Mit so viel Erfolg hatten nicht einmal die Gründer gerechnet. Kaum hatten sie die Idee von der Soildarischen Landwirtschaft (kurz Solawi) in Konstanz in die Welt gesetzt, strömten die Interessenten. Im April wurde die Solawi Konstanz als Verein gegründet, schon heute hat er 120 Mitglieder, und einen Landwirt auf der Insel Reichenau, der auf eigenen Feldern für die Gemeinschaft Bio-Gemüse anbaut.
"Die Sache war reif, überreif", sagt eine der Mitbegründerinnen, Juli Reineke. Wie viele andere möchte sie eine Landwirtschaft befördern, in dem der Gemüsegärtner einen fairen Preis bekommt und der Verbraucher ein Produkt, von dem er genau weiß, woher es kommt, und unter welchen Bedingungen es gezogen wurde.
"Gemüse mit Charakter"
Der Kohlrabi ist riesig, aber mit einem Schönheitsfehler. Es sieht aus, als wäre ein Blitz in die Knolle gefahren und hätte sie zerteilt. "Gemüse mit Charakter" sagt dazu Biobauer Josef Müller von der Insel Reichenau.
Kein Supermarkt würde ihm so einen Kohlrabi abnehmen. In der Solidarischen Landwirtschaft dagegen ist ihm die Abnahme sicher.
Wie funktioniert die Solidarische Landwirtschaft?
In diesem System stehen Produzent und Verbraucher wieder direkt in Kontakt. Die Solidargemeinschaft teilt sich die Kosten, die Ernte, aber auch alle Risiken der Produktion. Und die Abnehmer akzeptieren, dass für die gleiche Menge an Gemüse je nach persönlichen Möglichkeit der eine recht viel, und der andere recht wenig zahlt. Denn auch untereinander wollen sie sich solidarisch verhalten.
Juli Reineke hatte sich vor der Solidarischen Landwirtschaft beim Retten von Lebensmitteln vor dem Müll (Foodsharing) beteiligt. "Ich habe gesehen, welche Mengen an Gemüse verrotten." Diese ganzen Systeme, die immer mehr Müll hervorbringen, "ich wollte das so nicht mehr."
Jetzt hat sie den Eindruck, es wieder ein Stück selbst in der Hand zu haben, was passiert – zumindest auf den Feldern, auf denen Josef Müller für die Solawi produziert. Letztlich gehe es für sie um die Frage, "in welcher Welt wir und unsere Kinder aufwachsen wollen." Sie wünscht sich eine Landwirtschaft, die nach Bedarf produziert, dabei die Böden nicht kaputtmacht, und den Bauern ein solides Einkommen gewährleistet.
Die Massen-Produktion überwinden
Bernhard Clasen kommt zu dem Schluss: Wer den eigenen Lebensstil ändere, könne die Mechanismen der Massen-Überproduktion überwinden. Eine der Gründe für die Solawi ist für ihn: "Sie produziert nach Bedarf und die Wege sind kurz." Auch, dass jeder nur das zahlt, was er für seinen Geldbeutel für angemessen hält, gefällt ihm. Jede Woche wird der Gemüseertrag durch die Zahl der Bezieher geteilt und ausgegeben.
Wie hoch dieser ist, hängt davon ab, was die Felder hergeben. Wurde viel geerntet, ist der Anteil groß; wurde wenig geerntet, ist der Anteil klein. Damit bei großen Ernten nichts auf dem Müll landet, bietet der Verein Kurse im Einmachen an sowie Schenk- und Tauschkisten.
Die Bezieher legen selbst fest, wie viel sie bereit sind, ein Jahr lang monatlich für ihre Gemüse-Anteile zu zahlen. Wer es sich leisten kann, bezahlt über 90 Euro, andere 45 Euro, der Durchschnittspreis liegt bei 64 Euro im Monat.
Was müssen die Mitglieder tun?
In der sogenannten Bieterrunde legt jeder für ein Jahr selbst fest, wie viel er monatlich für seinen Gemüseanteil zahlen will. Dann wird gerechnet, ob die Summe reicht, um die vom Landwirt kalkulierten Jahreskosten zu decken. Reicht es nicht, geht es in eine zweite Bieterrunde, in der nochmals jeder in sich gehen soll, ob er nicht doch noch ein paar Euro zugeben kann.
In der Regel ist in der dritten Runde das Ziel erreicht. Aktuell stehen 70.000 Euro im Raum, die die Solidargemeinschaft bei der nächsten Bieterrunde aufbringen will, damit der Landwirt nach ihren Vorstellungen für sie wirtschaften kann.
Josef Müller von der Insel Reichenau hat sich dazu entschieden, auf einigen Feldern ausschließlich für die Solawi in Konstanz zu produzieren. Er kam aus der konventionellen Landwirtschaft, hat dann auf Bio umgestellt, und lässt sich nun mit einem kleinen Teil seines Betriebs auf das Abenteuer Solawi ein.
Für die Gemeinschaft produziere er ganz anders. Üblicherweise baue er vier bis fünf Kulturen im Jahr im großen Stil an, nun seien es um die 50. "Es ist sehr viel Mehrarbeit, aber es macht Spaß. Es ist eine Herausforderung."
Info- und Bieterrunde
Wer überlegt, Mitglied der Solidarischen Landwirtschaft zu werden, kann sich am Samstag, 10. November, ab 14 im Ellenrieder-Gymnasium über das Prinzip informieren und die Macher kennen lernen. Die nächste Bieterrunde für die Gemüseanteile ist dann am Sonntag, 2. Dezember, ebenfalls um 14 Uhr im Ellenrieder Gymnasium. Weitere Informationen im Internet unter www.solawi-konstanz.de