Zwei Flachdachhäuser an der Mainaustraße gegenüber der Holzkirche. Mit dem Ort, der so unspektakulär aussieht, verbinden viele ältere Konstanzer Höhepunkte ihrer Zeiten als junge Menschen. Denn hier stand das einst legendäre Parkcafé, ein Tanzlokal, das in den 1960er-Jahren seine Blütezeit hatte. Der Eingang war in einer Villa, die inzwischen abgerissen ist, ebenso wie der damals moderne Anbau, in dem sich der eigentliche Tanzraum befand. Viele haben dort die Liebe ihres Lebens kennengelernt, so auch Helmut Krüger, der über Jahre als Musiker im Lokal verkehrte.

Bild 1: Als das legendäre Parkcafé an der Mainaustraße die beste Party-Adresse in Konstanz war
Bild: Claudia Rindt

Immer über Winter hat er mit seiner Band Optimisten die Live-Musik im Parkcafé gestaltet. Dabei steht der heute 82-Jährige überhaupt nicht aufs Tanzen. „Ich glaube, ich habe nur einmal getanzt, bei meiner Hochzeit, weil ich musste“, sagt der Mann, der in jungen Jahren von Ostberlin nach Konstanz gekommen war.

Der Bauhandwerker und leidenschaftliche Gitarrenspieler fand vor Ort schnell musikalisch Begeisterte, mit denen er mehrere Bands gründete. Seine Optimisten bestritten in den 60er-Jahren über Winter gegen fünf Mark Stundenlohn das musikalische Programm im Parkcafé mit Musik von Elvis Presley, Frank Sinatra, Peter Kraus, Gus Backus, Tanzklassikern sowie dem Letkis, einem Hüpftanz aus den 60ern.

Die Männer im Anzug, die Frauen im Kleid

Die Musiker traten damals in Anzügen auf, bei denen nur die Farbe der Jacken herausstach: Sie waren in Türkis oder mit Goldschimmer gehalten und das Revers in Rabenschwarz als Kontrast. Unter den Gästen trugen die Männer Anzug und die Frauen Kleider. Es war die Zeit, in der die Damen und Herren sich noch gegenseitig zum Tanz aufforderten.

„Diese Zappelei gab es damals noch nicht“, sagt Helmut Krüger, er meint den Solo-Tanz in den Diskotheken. Doch es ging nicht nur ums Tanzen. „Das Parkcafé war ein bisschen wie eine Heiratsbörse“, sagt Krüger. Auch er hat seine Frau dort kennengelernt, die ebenfalls nicht so gern tanzte, sich aber oft nahe dem Musiker-Tisch neben der Bühne aufhielt. Es passte offenbar mit den beiden. Sie seien jetzt seit 55 Jahren verheiratet, sagt Helmut Krüger.

Das Parkcafé beschreibt Krüger als den elegant mit Rundtischen ausgestalteten Treffpunkt unter den eher rustikal gestalteten Tanzlokalen wie die Obere Sonne in der Altstadt oder die Linde und das Rössle in Wollmatingen.

Ärger wegen Ruhestörung gab es nicht

Im Tanzcafé war es jeden Tag üblich, dass Musiker auf der Bühne spielten. An Ärger wegen Ruhestörung kann sich Helmut Krüger nicht erinnern. Er vermutet, dass das Haus neben dem heutigen Suso-Gymnasium so günstig stand, dass sich kein Nachbar gestört fühlte. Möglicherweise aber gab es auch eine andere Einstellung gegenüber Musik.

Denn Mitte und Ende der 60er-Jahre war das auch die Zeit, in der halblegale private Clubs ihre Zeit hatten: Rolf Ditting, heute 73 Jahre alt, gehörte zu denen, die in der Muntpratstraße, mitten im Wohngebiet im Paradies, in einem angemieteten Keller 1965 und 1966 das Cascade öffneten. „Wir haben dort mal eine Neujahrsparty gefeiert.“ Die sei so gut angekommen, dass bald jedes Wochenende Party war. Bis zu 50 Gäste seien auf private Einladung oder Empfehlung gekommen.

Für den jungen Rolf Ditting war das Parkcafé kein Treffpunkt. „Das war was für die Älteren.“ Er mochte die rockigeren Klänge, vor allem die Rolling Stones. Und er liebte, wie viele aus seiner Generation, die Musik von Tonband oder Schallplatte.

Ein Keller im Paradies wird zum Tanzclub

Rolf Ditting, der später eine Band von Helmut Krüger managed, steht auch für das Aufkommen der Musik vom Plattenteller. Ein Jahr lang machte er jedes Wochenende den Keller im Paradies zum Tanztempel, und auch er kann sich nicht an Beschwerden aus der Nachbarschaft erinnern: „Es wurde geduldet.“ Viele seien froh gewesen, dass es eine Tanzmöglichkeit gab.

So ganz ohne Anmeldung habe es den Club allerdings nicht geben dürfen. Er habe deshalb mal 100 Mark Strafe zahlen müssen, sagt Ditting. Untergrund-Clubs wie der seine, aber auch offizielle Diskotheken wie das Joy am Zähringerplatz oder Hades am Augustinerplatz lösten langsam die alten Tanzclubs ab. Anfang der 70er-Jahre war mit dem Parkcafé Schluss. Viele Jahre lang gab es aber noch die Erinnerungspartys daran im Konzil.

Freie Tanzstile
und Folklore

  • Die Musik: Zum klassischen Schlager gesellen sich in den 1960er-Jahren Beat, Rock und Pop. Die englischen Liedtexte halten Einzug, ebenso gesellschaftskritische und politische Inhalte. Zum melodischen Rock der Beatles kommt der raue Sound der Rolling Stones. Mit The Who und Jimmi Hendrix wird die Musik technisch anspruchsvoller, es beginnt der Zeit der ausgedehnten Soloimprovisationen, Experimente mit Tierstimmen und Alltagsgeräuschen in den Liedern. Die ersten Rockmusiker treten mit langen Haaren und richtig lauter Musik auf. Mitte der 1960er-Jahre begannen Diskjockeys ihren eigenen Stil zu entwickeln, und sie wurden selbst zu gefeierten Figuren.
  • Die Tanzstile: In den 60er-Jahren blühen Twist, ein Paartanz, bei dem sich die Partner nicht berühren, mit dem Beat kommen die freien Tanzstile auf, ein Vorgeschmack auf den Diskotanz. In den 60ern kamen auch folkloristische Tänze in Mode, beispielsweise der russische Kasatschok und griechische Sirtaki oder der aus Finnland stammende Hüpftanz Letkis. Neben den klassischen Tanzcafés etablieren sich Diskotheken. Unter den Gästen in Konstanzer Tanzlokalen hätten sich schon damals viele Schweizer befunden, sagt Helmut Krüger.