Im Kellerraum des Konstanzer Unternehmens Polytalon haben sich Marcel Bajerke, Philipp Ruf und Adrian Flaig ein paar Meter abseits der Schreibtische eine gemütliche Ecke eingerichtet. Hinter einem Flipchart versteckt steht ein Sofa, darüber hängt eine Dartscheibe und an der Wand nebenan warten ein Schlagzeug und eine E-Gitarre darauf, gespielt zu werden.

In dieser Atmosphäre fühlen sich die Freunde und Gründer wohl. Hier kommen ihnen beim gemeinsamen Brainstorming die besten Ideen. Einem ihrer Einfälle haben die drei es zu verdanken, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen konnten1.

Bild 1: Diese drei Konstanzer haben ein Händchen für den richtigen Griff
Bild: Feiertag, Ingo

Neben Wurfpfeilen und der Musik eint den 27-jährigen Bajerke und die drei Jahre älteren Ruf und Flaig ihre Leidenschaft fürs Klettern. Seit das Trio sich während des Maschinenbaustudiums kennengelernt hatte, waren die Kumpels nicht nur gemeinsam im Hörsaal unterwegs, sondern auch an Kletterwänden oder auf Messen mit Gleichgesinnten.

Eine solche ist die Halls & Walls im fränkischen Nürnberg. Auf der Rückfahrt von diesem Treffen der europäischen Kletterhallenszene ging den Gründern vom Bodensee vor zwei Jahren im Auto ein Licht auf. Sie hatten die Idee für eine einzigartige Methode, Klettergriffe kostengünstig, haltbar, schnell und umweltfreundlich herzustellen.

Bild 2: Diese drei Konstanzer haben ein Händchen für den richtigen Griff
Bild: Feiertag, Ingo

Der Geistesblitz kam zur rechten Zeit. „Es entstehen gerade überall neue Hallen, die Sportart wird im nächsten Jahr olympisch und ist vermutlich die am schnellsten wachsende“, sagt Philipp Ruf über den Kletterboom, und Adrian Flaig ergänzt: „Der Bedarf an Klettergriffen steigt und irgendwann nutzt sich auch der beste ab. Im Durchschnitt halten sie zwei Jahre.“

Da die kleinen Kunststoffteile derzeit im Wesentlichen in Handarbeit hergestellt werden, haben die Konstanzer großes Potenzial darin erkannt, „die Prozesse effektiver zu gestalten“, wie Flaig es nennt. In punkto Lohnkosten könnten die Gründer nicht mit den führenden Herstellern in Osteuropa konkurrieren, so entwarfen sie den Prototypen eines automatisierten Entformungssystems. Das spare Zeit und Geld und ist laut Firmenwebsite weltweit einzigartig im Kletterbereich.

Bild 3: Diese drei Konstanzer haben ein Händchen für den richtigen Griff
Bild: Feiertag, Ingo

Im herkömmlichen Verfahren wird eine Schaumstoffform des Griffs mit Messer oder Feile von Hand geschnitten. Diese wird meist nach Osteuropa geschickt, wo ein massiver Silikonblock daraus gegossen wird. Aus diesem Block werden dann später die künftigen Griffe modelliert.

„Beim Entfernen aus der Form reißt diese aber oft“, sagt Philipp Ruf. Er und seine Kollegen von Polytalon dagegen stellen 3D-gedruckte Grundformen mit einer dünnen Silikonschicht her. „So sparen wir etwa 80 Prozent Material und es entsteht weniger Abfall“, sagt Marcel Bajerke. „Zudem halten die Formen dank unserer Entformungsanlage etwa doppelt so lange wie die großen, schweren Blöcke.“

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Eine weitere Innovation gelang dem Trio beim Material. „Ursprünglich wurde Polyester verwendet, wir dagegen nehmen Polyurethan“, sagt Adrian Flaig, „das ist zwar ein bisschen teurer und weniger abriebfest, aber auch stabiler, leichter und umweltfreundlicher.“

Und möglicherweise die Zukunft, denn Philipp Ruf geht davon aus, „dass Polyester in etwa fünf Jahren gar nicht mehr zugelassen sein wird“. Dank des neuen Materials kann das Konstanzer Unternehmen flachere Griffe herstellen als viele Mitbewerber. „Auf diese Weise können wir eine normale Kletterwand zu einer schwierigen machen“, erklärt Flaig.

