Herr Beck, laut ADAC haben im Jahr 2017 von knapp 900000 Fahrschülern etwa 44 Prozent die theoretische Prüfung nicht geschafft, in der Praxisprüfung fielen 40 Prozent durch. Wie sind die Zahlen in Ihrer Fahrschule?
Diese Zahlen kommen in etwa hin.
Was sind die Gründe für das schlechte Abschneiden?
Es geht nicht darum zu jammern, sondern zu akzeptieren, dass man hart arbeiten und etwas dafür tun muss, um die Prüfung zu schaffen. Manchmal wundere ich mich, dass Fahrschüler denken, ohne Lernen kommt man durch. Einige müssen neu lernen zu lernen. Viele machen die 14 Pflicht-Theoriestunden in der Klasse B und gehen dann zur Prüfung.
Lernen sie daheim nicht?
Das liegt auf der Hand. Man muss auch rechtzeitig lernen und nicht nur auf die Prüfung hin. Was ist des Teufels liebstes Möbelstück? Die lange Bank. Am Ende wird die Zeit immer knapper und sie schaffen es nicht, weil der Berg zu groß ist. In der Praxisprüfung geht es dann darum, die Aufmerksamkeit besser zu kanalisieren. Ich sage nie mehr zu einem: Du musst dich konzentrieren. Die meisten sind überkonzentriert und deshalb nervös.
Müssen Sie die Schüler nach den Pflichtstunden zur Prüfung zulassen? Wie läuft das ab?
Es gibt ein Lernprogramm, in dem hinterlegt ist, ob der Schüler im roten, gelben oder grünen Bereich ist. Dann hat man die reellste Chance auf Erfolg. Ich frage nach dem Lernstatus, und wenn nichts kommt, melde ich auch nicht an. Dann kommen die Eltern und fragen: Warum darf mein Kind die Prüfung nicht machen?
Sie könnten einfach auf die Eltern hören und an den Folgestunden verdienen, wenn ein Schüler die Prüfung nicht schafft.
Jeder Schüler, der sauber durchläuft, ist ein guter Werber. Lieber habe ich weniger Einnahmen durch weniger Stunden aber eine gute Werbung für die Fahrschule. Dafür tun wir auch einiges. Wir haben einen extra Raum zum Lernen nach den Stunden – den aber leider viele nicht nutzen.
Laut einer Statistik des ADAC ist die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen zuletzt deutlich gestiegen. In der Theorieprüfung von 36,4 Prozent im Jahr 2009 auf 44,0 Prozent im Jahr 2017 und in der Praxis von 33,5 Prozent (2009) auf 39,9 Prozent. Sind die Anforderungen wirklich schwerer geworden?
Es ist sogar leichter geworden, den Führerschein zu machen, weil Arabisch als zwölfte Prüfsprache dazu gekommen ist und weil die Schüler die Prüfung mit aktuellen Medien machen. So werden beispielsweise auf dem Tablet Filme eingespielt. Ich muss mich halt damit beschäftigen. Die Frage ist nur: Warum sind die Leute nicht dazu bereit?
Sagen Sie es mir.
Viele setzen andere Schwerpunkte, statt sich drei bis sechs Monate voll auf die Fahrschule zu konzentrieren. Stattdessen verbringen sie viel Zeit in sozialen Netzwerken. Dabei würden 20 bis 30 Minuten lernen für den Führerschein täglich schon ausreichen. Wenn ich weiß, dass ich Schwierigkeiten habe, dann muss ich auch daran arbeiten und versuchen, mir es so leicht wie möglich zu machen. So mache ich einen Termin mit dem Fahrschüler aus für 14 Uhr. Der hetzt da hin, statt früher zu kommen und sich mental darauf vorzubereiten. Dementsprechend gestresst ist er dann in der Fahrstunde.
Welche Rolle spielen die Eltern dabei?
Eltern könnten ans Lernen erinnern und positiv unterstützen, also nicht nur daran erinnern, wie teuer das Kind gerade ist. Oft werde ich angerufen, warum das Kind noch nicht zur Prüfung kann und so viele Stunden braucht. manchmal lasse ich dann Eltern auch einmal mitfahren, damit sie selber merken, es braucht noch Zeit. Zum anderen ist das Verkehrsaufkommen heute komplexer und der Führerschein von damals ist nicht zu vergleichen. Die Kinder werden von A nach B gefahren und abgeholt, haben keine oder wenig Vorerfahrung im Straßenverkehr. Wenige fahren Rad.
