Kreis Konstanz – Der Andi? Super Typ. Sagen viele. Auch der ältere Herr auf dem Konstanzer Wochenmarkt. Danke, Broschüre brauche er keine, aber Gummibärchen, die würde er mitnehmen. „Ich wähl‘ schon seit 30 Jahren CDU“, sagt er und geht wieder. Diese Stimme dürfte Andreas Jung sicher sein, aber die CDU weiß nicht erst seit der verlorenen Landtagswahl zu gut, dass sie nicht auf ihre Gewohnheitswähler setzen kann.
Deshalb setzt Andreas Jung lieber auf sich selbst. Er weiß, dass viele Wähler ideologisch nicht festgefahren sind und hat mit dieser Strategie zuletzt auch Stimmen bekommen, die sagen: Also CDU wollte ich ja eigentlich nicht wählen, aber den finde ich gut. So zog Jung schon 2005, 2009 und 2013 in den Bundestag mit einem Direktmandat ein – zuletzt mit fast 52 Prozent der Erststimmen, während die CDU im Kreis nur auf rund 44 Prozent kam. Das mag vor allem daran liegen, dass Andreas Jung eine moderne CDU verkörpert, obwohl er, in Jahren gedacht, durchaus schon zu den alten Hasen gehört.
Anfänge in Stockach
Quereinsteiger ist Jung auf jeden Fall nicht. Böse gesagt: Das ist eine politische Karriere, die schon früh geplant und durchkalkuliert wurde. Nett gesagt: Andreas Jung lebt für die Politik. Seit er 15 Jahre alt ist. Sein ehemaliger Gemeinschaftskundelehrer am Stockacher Gymnasium, Fredy Meyer, habe ihn darauf gebracht, durch seine Art, die Dinge zu vermitteln, sagt Jung. 1989, die Mauer war gerade gefallen. „Da gingen Leute auf die Straße und riskierten ihr Leben, weil sie das haben wollen, was für uns selbstverständlich war. Das war der Anstoß für mein politisches Engagement“, sagt der heute 42-Jährige. Freiheit, Demokratie, Europa – mit großen Themen im Kopf ging es für Jung erst einmal an das Schwarzbrot. Er wurde Mitglied der Jungen Union, setzte sich für ein Jugendhaus und einen Jugendgemeinderat ein. „Zur ersten Info-Veranstaltung in Stockach kamen genau zwei Leute“, erinnert sich Jung. Schon da habe er geahnt, dass man beharrlich kämpfen müsse, um etwas zu erreichen. Jung kennt die politische Arbeit vom Plakate kleben bis zur Rede im Bundestag. Er ist immer ein Kind der Region geblieben, sagt Jung über sich selbst und betont gerne, dass er Politik für die Menschen hier mache, nicht für irgendwelche Koalitionen oder Ideologien.
Was nett klingt, vielleicht ein wenig zu nett? Der Andi, der ist schon okay, sagen viele, wie gesagt. Eine Streitfigur, einer, der polarisiert, ist Andreas Jung nicht. „Ich nehme sehr für mich in Anspruch, Kante zu zeigen, wenn es um die Region geht“, antwortet Jung unaufgeregt, aber mit Nachdruck. „Und ich sehe Kante nicht darin, persönliche Scharmützel zu führen.“ Gleich eine ganze Liste schmeißt er hinterher, was er in Berlin für die Region erreicht habe. Durchaus „Krawall“ habe er gemacht, im Streit um den Fluglärm-Staatsvertrag mit der Schweiz. Was ihm auch in den späteren Verhandlungen zum Ausbau der B33 nicht geschadet habe, so Jung. Schließlich kam auch hier der Durchbruch: Das Projekt ist bis zum letzten Meter durchfinanziert. Ein Projekt, dessen Herausforderung darin bestand, den Wunsch nach Straßenausbau einerseits, den Schutz der Umwelt und die Sorgen der Anwohner andererseits stimmig zu vereinen.
