Ja, die Spitalkellerei hat auch dieses Jahr Glyphosat eingesetzt. Auch in Weinbergen, die sich in Konstanz befinden, zwischen Bismarcksteig und Sonnenhalde. Hubert Böttcher, seit 2002 gemeinsam mit Stephan Düringer Pächter der Spitalkellerei, bestreitet den Einsatz des Unkraut-Vernichters nicht. „Wenn es andere Möglichkeiten gäbe, würden wir diese nutzen“, sagt Böttcher im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Haltung der Spitalstiftung: Am liebsten gar kein Glyphosat
Das Ziel sei klar: Das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat soll so wenig wie möglich verwendet werden, bestätigt Düringer. „Eingesetzt wird es lediglich punktuell zwischen den Rebstöcken“, sagt er, „und nicht etwa großflächig über die Trauben verteilt“.

An der Haltung habe sich nichts geändert, führt Andreas Voss aus. „Wir hätten Glyphosat am liebsten gar nicht.“ Voss ist Direktor der Spitalstiftung, zu der die verpachtete Kellerei wirtschaftlich gehört. Der aktuell bis 2022 laufende Pachtvertrag lasse den Einsatz zu, „aber in möglichst geringem Maße“, so Voss. Die Weinberge der Spitalkellerei sind vom Ende 2017 durch den Gemeinderat Konstanz verabschiedeten Glyphosat-Verbot auf städtischen Flächen ausgenommen.
Ein Wein-Blogger aus Konstanz sagt: Es ginge auch anders
Zuvor hatten sich Leser an den SÜDKURIER gewandt, weil sie sich über das Ausbringen von chemischen Pflanzenschutzmitteln an der Sonnenhalde gewundert hatten. Darunter Stefan Schwytz. Der Konstanzer Jurist betreibt als Hobby einen Internet-Blog, nennt sich dort selbst „Wein-Anwalt“ und schreibt über unterschiedliche Themen zu Anbau, Verkostung und Neuigkeiten aus der Welt des Weins.
Bei einem Spaziergang an der Sonnenhalde beobachtete er kürzlich den Einsatz von Glyphosat in den Sonnenhalde-Weinbergen. Ein gewisses Eigeninteresse ist ihm nicht abzusprechen, seine Tochter soll ab Herbst die benachbarte Schule besuchen.

„Ich will niemandem einen Vorwurf machen“, erklärt Schwytz, „aber im Zuge des ausgerufenen Klimanotstands und der Aufmerksamkeit für das Bienen- und Insektensterben denke ich: Man kann Wein auch ohne Verwendung von Glyphosat anbauen. Und zwar rein ökologisch, auch wenn es schwierig ist.“
Das sehen die Spitalkellerei-Pächter etwas anders
Gedankenmodelle um eine komplette Bio-Systemumstellung sind bei der Spitalkellerei nicht neu. Laut Hubert Böttcher bleibe sie „nach wie vor ein laufender Prozess und ist beileibe nicht zu den Akten gelegt“. Andererseits sei bislang nicht nachgewiesen, ob ökologischer Anbau für die Klima- und Umweltbilanz die bessere Methode ist.
So müssten Winzer, die mit ökologischen Pflanzenschutzmitteln arbeitet, diese laut Böttcher auch deutlich häufiger ausbringen. „Das bedeutet: mehr Fahrten mit dem Traktor und mehr Verbrauch des endlichen Rohstoffs Diesel. Diese Rechnung sollte man in der Diskussion nicht verschweigen.“ Zudem erwähnt der Spitalkellerei-Pächter den Einsatz von Kupfer als Antipilzmittel durch Bio-Winzer.
Das Schwermetall ist in hoher Konzentrationen giftig, wurde vor Jahrzehnten in teils übertriebenem Maß verwendet. Heute gelten in Deutschland strenge Höchstmengen: Auf Wein dürfen wie bei Obst oder Kartoffeln im Ökolandbau maximal drei Kilogramm Reinkupfer pro Hektar und Jahr ausgebracht werden – vor 50 Jahren lag diese Menge teils 20 Mal höher.
„Der Verbraucher hat es in der Hand“
Dennoch experimentiert auch die Spitalkellerei mit Bio-Wein und neuen Sorten, etwa Sauvignon-Gris. Diese Mutation des Sauvignon-Blanc kann bereits verkostet werden, wird derzeit aber für den Handel noch nicht abgefüllt. „Das Sortiment haben die Verbraucher in der Hand“, sagt Böttcher, „und der erwartet eben bekannte Lieblingssorten wie Riesling und Müller-Thurgau.“ Der – in Flaschen gefüllt – zudem einen gewissen Preis nicht überschreiten soll und nicht überall nach Öko-Standards angebaut werden könne. „Das Umdenken muss vom Markt mit erfolgen“, folgert Böttcher.
Solch ein Umdenken wird aktuell in vielen Bereichen gefordert – durch die Fridays-for-Future-Bewegung über die gesamte Welt, und über diese per Klimanotstand nach Konstanz getragen. Auch bei den beiden Spitalkellerei-Pächtern wird seit längerem über neue Ansätze nachgedacht. Unter anderem kauften sie deshalb vor vier Jahren eine Rollhacke.
Diese zieht – hinter einem Traktor befestigt – das Unkraut mechanisch aus dem Boden. Die Effizienz ist endlich, ihr Einsatz kann sogar kontraproduktiv wirken: Bei zu viel Regen setzt die Prozedur Stickstoff frei und lässt damit die Reben faulen. Stephan Düringer fügt hinzu: „Gedüngt wird bei uns übrigens bereits seit Jahren nur noch mit organischen Mitteln, etwa Hornspänen oder -mehl.“
Jäten per Hand als Option?
Der Konstanzer Wein-Blogger Stefan Schwytz erinnert indessen an die Geschichte des Weinbaus. Diese ist mehrere Tausend Jahre alt. „In der Antike hat es auch funktioniert, ohne Chemie“, sagt er halb im Spaß, um die Möglichkeiten zu betonen. Jäten per Hand also? So viel Geld die Spitalkellerei auch für Pflanzenschutzmittel ausgebe – laut Hubert Böttcher handelt es sich um rund 20.000 Euro jährlich -, sei die Summe dennoch lange nicht vergleichbar mit den dann steigenden Personalkosten. „Und finden Sie heute mal jemand, der das überhaupt noch machen würde.“
Glyphosat: Ein umstrittener Unkrautvernichter
Das sogenannte Breitband-Herbizid wird seit den 70er-Jahren als Unkrautvernichter verwendet, sowohl von der Industrie wie auch in der Landwirtschaft und von privaten Nutzern. Seit sich Hinweise mehren, der Einsatz von Glyphosat sei schädlich und potenziell krebserzeugend, ist daraus ein Politikum geworden. Die EU-Kommission hatte sich nach langem Streit im November vergangenen Jahres für eine weitere Zulassung bis 2023 entschieden. Indessen hat die US-Firma Monsanto, die unter dem Namen Roundup Glyphosat herstellt und vertreibt, mehrere Rechtsstreits verloren. Der Monsanto-Mutterkonzern ist mittlerweile zu Schadensersatz-Zahlungen in Milliardenhöhe verurteilt worden.