Hinzu kommen viele schlechte Vorbilder: an der roten Ampel zu Fuß oder mit dem Rad und eben auch prüfungsuntaugliches Fahren vieler Erwachsener. Das fängt beim Bus mit Warnblinker an – das heißt: Fahren in Schrittgeschwindigkeit auf beiden Fahrstreifen, wenn keine bauliche Trennung dazwischen ist – und hört mit der Stoppstelle auf. Wenn ich als Kind oder Jugendlicher dann noch pausenlos abgelenkt bin und mit dem Handy im Auto sitze, fliegt die Welt an mir vorbei, ohne dass ich nebenher etwas zur Straße lerne. Einige junge und auch ältere Menschen sind es manchmal auch nicht gewohnt, dass ich nicht um eine Stoppstelle diskutieren kann. Manche Diskussionsfreude zeigt mir eventuell zu wenig erzieherische Grenzen. Ein Nein ist ein Nein und ein Stop ist ein Stop. Das kostet Fahrstunden, bis Einsicht geschieht. Schließlich geht es nicht darum, was andere auch tun, sondern darum, prüfungstauglich fahren zu lernen.
Wie könnten sich Fahrschüler noch mehr, und vor allem richtig, mit dem Thema Verkehr beschäftigen?
Sie könnten einfach mal am Sternenplatz oder dem Turbokreisel am Döbele mit einem Eis in der Hand anschauen, wie es funktioniert. Oder viel mehr am aktiven Verkehr teilnehmen – als Radfahrer oder Fußgänger.
Was sind die beliebtesten Ausreden für verpasste oder vergeigte Prüfungen?
Gängig ist immer noch: Ich habe verschlafen. Das Kurioseste sind Prüfungen, die nicht abgenommen werden können, weil der Prüfling den Ausweis nicht dabei hat oder er abgelaufen ist. Dann kommt meistens die Frage: Reicht der Schülerausweis nicht? Einmal hat der Prüfer zu einer Schülerin gesagt: Ich kann Ihnen den Führerschein jetzt nicht geben. Sie hat sofort Rotz und Wasser geheult. Dann hat er sich schnell korrigiert und gesagt: Sie haben bestanden, bekommen den Schein aber noch nicht, weil Sie erst in zehn Tagen 18 werden.
Ihr schien der Führerschein sehr wichtig zu sein. Welche Bedeutung hat dieses Dokument für viele?
Der Führerschein ist von Natur aus ein Schritt in die Freiheit. Unabhängigkeit strebt jeder an. Darum tun sich ältere Menschen auch so schwer, ihn abzugeben, sogar wenn sie längst nicht mehr selber fahren.
Was halten Sie in diesem Fall von Nachschulungen?
Grundsätzlich ist das eine positive Sache, da viele auf dem Stand bleiben, den sie vor vielen Jahren erlernt haben. Ich würde es aber nicht Nachschulung nennen, sondern Fortbildung oder Weiterbildung, wie in einem Beruf auch. Berufskraftfahrer müssen alle fünf Jahre eine fünftägige Fortbildung machen. Ein Fahrlehrer muss sich alle vier Jahre fortbilden, sonst darf er nicht weiter arbeiten. Sinnvoll wäre auch eine medizinische Untersuchung alle paar Jahre. Ein bis drei Tage Weiterbildung und eine ärztliche Untersuchung in den 15 Jahren, die der neue Führerschein gültig ist, würden reichen. Es geht ja nicht darum, damit Geld zu verdienen.
Sondern um mehr Sicherheit auf den Straßen. Hatten Sie selbst schon mal Angst bei einer Fahrstunde, weil ein Schüler so schlecht war?
Zum Glück habe ich Pedale und Bremsen. Ich lasse gar nicht erst zu, dass ich Angst bekomme. Wenn es in meinen Sicherheitsbereich kommt, dann greife ich ein. Der Fahrlehrer hält seine schützende Hand über die Schüler. Sobald sie die Prüfung haben, ist die Hand aber weg. Manche Autofahrer wissen gar nicht, was sie tun oder wie es richtig wäre. Die fahren 30 Jahre unfallfrei und merken gar nicht, dass die ganze Zeit andere auf sie aufgepasst haben.
Zur Person
Thomas Beck ist seit 1990 Fahrlehrer, seit 1997 hat der gebürtige Radolfzeller eine eigene Fahrschule in Konstanz. Der gelernte Industriemechaniker hat die Schwerpunkte LKW, Bus und Motorrad. Der 54-Jährige hat sechs Angestellte in seinem kleinen Familienunternehmen, darunter auch seine zwei Söhne. (fei)