Gudrun Köthen bezeichnet sich selbst als einigermaßen robust. Das musste sie im Dezember unter Beweis stellen. Am 11. Dezember will sie einkaufen gehen und nimmt wie gewohnt den Aufzug aus dem fünften Stock ihres Wohnhauses in der Schwaketenstraße 100.

Ein Knall – und dann geht nichts mehr
„Plötzlich gab es einen Knall, der Aufzug sackte ein Stück ab und kam zum Stillstand“, berichtet Köthen, „außerdem wurde es stockdunkel“. Gudrun Köthen sagt sich, dass es nun sinnvoll sei, sich zu sammeln und nicht in Panik zu geraten. „Da stand ich nun im Finsteren“, sagt sie und lächelt bei der Erinnerung. Ihr gegenüber erkennt sie eine fluoreszierende Fläche und schließt daraus, dass sich der Notrufknopf in der Nähe befinden muss. Als sie ihn drückt, passiert erst einmal – nichts.
Gudrun Köthen klopft und wartet
Auch nach mehrmaligen Versuchen meldet sich niemand. Gudrun Köthen verlegt sich aufs Klopfen. „Ich wusste ja nicht, wo ich feststecke“, sagt sie. Dann fühlt sie, dass die Tür sich ein wenig öffnet. Sie kann außen die Mauer, dann Metall, also eine Tür, ertasten. Erleichtert klopft sie laut an die Tür und hört gleichzeitig Handwerker sprechen.
Schließlich kommt ein Bauarbeiter, der sie nicht versteht und seinen Chef holt. Jemand kommt, der sie auffordert, den Notrufknopf zu drücken – was nicht funktioniert, da dieser ja kaputt ist. Immerhin kommen die Handwerker alle paar Minuten und fragen nach ihrem Befinden. Schließlich kommt ein Mitarbeiter von Vonovia und sagt, dass die Firma informiert sei und jemanden schicke. Es dauere allerdings 45 Minuten.
Schließlich wird Gudrun Köthen von einem Monteur befreit, der den Aufzug manuell bis zur sechsten Etage hochkurbelt und die Gefangene herauslässt.
Was Sigrid Königsmark erlebt
Ein Einzelfall? Nicht so ganz. Am 27. Juni 2019 erlebt Sigrid Königsmark etwas ganz Ähnliches. Der Fahrstuhl schließt sich, sie fühlt ein Absacken, dann steht der Aufzug. Immerhin sei es hell geblieben. „Im ersten Moment war ich nur schockiert, ich hatte gar keine Angst“, sagt Königsmark. Über den Notrufknopf erreicht sie den Notdienst der Herstellerfirma. Ein Mann sagt ihr, es könne 45 Minuten dauern.

Sorge um die Gesundheit
„Ich weiß nicht, ob ich so lange durchhalte“, antwortet Sigrid Königsmark ihm. Die Rentnerin hat eine Herzerkrankung, sie fürchtet, dass das Warten in der Enge sie stark belasten könnte. Sie drückt nochmals den Notrufknopf – und erhält nun eine schnellere Reaktion: die Feuerwehr wird gerufen.
Als die Feuerwehr eintrifft, befreien Einsatzkräfte Königsmark aus ihrer misslichen Lage. Der Notarzt überprüft im Rettungswagen ihren Zustand, der Blutdruck ist zu hoch. Als der Notarzt sicher ist, dass es ihr gut geht, wird Sigrid Königsmark wieder in ihre Wohnung begleitet.
Was den Mieterinnen unverständlich scheint
Was die beiden Mieterinnen nicht verstehen: Warum hat der Vermieter Vonovia nach eineinhalb Jahren Sanierungsphase sich nicht um die offensichtlich defekten Aufzüge gekümmert? Wie kann es sein, dass der Aufzug im Haus Nummer 100 einen Monat später immer noch nicht benutzbar ist?
So begründet Vonovia
Vonovia rechtfertigt das Versäumnis so: Während der Sanierungsarbeiten seien die Aufzüge stark beansprucht worden, schreibt Pressesprecherin Katja Mazurek. Deshalb seien die Aufzüge nach Abschluss der Arbeiten systematisch überprüft worden, um zu entscheiden, welche ausgetauscht werden müssen.
Die Funktionsfähigkeit aller Aufzüge werde regelmäßig geprüft und vom TÜV abgenommen.
Über die Notwendigkeit des Austauschs einzelner Aufzüge wolle Vonovia erst nach Abschluss der Arbeiten entscheiden.
Warum aber ist ein Aufzug immer noch defekt?
Darauf liefert Vonovia keine Antwort, dafür aber den Versuch einer Entschuldigung. Es ist nicht die erste, die die Firma an ihre Mieter in den vergangenen eineinhalb Jahren formuliert: „Wir bedauern es sehr, dass es zu einem Ausfall eines Aufzuges in einem Haus gekommen ist und entschuldigen uns in aller Form bei unseren Mietern“, schreibt Mazurek.
Die Mieter erhielten während der Zeit des Ausfalls bei Bedarf Hilfestellungen in Form von Trage- oder Krankendiensten, so die Information aus der Vonovia-Zentrale.