Kletterrouten mit flachen Griffen sind besonders anspruchsvoll.
Kletterrouten mit flachen Griffen sind besonders anspruchsvoll. | Bild: Feiertag, Ingo

Die Freizeit fürs gemeinsame Klettern ist jedoch rar geworden, seit die Wahl-Konstanzer aus dem Schwarzwald und von der Schwäbischen Alb sich dazu entschlossen haben, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Im Moment sehen sie sich fast ausschließlich im Büro. Dort bestehen ihre Herausforderungen nicht aus schwierigen Überhängen und anspruchsvollen Routen, sondern aus banalen Alltagsfragen, die sich viele Gründer stellen.

„Wir bauen gerade eine neue Website und beschäftigen uns mit administrativen Dingen“, sagt Ruf, „da ist vieles fachfremd für uns, da wir alle einen technischen Hintergrund haben.“ Dennoch sei es spannend, die eigene Marke auf den Markt zu bringen, deren Entwicklung voranzutreiben und einen Vertrieb aufzubauen.

Bild 5: Diese drei Konstanzer haben ein Händchen für den richtigen Griff
Bild: Feiertag, Ingo

In den nächsten Wochen ziehen die drei mit ihren Arbeitsplätzen in den ersten Stock des Technologienzentrums. In den aktuellen Kellerräumen wird künftig das Lager sein und die automatisierte Produktionsanlage stehen.

Parallel dazu sind die ersten Konstanzer Griffe im Dauertest an der HTWG und in Kletterhallen der Region im Einsatz.

Adrian Flaig testet an der Kletterwand der Uni die eigenen Griffe.
Adrian Flaig testet an der Kletterwand der Uni die eigenen Griffe. | Bild: Feiertag, Ingo

„Ab dem nächsten Monat gehen wir in den Verkauf“, sagt Adrian Flaig. „Wir haben schon einige Pilotkunden, die zugesagt haben, dass sie die ersten Chargen abnehmen werden, sobald wir produktionsfähig sind.“ Dann können sie endlich so richtig durchstarten in die Selbständigkeit, die eine Mischung ist aus Risiko und Reiz.

„Ich war nach dem Studium angestellt, und das hat auch echt Spaß gemacht“, sagt Ruf. „An unserem eigenen Unternehmen reizt mich aber die Aussicht auf ein spannendes Projekt, das ich auch noch mit meinen Freunden in Angriff nehmen kann. Davon träumen doch viele.“

Die Konstanzer Gründer (von links): Philipp Ruf, Adrian Flaig und Marcel Bajerke.
Die Konstanzer Gründer (von links): Philipp Ruf, Adrian Flaig und Marcel Bajerke. | Bild: Feiertag, Ingo

Ein Jahr lang werden Marcel Bajerke, Adrian Flaig und er finanziell gefördert. „Das ist ähnlich wie ein Stipendium und hält uns den Rücken frei“, sagt Bajerke, der wie seine Freunde den Schritt zum Startup nicht bereut hat. „Es macht richtig Spaß und fühlt sich trotz des großen Aufwands überhaupt nicht wie Arbeit an“, sagt er.

Und wenn es ihnen doch einmal zu viel wird, dann können die drei Gründer immer noch ihre Kreativität befeuern, indem sie Darts spielen, Musik machen oder an die Kletterwand gehen. Der Plan ist, eine eigene im Treppenhaus des Technologiezentrums zu bekommen. Natürlich mit Griffen aus dem Hause Polytalon.