politik gibt es neue Kritik. Die Konstanzer Jusos, die Jugendorganisation der SPD, halten die jetzige Linienführung für eine weitere Verschlechterung der Anbindung des Stadtteils. Die Jusos beanstanden außerdem, dass Alternativen zur Haltestellenverlegung gar nicht erst geprüft worden seien.
Haben die Stadtwerke wirklich keine Alternativen geprüft?
Auf Anfrage teilen die Stadtwerke mit: Die Problematik der Linie 6 nach Einführung der Fahrradstraße sei Anfang Februar 2019 im Busausschuss behandelt worden. Eine denkbare Alternative wie die Verlegung der Linie 6 in die Klingenbergstraße wurde zu den Akten gelegt, da die Straße zu schmal sei oder Stellplätze für Autos verloren gingen.
„Nach eingehender Diskussion“ wurde die jetzige Lösung beschlossen, erklären die Stadtwerke. Dies, weil Anwohner entlang der Markgrafenstraße auch nach der Verlegung in die Reichenaustraße und die Wiederbelebung der Haltestelle Ebertplatz noch innerhalb eines Radius von 400 Metern eine Haltestelle erreichten.
Eine Anwohnerin fühlt sich in ihrer Straße nun "wie in einer Sackgasse"
Daniela Jarde empfindet die Erreichbarkeit anders und schildert ihre Erfahrungen. Sie lebe seit 1975 in Konstanz, schreibt sie in einer E-Mail an die Redaktion – seit 2012 mit ihrem auf einen Rollstuhl angewiesenen Sohn in der Bruder-Klaus-Straße.
Dort fühle sie sich nunmehr „wie in einer Sackgasse“. Die Gründe: Reisen mit dem Zug erforderten viel logistischen und Kraft-Aufwand beim Ein- und Ausladen des Rollstuhls, letzteres gelte auch für die Fahrt mit dem eigenen Auto. Jarde nutze daher häufig den Bus der Linie 6. Seit 1. März muss sie hierfür bis zur Reichenaustraße gehen, was sie – wegen der Schwierigkeiten, diese zu überqueren –, als „eine Zumutung“ bezeichnet.
Worin sehen die Stadtwerke die größte Gefahr im Bereich Markgrafen- und Petershauser Straße?
Aus einem internen Schreiben zwischen Stadtwerke und Stadtverwaltung, das dem SÜDKURIER vorliegt, geht indessen die Gefahreneinschätzung für die Petershauser Straße hervor: Die Busfahrer registrierten 150 Mal, dass Fahrradfahrer ihnen aus einer Seitenstraße kommend die Vorfahrt genommen und sie so zu gefährlichen Bremsmanövern gezwungen hätten.
Ferner überholten laut des Schreibens Radler von links und rechts Busse, die von der Petershauser Straße entweder in die Markgrafen- oder die Reichenaustraße abbiegen wollten. Vielen Verkehrsteilnehmern seien die Gefahren eines ausschwenkenden Bushecks nicht bewusst, heißt es in dem Schreiben.
Die Stadtwerke kommen schließlich zu der Einschätzung: Die größte Gefahr gehe von der Nichteinhaltung der Verkehrsregeln durch Radfahrer aus.
Daniela Jarde und ihre bittere Erkenntnis
Dass die neue Fahrradstraße in der Petershauser und Jahnstraße ein Gefahrenherd darstelle, bestreitet Anwohnerin Daniela Jarde nicht. Sie selbst fahre, wenn sie alleine unterwegs ist, ausschließlich mit dem Fahrrad. Aber nicht auf der neuen Fahrradstraße.
„Ich bin schon einmal umgefahren worden, in die Markgrafenstraße einbiegend, weil eine junge Radlerin, die mein Handzeichen übersehen hatte, nicht bremsen konnte“, erklärt sie.
Ihre persönliche Erkenntnis: „Ich bin über 60 und kann hier wohl nicht wohnen bleiben, weil unsere letzte Hoffnung, die Busverbindung würde verbessert werden, sich als Illusion herausgestellt hat.“