Mein erster Kontakt mit Nachbarn, als ich vor 17 Jahren mit Mann und Kleinkind nach Konstanz zog, bestand darin, dass mir eine perfekt gestylte, aber verkniffen dreinguckende junge Frau erklärte, wie ich den Müll zu trennen habe. Sie stellte sich nicht vor, sie begrüßte mich nicht als neue Nachbarin, sie legte einfach direkt drauflos mit Anweisungen.
Huch, dachte ich, hoffentlich sind die nicht alle so hier in der Stadt!
Dass Konstanzer freundliche und größtenteils aufgeschlossene Zeitgenossen sind, konnte ich dann zum Glück noch häufig feststellen. Interessanterweise aber habe ich die Erfahrung gemacht, dass je „einfacher“ die Wohngegend ist, desto hilfsbereiter und netter die Nachbarn sind.
Musikerviertel: Bloß nicht die Haare schütteln!
Anfangs lebte ich im Musikerviertel, wo sich ältere Damen darüber beschwerten, dass meine Tochter (ein leises Kind!) in der Mittagszeit auf dem Balkon spielen durfte. Auch dass ich meine nassen, frisch gewaschenen Haare auf dem Balkon ausschüttelte, wurde nicht gerne gesehen und über die makellos gemähte Grünfläche zu gehen (Betreten nicht erwünscht!) mit lautem Meckern kommentiert.
Altstadt und Sierenmoos: Leider ziemlich anonym
Danach wohnten wir sechs Jahre in der Altstadt, wo wir zwar innerhalb unseres Wohnhauses in der Hussenstraße eine ausgesprochen gute Nachbarschaft hatten, darüber hinaus aber in der unmittelbaren Umgebung nur wenige Menschen kannten, obwohl ich über den Kindergarten wusste, dass etliche Familien mit kleinen Kindern in der Altstadt wohnten und es auch Spielverabredungen gab.
Im Sierenmoos, wo es uns ab 2009 hinzog, hatte ich hingegen viele Kontakte, alleine schon über Kita und Krippe, aber die Familien dort lebten sehr für sich in ihren Ein- und Zweifamilienhäusern.
Sozialer Wohnungsbau in Petershausen: Nachbarschaft, wie sie sein soll
Ganz anders ist es dort, wo ich heute mit den Kindern lebe: Im sozialen Wohnungsbau, am Petershauser Bahnhof. In unserem 11-Parteien-Haus, das Teil einer großen Wohnanlage mit über 100 Wohnungen ist, habe ich das beste nachbarschaftliche Miteinander, das ich jemals erlebt habe. Wenn hier jemand Kuchen backt, dann bringt er das, was er zuviel hat, den Nachbarn vorbei. Wir feiern gemeinsam kirchliche Feste, egal ob und wie religiös manche der Nachbarn sind.
Den anderen ausgemusterte Klamotten anzubieten, bevor man sie in die Altkleidersammlung gibt, ist bei uns im Haus selbstverständlich. Blumen gießen, Katze füttern, Briefkasten leeren, wenn mal jemand in den Urlaub fährt? Kein Problem, es findet sich immer jemand, der das machen kann.
Alle Menschen, die bei mir im Block leben, haben einen Wohnberechtigungsschein. Und alle bei mir im Haus haben Kinder.
Sind wir deswegen sozial schwach? Nein, sage ich ganz entschieden.
Meine Nachbarn sind super sozial, viel sozialer als die meisten im Villenviertel es waren! An keinem Ort haben jemals mehr Kinder bei mir geklingelt, mehr Nachbarn an meinem Leben wohlwollend Anteil genommen als hier. Es ist ausgesprochen nett bei uns.
Und falls Sie irgendwann bei uns einziehen, erkläre ich Ihnen ganz freundlich, dass Styropor in den gelben Sack gehört und nicht in den Restmüll, da müssen meine Nachbarn nämlich mit mir auch durch. Ich bin ja mittlerweile eine Konstanzerin.