So grün wie Kretschmann schwarz
Schließlich ist einer der großen politischen Schwerpunkte Jungs ein für einen CDU-Mann eher ungewöhnliches Thema: Umwelt. Auch hier antwortet Jung als „Kind der Region“: „Der Bodensee ist ein sensibler Lebensraum und der Schutz unseres Trinkwassers beispielsweise muss oberste Priorität haben“. Jung kämpfte für das beschlossene Fracking-Verbot am Bodensee; war schon gegen Atomkraft, bevor Fukushima explodierte; will das öffentliche Nahverkehrsnetz ausbauen und alternative Antriebe für Autos fördern. Andreas Jung ist so grün, wie Kretschmann schwarz ist.
„Grüne Lunge, schwarze Null“ sagt Andreas Jung dazu. Denn sein zweiter politischer Schwerpunkt liegt in der Wirtschaft. Noch sei die wirtschaftliche Situation in der Region gut, aber nicht selbstverständlich, sagt Jung. „Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis“. Er wolle weiter den Mittelstand stärken, statt ihn zu belasten und damit auch die Strukturen im „Ländle“ erhalten. Nicht zuletzt deshalb, weil sich in anderen Ländern wie Frankreich gezeigt habe, was die Konsequenz wäre, wenn der Esel erstmal ins Wasser gefallen ist: Die rechten Parteien bekommen Zulauf. „Es gibt da diese Studie, die sagt: Wenn die Dorfkneipe zumacht, gewinnt Marine le Pen zwei Prozent“, erzählt Jung, der im Bundestag für die Zusammenarbeit mit dem französischen Parlament zuständig ist. „Das heißt jetzt nicht, dass ich ein Bundesprogramm für Dorfkneipen will, aber man kann Gesetze – zum Beispiel beim Thema ärztliche Versorgung – so machen, dass es sich auf dem Land genauso gut lebt wie in der Stadt“. Oder auf der Insel, schließlich ist Jung „agschwemmter“ Reichenauer.
Andreas Jung, CDU: seine Person, sein Leben, seine Ziele
Auf Platz eins auf dem Stimmzettel im Wahlkreis Konstanz steht für die CDU Andreas Jung als Direktkandidat bei der Bundestagswahl am 24. September.
- Der Werdegang: Andreas Jung wurde 1975 in Freiburg geboren und wuchs in Stockach auf. Er spielte Fußball in der Bezirksliga, Tennis und Theater. 1989 trat er der Jungen Union bei. Nach dem Abitur am Nellenburg-Gymnasium in Stockach studierte er Jura an der Universität Konstanz und arbeitete zunächst als Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei in Mannheim. 2005 kam er zurück in den Kreis Konstanz, nachdem er mit einem Direktmandat in den Bundestag einzog. Seine Anwaltszulassung hat er behalten. „Zur Sicherheit“, sagt Jung.
- Das Privatleben: Andreas Jung ist seit Sommer 2015 mit der Journalistin Barbara Paul verheiratet, die von der Reichenau stammt. Dort lebt das Paar inzwischen auch mit den beiden Kindern. Zwei Jungs, einer eindreiviertel Jahre, der andere zwölf Wochen alt. Wie schafft er den Spagat zwischen Familie und Politik, zwischen Berlin und Bodensee? Andreas Jung schnauft ein wenig und lächelt. „Das ist schon eine Herausforderung, Tag für Tag.“ Die Zeit mit der Familie, die „ganz bewusst geplant werden muss“, scheint ihm sichtlich wichtig zu sein.
- Die Positionen: Familienpolitik sei bei ihm schon immer ein Thema gewesen, „aber ich ich habe jetzt natürlich einen ganz anderen Bezug dazu“, sagt Jung. Seine Frau wolle nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf einsteigen „und das finde ich auch richtig“. Beim Thema Umwelt ist Jung überzeugt: Erneuerbare Energien müssen weiter ausgebaut werden. Kernenergie, Kohle und Fracking seien keine Alternativen. Er kämpfe weiter für den zweigleisigen Ausbau der Gäubahn zwischen Singen und Stuttgart und will sich „mit hoher Priorität“ für den Breitband-Ausbau und schnelleres Internet auch auf dem Land einsetzen. Beim Thema Fluglärm kämpfe er weiter dafür, dass der Staatsvertrag mit der Schweiz nicht ratifiziert wird. Die EU müsse seiner Ansicht nach stärker werden: „Eine einheitliche Sprache in der Außenpolitik, konsquente Sicherung der Außengrenzen, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik“, so Jung. (sap)